Alle Jahre IFA: Unterhaltungselektronik schlägt Informationstechnik

Die Macher der wieder jährlich stattfindenden Funkausstellung wollen mit Gadgets, Stars und Sternchen der internationalen Konkurrenz wie der CES oder der CEATEC Paroli bieten; aber auch Überschneidungen mit der CeBIT sind nicht zu vermeiden.

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Viel war im Vorfeld schon über die Zukunft der Internationalen Funkausstellung (IFA) spekuliert worden, am heutigen Mittwoch ließ Rainer Hecker, Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik (gfu), die Katze im Berliner Rathaus aus dem Sack: "Die nächste wird schon in knapp einem Jahr stattfinden", kündigte er offiziell den Wechsel zu einem zwölfmonatigen Rhythmus bei der Nabelschau der Branche am Messegelände unterm Funkturm in Berlin an. Als Hauptgrund für die Umstellung nannte er die enorme und umsatzstarke Marktdynamik im Bereich Consumer Electronics (CE), die sich auf "Netze-, Geräte- und Inhalteseite" widerspiegele. Als Beispiele nannte er das gerade symbolisch gestartete hochauflösende Fernsehen, das schmalbandige Handy-TV, die Entwicklung rund um MP3 sowie Navigationssysteme.

"Die Consumer-Electronics-Industrie wächst mit circa 100 Milliarden Umsatz in Europa in diesem Jahr zweistellig", betonte Hecker. Gerade etwa stehe der Austausch von über 50 Millionen Bildröhrenfernseher in Flach-TVs an. "Die Fakten sprechen für die Begehrlichkeit unserer Produkte", glaubt der Loewe-Chef. Angesichts des hohen Innovationstempos in der Branche, die jährlich rund 10.000 neue Produkte auf den Markt werfe, sei das alljährliche Schaufenster IFA von vielen Seiten gewünscht worden.

Den Schritt hin beziehungsweise zurück zum einjährigen Turnus hat den Ausstellern der Konjunkturschwung im Rahmen der diesjährigen Funkausstellung im September versüßt: Sie meldeten zum Abschluss der Messe Rekordumsätze und gingen mit vollen Orderbüchern nach Hause. "Die IFA 2005 war ein großer Erfolg", bestätigt Hans-Joachim Kamp, Geschäftsführer von Philips Deutschland und CE-Experte im Fachverband ZVEI. "Unsere hohen Erwartungen wurden übererfüllt." Es spräche daher vieles für eine alljährliche Präsenz. "Die IFA muss Schrittmacher und europäische Leitmesse unserer Branche in Europa sein", gab Hecker als künftiges Ziel aus. Man wolle aufschließen zur internationalen Messelandschaft in diesem Bereich, den vor allem die Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas sowie die CEATEC in Japan bestimmen. Hier sieht Hecker die eigentliche Konkurrenz für die IFA, da diese künftig noch mehr Fachbesucher aus aller Welt im Interesse der "Global Player" anlocken soll.

Unweigerlich wird es aber auch zu einem verschärften Wettbewerb der IFA mit der jährlich stattfindenden CeBIT in Hannover kommen. Sony etwa hat den Messeauftritt dort für 2006 abgesagt, vermutlich schon als Reaktion auf die IFA, die nun vom 1. bis 6. September nächsten Jahres erneut ihr Publikum sucht. Den jährlichen Antritt in Berlin "können sich die Unternehmen nur leisten, wenn sie anderweitig Kosten einsparen", meint auch Hecker, der daher selbst Nachlässe bei Standmieten in Betracht zieht. Die CeBIT hat er offiziell aber nicht im Visier: Er sehe bei allen "Randüberschneidungen" einen großen konzeptionellen Unterschied, sagte der gfu-Chef. Getrieben durch die Digitalisierung würden die Branchen IT, Telekommunikation und CE zwar zusammenwachsen. Es handle sich aber um eine "rein technische Konvergenz", während die Hauptanwendungen und der Platz im Haus oder Büro, wo die Geräte insbesondere genutzt würden, getrennt bleibe. Die CeBIT habe ihren Schwerpunkt hier immer klar im professionellen Business-2-Business-Sektor gehabt und erst vor kurzem begonnen, sich auf die Heimelektronik auszudehnen.

Klaus Wowereit (links) und der gfu-Chef Rainer Hecker hoffen auch auf mehr "Showeffekt" bei der IFA [Klicken für vergrößerte Ansicht]

Den "großen Tanker IFA" sieht Christian Göke, Geschäftsführer der Messe Berlin, nun im richtigen Fahrwasser. "Früher war die Informationstechnologie die treibende Kraft, jetzt ist es die Unterhaltungselektronik", prophezeit er. Einiges an Arbeit komme auf sein Haus aber noch zu, um die Messehallen zur IFA nun jährlich zu füllen. So verlor die Funkausstellung in den vergangenen vier Jahren rasant an Attraktivität fürs große Publikum, weil insbesondere die großen Fernsehsender ihre Präsenz auf eigene Fachforen wie die – gerade aber schon wieder pausierende – Telemesse verlagerten und der Promi-Faktor der IFA gleichzeitig in den Keller ging. "Die Emotionalisierung und der Event-Charakter waren 2005 suboptimal", gibt Göke zu. Jetzt habe man aber die Kraft, dieses Problem wieder anzugehen. Er versprach, "in der Kategorie Superstars mehr zu tun".

Wird Berlins Regierender Bürger- und Partymeister Klaus Wowereit also künftig George Clooney oder Robbie Williams auf der IFA begrüßen dürfen? Der SPD-Politiker, der die jährliche Funkausstellung in diesem Jahr angeregt hatte und sich über die ungewöhnlich rasche Wunscherfüllung besonders freut, will sich jedenfalls mit dafür einsetzen, "dass der Showeffekt wieder Platz findet". Berlin als "Medienstandort und Tummelplatz hochkarätiger Events" hat seiner Ansicht nach gute Chancen, dass auch die Sender die IFA wieder "als Show-Room ihrer Produkte nutzen". Er erhofft sich "wirtschaftliche Impulse für Berlin und den Produktions- und Innovationsstandort Deutschland" durch die Jahresschau. Zunächst müsste er sich aber daran gewöhnen, unkte Wowereit, den Eröffnungsrundgang mit "meinem Freund", dem designierten neuen Bundeswirtschaftsminister Edmund Stoiber (CSU), zu machen.

Die Medienpolitik an sich soll auf der IFA künftig verstärkt in den Mittelpunkt rücken, wenn es nach Hecker geht. Er hofft, dass von der Plattform künftig auch Signale für "medienpolitische Weichenstellungen" wie bei den Standards fürs Handy-TV ausgehen, wo momentan DVB-H und T-DMB miteinander konkurrieren. (Stefan Krempl) / (jk)