Amazon, Meta: Rückschlag für KI-Strom direkt vom Atomkraftwerk
KI-Rechenzentren brauchen gigantische Mengen Strom. Warum nicht direkt an AKWs anschließen? Der Teufel steckt im Detail.
Rechenzentren für Künstliche Intelligenz sind unglaublich stromhungrig. So stromhungrig, dass Ausrüstung wie Trafos, Schalter und Generatoren für neue Rechenzentren knapp geworden sind. Tech-Konzerne wie Amazon.com, Google, Meta Platforms und Microsoft suchen daher in den USA direkten Anschluss an Atomkraftwerke (AKW). Das ist einfacher gesagt als getan.
Denn dem öffentlichen Stromnetz erhebliche Kapazität zu entziehen, erfordert in den USA Ausnahmegenehmigungen, die nicht so einfach zu bekommen sind. Zusätzlich kann auch einmal der Naturschutz in die Quere kommen, wie Meta-Chef Mark Zuckerberg erfahren hat müssen.
Laut Financial Times wollte Meta ein neues Rechenzentrum neben ein (nicht genanntes) US-AKW stellen. Allerdings lebt an dem Standort eine seltene Bienenart. Das hätte Auflagen für den Bau bedeutet, weshalb Meta nun einen anderen Standort sucht. Die Bienen sind aber nicht der einzige Grund. Meta steht vor dem gleichen Problem, an dem ein Amazon-Projekt vorerst gescheitert ist: Stromnetze sind nicht gratis. Ein erheblicher Anteil des Gesamtstrompreises sind anteilige Netzkosten.
Die Datenkonzerne hoffen, sich durch direkten Anschluss an AKWs die Netzkosten ersparen zu können. Ihr sinngemäßes Argument: "Wir verwenden das Übertragungsnetz ja gar nicht, daher müssen wir die regulierten Tarife auch nicht bezahlen." Weil das die Kosten für alle anderen Stromabnehmer erhöht und die Zuverlässigkeit der Versorgung gefährden kann, erfordert so eine Konstruktion eine Ausnahmegenehmigung. Diese wird nur erteilt, wenn sie der Verlässlichkeit der Stromversorgung dient oder aufgrund neuartiger rechtlicher Probleme beziehungsweise anderer "einzigartiger Faktoren" notwendig ist.
Amazon scheitert mit Erweiterung
Tatsächlich hat Amazon.com bereits 2015 eine solche Ausnahmegenehmigung erhalten. Ein Rechenzentrum beim AKW Susquehanna in Pennsylvania darf 300 von insgesamt 2520 Megawatt Kapazität direkt abnehmen. Das Kraftwerk gehört Talen Energy. Doch jetzt wollte Amazon das auf 960 MW erweitern und die dazu notwendige kurze Übertragungsleitung auf eigene Kosten errichten. 960 MW sind mehr als 45 Prozent der gesamten Verteilkapazität Berlins – bescheiden, im Vergleich zu anderen KI-Projekten. OpenAI möchte mehrere 5-Gigawatt-Rechenzentren über die USA verteilen.
Der in Pennsylvania zuständige Netzbetreiber, PJM Interconnection, sah durch Amazon Vorhaben die öffentliche Stromversorgung gefährdet. Das Unternehmen hat nichts dagegen, dass Amazon eine Übertragungseinrichtung für 960 MW baut, doch solange keine zusätzlichen Kraftwerke am Netz sind, sollte Amazon laut PJM maximal die halbe Kapazität abnehmen, mithin 480 MW. PJM beantragte bei der zuständigen Behörde FERC (Federal Energy Regulatory Commission) also eine Erhöhung von 300 auf 480 MW.
Diesen Antrag hat die Behörde am Freitag zurückgewiesen. Dem öffentlichen Netz noch mehr Kraftwerkskapazität zu entziehen, erhöht nicht die Stabilität des Stromnetzes. Und PJM habe nicht erklärt, welche besonderen rechtlichen Probleme oder sonst einzigartigen Faktoren rechtfertigen sollen, dass Amazon seinen Strom unter Umgehung des öffentlichen Netzes beziehen darf. Vielmehr habe sich im Verfahren gezeigt, dass auch andere Betreiber von Rechenzentren den gleichen Wunsch hegen, wie Amazon – von Einzigartigkeit könne also keine Rede sein.
Ohne öffentliches Netz?
Nach Bekanntgabe der Entscheidung sind die Aktienkurse mehrerer US-Kraftwerksbetreiber deutlich gefallen; Anteilsscheine an Constellation Energy gaben sogar gut zehn Prozent nach. Amazon hält a Projekt in Susquehanna fest; es könnte sich auf 300 MW beschränken, oder einen neuen Antrag einbringen lassen.
Jedoch ist fraglich, ob das Argument "wir nutzen das Übertragungsnetz nicht" stichhaltig ist. Andere Verfahrensparteien haben argumentiert, das sei gar nicht möglich. Einerseits benötige schon das AKW selbst Anschluss ans Stromnetz, um überhaupt funktionieren zu können. Ein Start ohne externe Stromversorgung sei unmöglich.
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Andererseits sei der Strombedarf des Rechenzentrums nicht exakt konstant. Daher müsse auch die Stromversorgung flexibel sein, was das AKW nicht leisten kann. Das gehe nur mithilfe anderer Stromquellen und damit des Übertragungsnetzes.
Schließlich verpflichte schon die bereits bestehende Ausnahmegenehmigung Amazon dazu, bei Ausfalls des AKW den Strombezug einzustellen. Daran habe sich der Datenkonzern aber nicht gehalten und sich stattdessen aus dem öffentlichen Netz bedient.
Lösung: Selbst bauen
Die Lösung für die stromhungrigen KI-Rechenzentren ist einfach, zumindest regulatorisch gesehen: Anstatt Kapazität bestehender Kraftwerke abzuzweigen, müssen die Datenkonzerne und ihre Partner neue Stromgeneratoren in Betrieb nehmen, die nicht grundsätzlich am öffentlichen Netz hängen. Genau das geschieht auch: Microsoft hat bei Constellation Energy die Wiederbelebung eines stillgelegten Atomkraftwerks in Auftrag gegeben.
Google investiert viel Geld in die Entwicklung sogenannter Small Modular Reactors (SMR) mit Salzkühlung, die aktuell nicht marktreif sind. Und Amazon hat im Oktober gleich drei Projekte vorgestellt. Im Zentrum steht dabei das Unternehmen X-energy, das sowohl neue Atomreaktoren als auch proprietären Brennstoff dafür entwickelt. Amazon und andere Wagniskapitalinvestoren geben X-energy eine halbe Milliarde Dollar, um die Entwicklung von SMR mit Gaskühlung zu beschleunigen.
(ds)