Amazon: So funktioniert die größte Produktsuchmaschine der Welt

SEO und der A9-Algorithmus: Viele Wege führen bei Amazon zu den besten Rankingplätzen und erhöhen die Chancen, den Einkaufswagen zu gewinnen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 132 Kommentare lesen

(Bild: Hadrian/Shutterstock.com)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Constanze Neigenfind
Inhaltsverzeichnis

Jeff Bezos führte Amazon aus der Garage zu einem der weltweit erfolgreichsten Versandriesen und erschuf dabei einen digitalen Handelskosmos, dessen Strukturen auf dem Leitgedanken „Put the customer first“ aufbauen. So entwickelte sich das einstmals als Onlinebuchhandlung konzipierte Unternehmen zum größten Onlineversandhändler der Welt. Grund genug, einmal hinter den Bildschirm zu blicken und die Strukturen und Prozesse genauer zu betrachten.

Mit dem Bestreben „The Everything Store“ zu werden, bietet der Online-Gigant allein auf dem deutschen Markt mehr als 229 Millionen Produkte in über 35 Hauptkategorien an und setzt damit nach eigenen Angaben bis zu 17 Milliarden Dollar pro Jahr auf amazon.de um. Bei dieser Fülle an Produkten ist es wenig überraschend, dass Amazon als größte Produktsuchmaschine für immer mehr Menschen die erste Anlaufstelle zur Produkt- und Informationssuche geworden ist. Während im Jahr 2004 ein Amazon-Kunde laut einer Statistik des IFH Köln über die das Handelsblatt berichtet hat etwa achtmal bei Amazon bestellte, so klickte dieser im Jahr 2017 im Schnitt rund 41 Mal auf "Jetzt kaufen", inzwischen dürften es noch häufiger sein.

Die integrierte Verkaufsplattform Marketplace ermöglicht es Drittanbietern, die herausragende Stellung von Amazon zu nutzen und die E-Commerce Aktivitäten auf- und auszubauen. Auf den weltweiten Amazon Marktplätzen sind rund drei Millionen Verkäufer aktiv. Da davon allein auf dem deutschen Amazon Marktplatz über 240.000 Händler mit dem Angebot von ähnlichen oder sogar gleichen Produkten aktiv sind, verschärft sich zunehmend der Wettbewerb. Während beispielsweise der Suchbegriff Mundschutz Maske auf amazon.de derzeit rund 600.000 Mal pro Monat eingegeben wird, stehen 4.000 Suchergebnisse in Konkurrenz zueinander, zwischen denen der Kunde wählen kann. Da die meisten Kaufentscheidungen jedoch auf der ersten Suchergebnisseite (engl. search engine results page; kurz: SERP) stattfinden, gilt im E-Commerce gleichermaßen wie im stationären Handel, dass sich selbst das beste Produkt nicht verkauft, wenn es nur schwer gefunden werden kann. So ist es für den Erfolg eines Produktes entscheidend, dass dieses unter den ersten, je nach Kategorie, 20-60 Produkten der ersten Suchergebnisseite (Desktop) und rund 20 ersten Ergebnissen der mobilen App Variante zu finden ist.

Händler, die Produkte über die größte Produktsuchmaschine der Welt verkaufen und sich gegen die zahlreichen Wettbewerber durchsetzen möchten, benötigen also für alle produktspezifischen Suchbegriffe in erster Instanz ein gutes Ranking auf der Suchergebnisseite. Ebenso wie bei Google gibt es auch bei Amazon einen Rankingalgorithmus – den sogenannten A9-Algorithmus – welcher die Produkte nach bestimmten Relevanz- und Performancefaktoren bewertet und die Suchergebnisse entsprechend sortiert. Während Kunden bei der Eingabe eines Suchbegriffs eine passgenaue Produktauswahl erwarten, geht es für Verkäufer vor allem um die Frage, inwiefern der Rankingalgorithmus beeinflusst werden kann, damit die Produkte als relevant bewertet und prominent auf der ersten Seite platziert werden.

