Analyse zum EuGH-Urteil: Kein Grund, Facebook-Seiten zu schließen

Seite 2: EuGH bestätigt die Ansicht der Datenschutzbehörde

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Der EuGH schloss sich vollumfänglich der Argumentation des ULD an. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass Datenschutzvorschriften darauf abzielen, die Privatsphäre betroffener Personen umfassend zu schützen. Dazu gehört auch, dass die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit sehr weitreichend zu verstehen ist.

So soll es laut dem EuGH für die (Mit-)Verantwortlichkeit ausreichen, dass Betreiber von Facebook-Seiten zwar anonyme, aber vorteilhafte Informationen erhalten. So können sie zum Beispiel die Altersverteilung oder Standortangaben nutzen, um ihre Marketingmaßnahmen gezielter einzusetzen.

Kurz zusammengefasst sagte der EuGH, dass es bei der Verarbeitung personenbezogener Daten keine Vorteile ohne Verantwortung gibt. Nun liegt es an dem Bundesverwaltungsgericht, zu entscheiden, wie weit diese Verantwortung reicht. Dabei könnte das Gericht entscheiden, dass das ULD zwar 2011 Recht hatte, 2018 aber nicht mehr.

Der EuGH hat nur entschieden, dass Betreiber von Facebook-Seiten mitverantwortlich sind und die Datenschutzbehörde den Betrieb einer Facebook-Seite untersagen könnte. Ob sie es in dem konkreten Fall auch tatsächlich durfte, muss das Bundesverwaltungsgericht prüfen.

Dazu muss das Gericht zum einen feststellen, dass Facebook gegen die Datenschutzvorschriften verstieß. Darauf soll an dieser Stelle nicht vertieft eingegangen werden. Aber die bisherige Tendenz der Rechtsprechung gegen Facebook spricht dafür, dass auch das BVerwG Datenschutzverstöße annehmen könnte.

Diese Prüfung könnte sich das Gericht jedoch ersparen, wenn es entscheiden würde, dass das ULD zwar 2011 gegen die Betreiber von Facebook-Seite hätte vorgehen können, aber jetzt nicht mehr. Das wäre der Fall, wenn die Datenschutzbehörde den "Umweg" über die Betreiber der Facebook-Seiten nicht mehr benötigen würde, um sich gegen Facebook zu richten. Darauf setzt anscheinend auch die Wirtschaftsakademie laut der Stellungnahme der IHK zum Urteil und könnte damit sehr gut recht haben.

Um zu verstehen, warum das ULD als zunächst scheinbar klarer Verlierer doch als Gewinner vom Platz gehen könnte, muss man auf die zwischenzeitlich erfolgte Rechtsprechung des EuGH gegen Google blicken (C‑131/12). 2014 entschied der EuGH, dass auch eine spanische Niederlassung von Google datenschutzrechtlich in Verantwortung genommen durfte, obwohl sie selbst keine Daten verarbeitete. Ausreichend war es, dass die Dependance das inländische Anzeigengeschäft verwaltete und dieses mit der Datenverarbeitung verquickt war.

Auf dieses Urteil hat der EuGH auch in dem Fall der der Wirtschaftsakademie verwiesen und öffnete eine Möglichkeit, Betreiber von Facebook-Seiten aus der Schusslinie zu nehmen.

Das Verfahren begann damit, dass die Datenschutzbehörde nach einer Möglichkeit suchte, gegen Facebook vorgehen zu können. Daher wollte sie sich gegen die Facebook-Betreiber als "Bauernopfer" richten. Eine Behörde muss bei der Auswahl ihrer "Gegner" jedoch ermessensgerecht handeln. Das bedeutet, sie muss aus den ihr zu Verfügung stehenden Möglichkeiten und Adressaten ihrer Maßnahmen, die für die Beteiligten mildeste Alternative wählen. Das zumindest solange diese gleich wirksame Ergebnisse versprechen.

Nach meiner Ansicht spricht vieles dafür, dass das ULD sich zuerst gegen die Facebook Deutschland GmbH richten, beziehungsweise sich an die Hamburger Kollegen wenden müsste. Denn in Hamburg sitzt die Facebook Germany GmbH. Sie verarbeitet zwar keine Daten, betreut aber das Anzeigengeschäft in Deutschland. Sie in die Verantwortung zu nehmen, erscheint zumindest nicht abwegig. Auch Google lenkte 2014 nach dem Urteil gegen Google Spain ein.

Ferner sei noch angemerkt, dass das Oberverwaltungsgericht zudem meinte, statt einer Untersagung hätte zuerst eine Umgestaltung der Facebookseite angeordnet werden müsste. Zumindest als Möglichkeit, da es nicht ausgeschlossen ist, dass Facebook diese Forderung beachten könnte (Az. 4 LB 20/13). Auch diesen Gedanken könnte das BVerwG zu Ungunsten des ULD aufgreifen.