Angepasste Geschwindigkeit der Windräder soll Vogel-Kollisionen verhindern
Eine neue Methode prognostiziert die Flugbahn von Vögeln und drosselt daraufhin die Drehgeschwindigkeit des Rotors der Windkraftanlage.
- Jan Oliver Löfken
Windräder töten Vögel. Immer wieder kritisieren Vogelschützer Betrieb und Ausbau von Windkraftanlagen und führen teils immense Opferzahlen an. Doch Zahlen von jährlich 240.000 getöteten Fledermäusen oder 12.000 Mäusebussarden, die angeführt werden und aus einer sogenannten "Progress"-Studie stammen sollen, sind nicht nur stark übertrieben, sondern lassen sich zudem nicht aus dieser Untersuchung ableiten, wie der Recherche-Verbund Correctiv zeigt. Laut der zentralen Schlagopferkartei der Ländergemeinschaft der Vogelschutzwarten summieren sich die tot aufgefunden Fledermäuse seit 2002 bis August 2023 auf insgesamt 4058 Tiere. Im gleichen Zeitraum sind im gesamten Bundesgebiet 4990 Vögel rund um Windkraftanlagen gefunden worden, davon 772 Mäusebussarde. Mit schwarz angemalten Rotoblättern, Licht- oder akustischen Signalen versucht man bereits, diese Opferzahlen zu verringern. Norwegische Forschende schlagen nun nicht nur den Einsatz von Kameras und Radar für einen vogelschonenden Betrieb der Windräder vor, sondern auch einen minimal-invasiven Eingriff in ihre Steuerung.
Kurz vor der Kollision
Paula B. Garcia Rosa und John Olav Tande von der norwegischen Forschungsorganisation Sintef arbeiten an einem Konzept, bei dem der Betrieb der Windkraftanlagen an das Verhalten der Vögel angepasst wird. "Nähert sich ein Vogel, wird er mit Kameras und einem Radarsystem auf der Anlage identifiziert", sagt Garcia Rosa. Dieser Vorgang soll bis etwa fünf Sekunden vor einer möglichen Kollision abgeschlossen sein. Der Vogel ist dabei noch etwa 100 bis 200 Meter von den Rotorblättern entfernt. Eine eigens programmierte Software dieses sogenannten SKARV-Systems – Bird collision avoidance system – errechnet aus den Messdaten die wahrscheinliche Flugbahn des Vogels.
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Machen diese Berechnungen eine Kollision zwischen Vogel und Rotorblatt wahrscheinlich, so bewirkt die mit der Steuerung der Windkraftanlage verknüpfte Software, dass sich die Drehgeschwindigkeit des Rotors über eine kleine Drehung der Rotorblätter schnell geringfügig modifiziert (in der Regel verringert). Das Ergebnis: Die tödliche Kollision kann so knapp vermieden werden und das Windrad muss nicht komplett angehalten werden. Die Geschwindigkeitsveränderung habe keinen Einfluss auf die Stromproduktion der Anlage und dauere nur ein paar Sekunden an, heißt es von den Forschenden. Sollte sich jedoch ein ganzer Vogelschwarm nähern, werde die Windkraftanlage gestoppt.
Erste Simulationen der Forschenden haben ergeben, dass sich so vier von fünf Zusammenstößen vermeiden ließen. Ob dieser relativ hohe Wert tatsächlich erreicht werden kann, ist noch nicht sicher. Denn eine Erprobung dieses Systems in der Praxis steht noch aus. Wenn das System ausgereift ist, soll es sowohl bei neuen Windparks nutzbar sein und auch bei bestehenden installiert werden können.
(jle)