Tatsächlich können Verkäufer auf die Relevanzfaktoren (On-Page-Faktoren) direkt Einfluss nehmen, sodass eine Amazon Suchmaschinenoptimierung (engl. Search-Engine-Optimization; kurz SEO) für diese von großer Wichtigkeit ist. Relevanz kann für die entsprechenden Suchbegriffe erhöht werden, indem eine umfassende Analyse aller zu dem Produkt passenden Keywords durchgeführt wird. Um relevante Keywords zu identifizieren, können diverse Tools herangezogen werden, die unter anderem die jeweiligen Suchvolumina auf Amazon angeben. Da anders als bei Google die Konzentration von Schlagworten bei Amazon keine Rolle spielt und Amazon zudem Richtlinien zur Gestaltung der Produktdetails vorgibt, um den Kunden ein einheitliches Gefühl und Erscheinungsbild zu bieten, sollte jedes Schlüsselwort (engl. Keywords) nur einmalig verwendet werden. Da die Nutzung von Variationen und Synonymen des Keywords demnach auf mehrfache Weise von Wichtigkeit ist, ist bei der Formulierung von verkaufspsychologischen Texten somit vor allem Kreativität gefragt.

Nach der Durchführung umfassender SEO-Maßnahmen könnte davon ausgegangen werden, dass sich direkt ein besseres Ranking einstellen wird. Das klingt erst einmal logisch, doch die Annahme, dass eine einmalige Optimierung zu einem langfristigen Erfolg führt, ist ein weit verbreiteter Irrglaube über Amazon SEO.

Ein Gastbeitrag von Constanze Neigenfind

Constanze Neigenfind ist Head of Online Marketing bei der Braunschweiger Agentur Fischer & Habel und unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung und Implementierung ihrer Amazon-Strategie.

Da jeder Händler möglichst weit oben in der Ergebnisliste platziert werden möchte, sind viele von ihnen mit ebenso gut optimierten Produktdetailseiten präsent. Es reicht an dieser Stelle also nicht aus, die Texte mit entsprechenden Keywords versehen verkaufspsychologisch zu formulieren und hochwertige Bilder einzustellen sowie gute Bewertungen aufweisen zu können. Es wird fast immer andere Wettbewerbsprodukte geben, die zu Beginn des Verkaufsstarts eines neuen Produktes ein besseres Ranking aufweisen. Auch Amazon selbst gehört durch eine Vielzahl von Eigenprodukten zur Konkurrenz – und sieht sich hier allerdings auch Vorwürfen eines wettbewerbswidrigen Verhalten gegenüber.

Wie ist es also trotzdem möglich, das Ranking der Produkte langfristig zu steigern? Die gute Nachricht ist, dass mit einer gründlichen Amazon SEO zunächst der erste und grundlegendste Schritt getan ist. Darüber hinaus muss allerdings auch der Amazon-Marketingmix bedient werden und allen voran können dazu Werbekampagnen, die auf dem Abrechnungsmodell pro Klick (engl. Pay-per-Click) basieren, eingerichtet werden. Einer der entscheidenden Vorteile ist, dass die Werbeanzeigen für den Kunden oberhalb der sog. organischen Suchergebnisse auf der Ergebnisseite von Amazon lediglich durch den dezenten Hinweis gesponsert gekennzeichnet angezeigt werden. Sieht ein Kunde nun die Anzeige, klickt und kauft im Idealfall das Produkt, hat das einen positiven Einfluss auf das organische Ranking. Denn A9 lernt, dass das Produkt bei entsprechendem Suchbegriff geklickt und gekauft wurde und zeigt dieses bei der nächste Suchanfrage bestenfalls schon auf einer besseren (organischen) Platzierung an.

Darüber hinaus hat der Vertrieb auf Amazon im Laufe der Jahre an deutlich mehr Facetten gewonnen, als nur dem reinen Abverkauf von Waren und dem Hinterlegen relevanter Keywords. So ist es längst nicht mehr nur möglich, die Produkte auf dem Marktplatz lediglich zum Verkauf zu platzieren. Vielmehr werden den Händlern verschiedene Tools zur Verfügung gestellt, um sowohl Produkte als auch Marken gezielt positionieren und den Kunden ein ganzheitliches sowie einprägsames Marken- und Einkaufserlebnis präsentieren zu können. Unter anderem bietet der Aufbau eines eigenen integrierten Amazon Brand Stores (dt. Amazon Markenshop) Markeninhabern die Möglichkeit, eine Marke deutlich besser zu bewerben. In einer Art Online-Shop auf dem Amazon Marktplatz können neben Markenbotschaften und Alleinstellungsmerkmalen der Produkte gezielte Kaufanreize geschaffen werden. Zudem können Produktdetailseiten durch sogenannten A+ Content mit zusätzlichen Produkt- und Markeninformationen versehen werden, die dem Kunden einen deutlichen Mehrwert in entscheidenden Phasen des Kaufentscheidungsprozesses bieten.

