Amazon: Strafanzeige gegen eigenen Lieferdienst nach schweren Vorwürfen

Angestellte haben einem Lieferdienst für Amazon vorgeworfen, für unwürdige Arbeitsbedingungen gesorgt zu haben. Der Konzern hat laut Medienberichten reagiert.

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(Bild: Gorodenkoff/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Amazon hat Strafanzeige gegen den ehemaligen Inhaber eines Lieferdienstes gestellt, der für den US-Onlinehändler in Bayern Pakete zugestellt hatte. Das berichtet Business Insider unter Berufung auf interne Quellen. Gegen das Unternehmen hatten Fahrer schwere Vorwürfe erhoben, die auch das ZDF-Magazin Frontal öffentlich gemacht hatte.

So hätten die Fahrer am Tag bis zu 270 Pakete ausliefern müssen, viel zu viele für den Kofferraum. Zur Verfügung gestellte Fahrzeuge seien außerdem zum Teil "schrottreif" gewesen, gegen Gebühr sei den Angestellten ein Schlafplatz zur Verfügung gestellt worden. Am Ende des Monats hätten sie teilweise nur wenige Hundert Euro bekommen, einmal sogar nur 30 Euro.

Beiden Medien liegen dem Bericht zufolge Beweise für die Vorwürfe vor, darunter Fotos der teils kaputten Fahrzeuge sowie der verdreckten Unterkünfte. Die für die Lieferungen zu benutzenden Fahrzeuge hatten demnach teilweise keine Seitenspiegel, eine Windschutzscheibe sei gesprungen gewesen. In der Unterkunft gab es demnach nur eine Dusche mit lediglich kaltem Wasser, zu bezahlen waren demnach 300 Euro pro Monat und Bett. In den Lohnabrechnungen habe der Lieferdienst außerdem jede Menge Abzüge geltend gemacht, etwa mehrere Hundert Euro für die Bearbeitung eines Kfz-Schadens oder eine unbefugte Benutzung des Fahrzeugs. Übrig blieb teilweise so wenig, dass ein Angestellter nur noch im Auto schlafen konnte.

Die Vorwürfe zeigen einmal mehr, zu welchen Arbeitsbedingungen Amazon Pakete ausliefert oder ausliefern lässt. So war im Juni bekannt geworden, dass der Onlinehändler in den USA Algorithmen über Entlassungen entscheiden lässt, Widerspruch dagegen kostet Geld. Hierzulande schließt Amazon Verträge mit kleinen Unternehmen, die dann die Zustellungen erledigen. Diesem System gibt der Sozialwissenschaftler Stefan Schell von der Hochschule Koblenz im ZDF die Schuld an den aus Bayern erhobenen Vorwürfen: Amazon drücke die Preise und spiele die Lieferdienste gegeneinander aus. Die seien gezwungen, den enormen Preisdruck an die Angestellten weiterzugeben. Nötig seien allgemeinverbindliche Tarifstrukturen.

[Update 26.08.2021 – 13:10 Uhr] Auf Anfrage von heise online erklärte ein Amazon-Sprecher, dass der Vertrag mit dem fraglichen Unternehmen bereits im Frühjahr gekündigt worden sei. Außerdem versicherte er, "das stellt nicht die Wirklichkeit für tausende Menschen dar, die bei kleinen und mittelständischen Lieferunternehmen in ganz Deutschland beschäftigt sind und jeden Tag Pakete zu Amazon Kund:innen bringen". Lieferdienste verpflichteten sich, die geltenden Gesetze einzuhalten und, "wir erwarten von unseren Partnern, dass sie ein erstklassiges Arbeitserlebnis für ihre Fahrer:innen bieten". Die Strafanzeige wurde bestätigt.

Auf eine Anfrage von heise online zu den Vorfällen hat Amazon noch nicht geantwortet.

(mho)