"Aasgeier" trifft "Heuschrecke" -- Marathon bei Mobilcom und freenet.de

Der amerikanischen Investmentgesellschaft Texas Pacific Group eilt ein negativer Ruf voraus; einige Einzelaktionäre haben es zudem auf Tumult auf den Hauptversammlungen von Mobilcom und freenet.de angelegt.

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Von
  • Eckart Gienke
  • dpa

Hamburg erlebt in dieser Woche einen Hauptversammlungs-Marathon. Erst berieten die Aktionäre der Mobilcom AG geschlagene zwei Tage lang im Congress-Centrum, ab Donnerstag folgen am gleichen Ort die Anteilseigner der freenet.de AG. Auch sie sind für zwei Tage eingeladen. Wer an beiden Versammlungen von Anfang bis Ende teilnimmt, kann im Extremfall knapp 50 Stunden lang im wesentlichen über ein einziges Thema reden: Die Fusion der beiden Unternehmen, um größer, schlagkräftiger und ertragsstärker zu werden.

Zwei übel beleumdete Spezies aus dem "Zoo" der Finanzwelt sind es, die diesen relativ unspektakulären Vorgang über Gebühr in die Länge ziehen: Die von SPD-Chef Franz Müntefering jüngst dingfest gemachten "Heuschrecken", angelsächsische Investmentgesellschaften, die angeblich deutsche Unternehmen aussaugen. Und "räuberische Aktionäre", oft als "Geier" geschmähte Anteilseigner, die auf den Hauptversammlungen nach Anknüpfungspunkten für spätere Anfechtungsklagen suchen.

Die "Heuschrecke" entpuppte sich bei der Mobilcom-Hauptversammlung als ein höflicher junger Engländer namens Andrew Dechet. Der Manager vertritt die amerikanische Investmentgesellschaft Texas Pacific Group (TPG), der ein besonders negativer Ruf vorauseilt: Hatte TPG doch bei dem gesunden sauerländischen Sanitär-Hersteller Grohe Arbeitsplätze gestrichen und so erst Müntefering auf das Thema gebracht sowie durch ihre Beteiligung am britischen Flug-Caterer Gate Gourmet einen Streik am Londoner Flughafen Heathrow verursacht.

Doch Dechet bemühte sich nach Kräften, die Gemüter zu beruhigen. "Der Vorwurf, TPG wolle das Unternehmen ausbluten, entbehrt jeder Grundlage", erklärte er den Aktionären und beteuerte: "Wir würden nie etwas tun, was das Unternehmen in Gefahr bringt." Doch die Versuchung ist groß: In der Bilanz der fusionierten Firma schlummern stille Reserven von bis zu einer Milliarde Euro, die an die Aktionäre ausgeschüttet werden könnten. IG-Metall-Vize Berthold Huber befürchtet, aus zwei gesunden Unternehmen könne ein Sanierungsfall werden. Christof Hettich, der Anwalt der Mobilcom-Mitarbeiter, hatte denn auch einen Katalog von 80 Fragen zu stellen.

Weniger auf Beschwichtigung als vielmehr auf Tumult hatten es dagegen diejenigen Aktionäre abgesehen, die Versammlungsleiter Dieter Vogel zu Fehlern hinreißen wollten. "Entziehen Sie mir doch das Wort", herrschte ein Redner den Mobilcom-Aufsichtsratsvorsitzenden an, als der allzu viel Langmut zeigte. Als er seinen Willen endlich bekommen hatte, gab er erleichtert einen Widerspruch zu Protokoll, weil er in seinem Rederecht beschnitten worden sei. Ein anderer schaffte es gar, Vogel ausflippen zu lassen: "Gehen Sie freiwillig raus, dann brauchen wir ihnen keine Gewalt anzutun." Der Aktionär rief die Polizei, die allerdings nicht eingriff.

Ziel dieser Aktionäre ist es, durch endlose Fragen, Provokationen und Geschäftsordnungsanträge Gründe für eine Anfechtungsklage zu finden. Damit könnten sie den Eintrag der Fusion ins Handelsregister blockieren und die Strategien des Vorstandes durchkreuzen. Ihr Ziel sind lukrative Vergleiche, auf die sich der Vorstand einlässt, um gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden oder zu beenden. Sie verzögern auch gern Hauptversammlungen über die Mitternachtsstunde hinaus, weil die Beschlüsse dann nicht wirksam sind. Diesen Aktionären soll mit dem "Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts " (UMAG) bald das Handwerk gelegt werden.

Allein die Verzögerungen durch Geschäftsordnungsdebatten betrugen am ersten Tag der Mobilcom-HV mehr als zwei Stunden. Über das Ergebnis beider Veranstaltungen gab es dagegen von Beginn an keine Zweifel: Die Zustimmung beider Seiten zur Fusion gilt als sicher. (Eckart Gienke, dpa) / (jk)