Hat ein Kunde eine Kaufentscheidung getroffen, führt kein Weg um den Klick auf den Button "In den Einkaufswagen" herum. Aus Kundensicht findet sich die sogenannte "Buy Box" auf der Produktdetailseite mit dem darunter befindlichen Hinweis Verkauf und Versand durch …, welcher den Händler kennzeichnet, bei dem die Bestellung erfolgt. Da es auf dem Amazon Marktplatz für viele Produkte auch eine Vielzahl von Mitbewerbern gibt, welche die gleichen Produkte anbieten, bündelt Amazon sämtliche Angebote auf einer Produktdetailseite. Im Unterschied zur Konkurrenz-Plattform eBay, wo jedes Angebot eine eigene eBay-Artikelnummer und Produktdetailseite erhält, vergibt Amazon pro Produkt eine individuelle Identifikationsnummer – die Amazon Standard Identification Number (kurz: ASIN). Dass Verkäufer, die das gleiche Produkt auf dem Amazon Marketplace vertreiben wollen, dieses zwangsläufig unter der gleichen Identifikationsnummer anbieten müssen, soll zwar einer Monopolisierung entgegenwirken, entfacht unter den Händlern jedoch den Wettbewerb um das heißbegehrte Einkaufswagen-Feld:

Wenn im Idealfall nur ein Verkäufer das Produkt anbietet, so „gewinnt“ dieser in jedem Fall das Einkaufswagen-Feld und kann sich über sämtliche Bestellungen freuen. Bieten hingegen mehrere Verkäufer die gleichen Produkte an, werden diese gruppiert gelistet und konkurrieren um die Platzierung in der Buy Box. Während letztlich nur ein Händler das Einkaufswagen-Feld gewinnen kann und prominent platziert wird, werden alle weiteren Verkäufer dieses Produktes in der Liste "Andere Verkäufer" auf Amazon zusammengefasst und auf der Produktdetailseite zweitrangig positioniert.

Ganz Jeff Bezos‘ Leitgedanken folgend „Put the customer first“, haben nur Verkäufer mit ausgezeichneten Verkäufer-Metriken die Chance das Einkaufswagen-Feld „zu gewinnen“. Der Algorithmus entscheidet dabei basierend auf unterschiedlichen Faktoren, welcher Verkäufer in der Buy Box platziert wird. Während Amazon die exakte Gewichtung nicht bekannt gibt, sind jedoch die Faktoren bekannt, die für den Gewinn der Buy Box maßgeblich entscheidend sind. So werden entgegen der häufigen Annahme, dass lediglich der Preis für den Gewinn des Amazon Einkaufswagen-Feldes ausschlaggebend ist, deutlich mehr Faktoren in die Berechnungen des Algorithmus einbezogen. Erfahrungsgemäß sind neben der konkurrenzfähigen Preisgestaltung auch die Versandoptionen sowie die Verkäuferleistung, welche unter anderem die Kundenzufriedenheit und Versandleistung umfasst, besonders ausschlaggebend.

Schließlich verweist der Hinweis "Verkauf und Versand durch Amazon" darauf, dass Kunden ein umfangreiches Produktportfolio auch direkt bei Amazon erwerben können. Über das Seller- sowie Vendor-Programm können Waren auf Amazon über zwei Wege verkauft werden. Der grundlegendste Unterschied der Modelle liegt darin, wer letztlich den Vertrieb der Produkte übernimmt und das Marketing sowie die Logistik steuert – der Händler selbst oder Amazon. Während sich das third-party-Seller (dt. Drittanbieter) Marktplatzmodell bisher eher an kleine bis mittelständische Händler richtete, waren bislang vor allem Markenhersteller bzw. größere Manufakturen und Großhändler als Vendoren auf Amazon aktiv. Nicht zuletzt aufgrund unflexibler Vertragskonditionen ist der Trend zu beobachten, dass immer mehr große Vendoren zum Seller-Programm wechseln. Der entscheidende Punkt liegt letztlich in der Kontrolle über die eigenen Produkte und die dahinterliegende E-Commerce-Strategie. Die Schlüsselfrage, die sich Hersteller und Händler bei einer Einladung ins Vendoren Programm stellen sollten, ist also, ob die Kontrolle vollends an Amazon abgegeben werden kann oder der Mehraufwand und die damit verbundenen Vorteile als Möglichkeit genutzt werden sollen, die Produkte auf Amazon entsprechend der E-Commerce-Strategie zu positionieren.

(emw)