Abnehm-Pille vibriert im Magen und löst Sättigungsgefühl aus

Eine bioelektrische Pille täuscht dem Gehirn ein Sättigungsgefühl vor. Das funktioniert bisher bei Schweinen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 150 Kommentare lesen

(Bild: MIT News / Shriya Srinivasan et al.)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Cassandra Willyard

Wie wäre es wohl, wenn man zum Abnehmen lediglich ein paar gute Schwingungen bräuchte? Das Prinzip des Vibrierens ist der Trick hinter einer neuen Abnehm-Pille. Landet sie im Magen, fängt sie mittels eines winzigen Motors an zu vibrieren. Das wiederum stimuliert die Nervenenden, die eigentlich spüren, wenn sich der Magen ausdehnt. Somit wird dem Gehirn vorgegaukelt, der Magen sei bereits gedehnt, beziehungsweise gefüllt.

Die Kapsel, die von den verantwortlichen Forscherinnen und Forschern von der Universität Harvard und vom MIT VIBES genannt wird (Vibratory Ingestible BioElectronic Stimulator), haben bisher nur eine Handvoll junger Yorkshire-Schweine erhalten, allerdings mit vielversprechenden Ergebnissen. Laut einer neuen Veröffentlichung in "Science Advances" haben die sechs Schweine, denen die Pille verabreicht wurde, im Laufe von zwei Wochen 40 Prozent weniger gefressen als Schweine, die einen Placebo erhielten.

Das deckt sich ungefähr mit den Erwartungen des Teams. Dennoch waren "wir sehr überrascht, dass die Wirkung so beständig war", sagt Shriya Srinivasan, Biomedizintechnikerin in Harvard und eine der Autorinnen der Studie. Die Schweine verloren zwar nicht an Gewicht – sie befanden sich noch im Wachstum –, aber die Tiere, die die vibrierende Kapsel erhielten, nahmen nicht so stark zu wie die Kontrollgruppe.

Die vibrierende Kapsel hatte aber auch noch andere Auswirkungen. Nachdem die Pille zu schwingen begann, stieg der Insulinspiegel der Schweine an und der Spiegel des Hungerhormons Ghrelin sank, genau wie bei der Ausdehnung des Magens nach einer großen Mahlzeit.

Carlos Campos, ein Neurowissenschaftler an der University of Washington, der sich mit der Signalübertragung zwischen Darm und Gehirn beschäftigt, hält diese Technik für beeindruckend. "In der Herstellung dieser vibrierenden Pille steckt eine Menge Technik", sagt er. Und so funktioniert es: Wenn die Kapsel mit Magensäure in Berührung kommt, löst sich die äußere Gelatinemembran auf und gibt einen federbelasteten Pogo-Pin frei, der einen Stromkreis schließt. Dieser Stift aktiviert einen batteriebetriebenen Motor, der die Vibrationen antreibt, die etwa eine halbe Stunde lang anhalten. Die Vibrationen lösen die Dehnungsrezeptoren aus, die dem Gehirn einen "illusorischen Sättigungseffekt" vermitteln, so Srinivasan. Und wenn man sich satt fühlt, isst man vielleicht weniger.

Selbst mit neuen, wirksameren Medikamenten zur Gewichtsreduzierung besteht laut Campos immer noch ein Bedarf an neuen Therapien, um die Adipositas-Epidemie zu bekämpfen. Abnehmspritzen wie Wegovy (gleicher Wirkstoff wie die Abnehmspritze Ozempic) und Zepbound (Medikament des Pharma-Unternehmens Eli Lilly) sind teuer, und Studien deuten darauf hin, dass die Menschen sie auf unbestimmte Zeit einnehmen müssen, um das Gewicht zu halten. "Bei der mechanischen Stimulation kann man entscheiden, wann man sie einsetzt und wann nicht. Man hat eine viel bessere Kontrolle darüber, wie die Stimulation erfolgt", sagt Campos.

Aber es gibt laut Campos eine Einschränkung. Man kann das Gehirn nicht ewig austricksen. Wenn es feststellt, dass diese Dehnungssignale kein zuverlässiger Hinweis darauf sind, wie viel Nahrung aufgenommen wurde, "dann könnte das Gehirn anfangen, andere Signale zu verwenden, um zu entscheiden, wie viel es essen soll", sagt er. "Wir wissen nicht, wie lange dieser Trick funktionieren wird".

Die Forscher stellen sich vor, dass die Menschen die VIBES-Pille etwa 20 oder 30 Minuten vor jeder Mahlzeit einnehmen. Zumindest bei Schweinen schien die Kapsel sicher zu sein, denn sie vibrierte in einer Frequenz von 30 Hertz für zehn Minuten, laut Srinivasan sanfter als die Vibrationen einer elektrischen Zahnbürste. "Wir haben keine Übelkeit, kein Erbrechen, keine Blähungen – nichts dergleichen festgestellt", sagt sie. Das Experiment entsprach jedoch nicht ganz der Art und Weise, wie VIBES beim Menschen angewendet werden könnte. Schweine können Pillen schlecht schlucken, ohne zu beißen oder zu kauen, also brachten die Forscher die Pille über eine Magensonde in die Mägen der Tiere ein. Die Kapseln wurden an eine externe Batterie angeschlossen und aktiviert, bevor die Schweine die zwei täglichen Portionen an Futterpellets bekamen.

Sollte dieses Verfahren jemals beim Menschen zum Einsatz kommen, würden die Menschen täglich mehrere bioelektrische Kapseln einnehmen. Die Tiere schafften es, eine einzige Kapsel in durchschnittlich vier Tagen sicher abzubauen, aber "wir wissen nicht, wie die Wirkung beim Menschen sein wird", sagt Srinivasan. Die Pillen könnten schneller durch den Körper wandern. Srinivasan hofft, dass sie dies in ein oder zwei Jahren testen können.

Die VIBES-Technologie verwendet keine teuren Materialien, sodass das Team davon ausgeht, dass sie in Massenproduktion für einen Dollar oder weniger pro Pille hergestellt werden könnte. "Die Tatsache, dass es sich um eine Pille handelt, macht sie für die Bevölkerungsgruppen der Welt zugänglich, die sich diese anderen invasiveren oder kostspieligeren Optionen, die normalerweise mit Implantaten oder Operationen erworben werden, nicht leisten können", fügt sie hinzu. "Ich denke, es wäre für die breite Masse extrem erschwinglich."

(jle)