Ă„rzteverbund: Bisherige Diskussion um elektronische Patientenakte zu unkritisch
Der Ärzteverbund MEDI hält die bisherige Aufklärung zur elektronischen Patientenakte für zu unkritisch. Versicherte sollten transparent aufgeklärt werden.
Die elektronische Patientenakte (ePA) 3.0, die ab 2025 für alle automatisch kommt, die nicht widersprechen, spaltet die Gemüter. Die einen sehen darin eine Entmündigung, da sie sich nicht aktiv selbst für die ePA entscheiden können. Ein weiterer Teil kritisiert die begrenzten Möglichkeiten, wieder andere sehen eine Verbesserung der Versorgung. Ärzte fragen sich, wie bei der verstärkten Nutzung des E-Rezepts auch, in welchem Ausmaß die Abläufe in der Praxis beeinträchtigt werden. Der Ärzteverbund MEDI in Baden-Württemberg will darum auch über die Risiken der elektronischen Patientenakte aufklären.
"Wir sehen wenig kritische Auseinandersetzungen in den öffentlichen Diskussionen zur ePA", erklärt der stellvertretende MEDI-Vorsitzende und Hausarzt Dr. Michael Eckstein. Zusammen haben er und der Orthopäde Bernhard Schuknecht eine Kampagne zur Aufklärung über die ePA ausgearbeitet, die transparent machen soll "welche Risiken die ePA zum jetzigen Zeitpunkt bringt", so Eckstein. Fraglich sei etwa die Transparenz bei Datenzugriffen.
Daher hat der MEDI-Verbund einen offenen Brief zur Datensicherheit bei der ePA an die Beauftragte für den Datenschutz und die Informationssicherheit, Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider, und einen an die Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Sybille Steiner, verfasst. Gefragt wird zum Beispiel, wie es nach der Testphase weitergeht, wenn diese nicht erfolgreich verläuft.
Elektronische Patientenakte noch nicht marktreif
Dabei betonen die Ă„rzte, die Digitalisierung nicht ablehnen oder blockieren zu wollen, sondern zu befĂĽrworten. "Wir sind jedoch davon ĂĽberzeugt, dass die elektronische Patientenakte zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht marktreif ist. Darin sehen wir Gefahren", mahnt Dr. Norbert Smetak, Vorsitzender von MEDI Baden-WĂĽrttemberg e. V.
Erst kürzlich äußerte auch der Hausärzteverband Bedenken, da der "flächendeckende Rollout" in die Infektsaison fällt, und forderte von der Politik für die ePA 3.0 eine Reihe an Voraussetzungen, damit der Start auch erfolgreich gelingen kann. Demnach sind unter anderem auch die Praxisverwaltungssysteme noch nicht bereit für die elektronische Patientenakte.
Nicht ausreichender Datenschutz wird vom MEDI ebenfalls bemängelt. Der ehemalige Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationssicherheit, Prof. Ulrich Kelber, äußerte bereits, dass das Herausnehmen von Sicherheitsmaßnahmen ein Fehler gewesen sei. Seiner Ansicht nach seien Nutzerfreundlichkeit und IT-Sicherheit "mit etwas mehr Willen" möglich.
Weitere Bedenken betreffen Pläne für einen europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS). Ursprünglich war mit dem EHDS geplant, dass ein Teil der Daten ohne Widerspruchsmöglichkeit weitergegeben werden darf – das hat sich inzwischen geändert. Bis 2026 will das Bundesgesundheitsministerium 300 Forschungsanträge umsetzen.
Für die Übermittlung erzeugt laut Gematik-Spezifikation ein "Data Submission Service" im Aktensystem "eindeutige Arbeitsnummern und Lieferpseudonyme, um die pseudonymisierten medizinischen Daten in der Übermittlung an das Forschungsdatenzentrum (FDZ) eindeutig zuordnen zu können" – wie bei verschiedenen Registern auch auf Basis der Krankenversichertennummer. Versicherte können der Datenübermittlung demnach auch in der ePA oder bei den Ombudsstellen der Krankenkassen widersprechen – das passiert über das "Consent Decision Management im Aktensystem".
Bei der Datenausleitung weiß das FDZ laut Bundesgesundheitsministerium nicht, welcher Datensatz von welchem Patienten kommt. Nachdem Gesundheitsminister Karl Lauterbach von "Crawlern" beim Forschungsdatenzentrum Gesundheit gesprochen hatte, gab es viel Kritik. Sein Plan ist es, Deutschland als Standort für Pharmaunternehmen wieder attraktiver zu machen. Neben weniger bürokratischen Forschungsanträgen sollen auch Daten der Bürger locken.
(mack)