Absturz von ISS-Müll am Freitagabend: Es könnte immer noch Deutschland treffen
Am Freitag wird ein großes Stück Weltraummüll der ISS unkontrolliert in der Atmosphäre verglühen, Fragmente können die Oberfläche erreichen. Unklar bleibt, wo.
Wo genau die ausrangierte Batteriepalette der ISS am späten Freitagabend oder frühen Samstagmorgen verglühen wird, lässt sich wenige Stunden vorher weiterhin nicht sagen. Den jüngsten Berechnungen der Europäischen Weltraumagentur ESA zufolge kann der Absturz immer noch über fast allen Ozeanen und über allen Kontinenten geschehen. Auch eine Gefahr für Deutschland kann weiterhin nicht ausgeschlossen werden: In dem Zeitraum, in dem es höchstwahrscheinlich in die Erdatmosphäre eintreten wird, überquert das Stück Weltraummüll die Bundesrepublik insgesamt dreimal – sowie einmal auch die Schweiz und Österreich. Dass es genau hier verglühen wird, sei aber weiterhin unwahrscheinlich, versicherte ein Sprecher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Derweil gehen Experten der US-Armee inzwischen davon aus, dass Fragmente des Objekts die Oberfläche erreichen werden.
Am Donnerstagnachmittag hatte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) über Warn-Apps darauf hingewiesen, dass der Absturz erwartet wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass Trümmer auf Deutschland stürzen, ist demnach gering. Möglich seien aber "Leuchterscheinungen oder die Wahrnehmung eines Überschallknalls". "Sollte sich das Risiko erhöhen, erhalten Sie eine neue Information", hieß es außerdem. Genau beobachtet wird das Objekt auch von der ESA, die auf die verbleibenden Unsicherheiten verweist, die in Verbindung mit der großen Geschwindigkeit des Objekts dafür sorgen, dass der wahrscheinliche Absturzort erst sehr kurz vorher ermittelt werden kann – wenn überhaupt. Das Risiko, dass eine Person von herabfallenden Trümmern getroffen wird, sei aber sehr klein. Jüngsten ESA-Berechnungen zufolge wird das Objekt am Freitag irgendwann zwischen 17:30 Uhr und 21:50 MEZ abstürzen, treffen könnte es unter anderem noch Mittelamerika, Europa, Asien und Australien.
Bei dem abstürzenden Objekt handelt es sich um das größte Stück Weltraummüll, das je für einen unkontrollierten Wiedereintritt in die Erdatmosphäre von der ISS abgekoppelt wurde. Darin sind Batterien verstaut, die bei mehreren Außeneinsätzen von der Raumstation entfernt und durch neue Lithium-Ionen-Akkus ersetzt wurden. Am 11. März 2021 wurde die Palette ins All entlassen. Damals erwartete man, dass das Objekt zwei bis vier Jahre um die Erde kreisen und dann "harmlos" in der Atmosphäre verglühen dürfte. Der US-Astronom Jonathan McDowell zitiert auf dem Kurznachrichtendienst Bluesky die Space Force mit der Einschätzung, dass etwa eine halbe Tonne des 2,6 Tonnen schweren Objekts "wahrscheinlich" die Oberfläche erreichen werden. Der frühere ESA-Chef Jan Wörner sieht das gegenüber der dpa anders und meint, "Batterien brennen sehr gerne". Er erwartet, "dass das Paket nahezu komplett in der Atmosphäre verglüht".
Keine genaue Vorhersage möglich
Dass Weltraumschrott in die Atmosphäre eintritt und dort verglüht, passiert durchaus häufig. Erst Ende Februar ist der vor fast 30 Jahren gestartete europäische Satellit ERS-2 unkontrolliert über dem Nordpazifik abgestürzt. Auch dass kleinere Trümmer die Erdoberfläche erreichen, kommt immer wieder vor. Meist gehen sie über dem Ozean oder unbewohntem Gebiet nieder. Nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde NASA ist in den vergangenen 50 Jahren durchschnittlich ein bekanntes Stück pro Tag auf die Erde gefallen. Bislang sei dadurch keine ernsthafte Verletzung oder bedeutender Sachschaden bekannt. Weil man nicht genau weiß, wann genau die bremsende Wirkung der Atmosphäre so stark wird, dass solche Objekte abstürzen, lässt sich der genaue Ablauf nicht genau vorhersagen. Aktuelle Informationen gibt es etwa bei der Aerospace Corporation, die solche unkontrollierten Abstürze regelmäßig begleitet.
Wegen der Ungenauigkeiten kann man auch Stunden vor dem Absturz allerhöchstens für einzelne Kontinente ausschließen, dass derartige Objekte dort abstürzen, hat der Leiter des ESA-Büros für Weltraummüll der Tagesschau erklärt. Wenn der Wiedereintritt dann beginne, werde es sehr schnell gehen, ergänzt Holger Krag: "Von einer Höhe von 100 Kilometer, in der der Wiedereintritt stattfindet, wenn das Objekt anfängt, sich zu zerlegen, bis zum Boden sind es nur zehn Minuten. Der Batterieblock wird aber nicht als kompaktes Einzelteil auf ein ganz eng begrenztes Gebiet fallen, sondern das verteilt sich eher in einer längeren Trümmerschleppe. Man wird in dem betroffenen Gebiet eher alle 10 oder 20 Kilometer ein kleineres Teil erwarten." Für den Fall, dass sich ein Wiedereintritt des Objekts tatsächlich über Deutschland abzeichnet, will das BBK darüber informieren. Dann könnte die verglühende Palette hierzulande ein außergewöhnliches Himmelsschauspiel bieten.
Inzwischen wird das Zeitfenster immer enger und immer noch könnte es auch Deutschland treffen, schreibt Jonathan McDowell jetzt.
ESA-Karte der möglichen Absturzgebiete aktualisiert.
Nach Angaben des Weltraumlagezentrums der Bundeswehr könnten Lichterscheinungen durch die Trümmer gegen 19.20 Uhr am Niederrhein und im Ruhrgebiet sichtbar sein.
Das BBK hat inzwischen Entwarnung gegeben, es bestehe hierzulande keine Gefahr mehr durch herabstürzende Trümmerteile. Wenige Minuten vorher war das Objekt noch einmal über Deutschland gerast, in sozialen Netzen gibt es bereits erste Berichte über Sichtungen. Wo genau die ISS-Palette schließlich abstürzt oder gar bereits abgestürzt ist, ist bislang noch nicht bekannt.
Laut Jonathan McDowell ist der Weltraumschrott höchstwahrscheinlich über dem Pazifik abgestürzt.
Die ISS-Palette ist letztlich gegen 20:30 Uhr über dem Golf von Mexiko abgestürzt, hat McDowell ermittelt.
(mho)