Anwendern missfällt weiterhin SAPs rigoroser Cloud-Kurs
Noch immer gibt es scharfe Kritik an SAPs Cloud-Kurs. Hinzu kommt: Jetzt nehmen die Anwender auch die KI-Ausrichtung aufs Korn.
Auch wenn der Ton zwischen den Protagonisten in Leipzig versöhnlicher klang: Der diesjährige Jahreskongress der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) offenbarte die grundlegende Kritik der Anwender an der Cloud-only-Politik in puncto Innovationen, insbesondere KI. Dabei stellen sie die Cloud nicht per se infrage. "Aus DSAG-Sicht sind Cloud und Cloud-ERP-Systeme für viele Anwendungsfälle und Branchen der richtige Weg", ordnete der DSAG-Vorstandsvorsitzende Jens Hungershausen den Anwenderstandpunkt ein. Aber auch On-Premises-Systeme würden noch einige Zeit eine hohe Relevanz behalten, etwa in Branchen mit hoher Prozesskomplexität, oder aufgrund von rechtlichen Rahmenbedingungen. Einfach "Zack in die Cloud" stellt aus DSAG-Sicht keine Option dar. Die Zukunft bleibe weiterhin hybrid.
Zusätzlich für angeregte Diskussionen zwischen DSAG und SAP sorgt, dass der Fokus beim KI-Portfolio primär auf der Cloud liegt. Schon seit geraumer Zeit fordern die Anwender, KI-Innovationen für alle S/4HANA-Kunden verfügbar zu machen – und das unabhängig vom Betriebsmodell. Dabei geht es vor allem die Einbindung beziehungsweise Nutzung der KI-Ergebnisse in On-Premises-Systeme und nicht das ressourcenfressende Training eines LLM zum Aufbau generativer KI-Modelle.
Die Anwender befürchten nach wie vor, dass On-Premises-Nutzer bei Innovationen benachteiligt werden und der Druck bezüglich einer Umstellung auf die Cloud steigt. Sie verlangen an dieser Stelle mehr Klarheit – auch bezüglich Mehrwert durch relevante Use- und tragbare Business-Cases. Unter dem Stichwort Investitionsschutz muss für Unternehmen beispielsweise transparent sein, welche Kosten durch einen vermehrten Cloud-Einsatz inklusive einer etwaigen Nutzung nachgelagerter Services anfallen. Im KI-Bereich wird neben der Unabhängigkeit vom Betriebsmodell unter anderem die Notwendigkeit angemessener, transparenter Preismodelle betont, wie eine gemeinsam mit dem US-amerikanischen Schwesternverband ASUG im Sommer durchgeführte Befragung zeigt. Demnach ist für 92 Prozent der Teilnehmer aus der DACH-Region Transparenz und Klarheit darüber, wo KI eingesetzt wird und auf welchen Daten sie basiert, sehr wichtig und wichtig. Für 86 Prozent der Befragten gilt dies in Bezug auf angemessene Preismodelle. Dass KI-Lösungen sich in bestehende Systeme einbetten lassen, ordneten 85 Prozent als sehr wichtig und wichtig ein. Die Möglichkeit, KI unabhängig vom SAP-Betriebsmodell vor Ort einsetzen zu können, halten wiederum 65 Prozent für sehr wichtig und wichtig.
SAP versucht, mit Mythen aufzuräumen
SAP-Vorstand Thomas Saueressig ließ in seinen Ausführungen zur Cloud- und KI-Strategie weder Bedenken noch Kompromissbereitschaft erkennen. Der Manager mühte sich auch, mit einigen Mythen rund um die Produktpolitik des Konzerns auszuräumen. Das Ende der allgemeinen und erweiterten Wartung für ECC 2027 beziehungsweise 2030 sei keinesfalls willkürlich gesetzt. Es sei vielmehr technisch begründet, da für wichtige, von Drittanbietern bereitgestellte Komponenten wie Datenbanken oder dem Java-Stack dann keine Back-to-Back-Wartungsagreements mehr möglich wären.
Dass SAP künftig kein on Premises mehr unterstützen werde, ist laut Saueressig gleichfalls ein Mythos. Er verwies an dieser Stelle auf die Wartungszusicherung für den Eigenbetrieb von S/4HANA bis mindestens 2040. Saueressig widerspricht auch dem Vorwurf, dass Innovationen künftig nur in der Cloud stattfinden. Seit 2023 wären beispielsweise über 800 Innovationen, etwa die E-Rechnung für die On-Premises-Version von S/4HANA geliefert worden.
Dass hier GenAI ausgeklammert ist, machte der SAP-Manager später im Gespräch mit der Presse deutlich. Als Begründung lieferte er neben technischen Aspekten auch eine betriebswirtschaftliche Argumentation. Das Internet und die Cloud hätten die Grenzkosten für Distribution und Speicherung gegen null gedrückt. Mit GenAI würde dies nun zusätzlich für die Content-Erstellung gelten.
Saueressig beteuerte, dass SAP alle Anwenderunternehmen – unabhängig von der Branche – in die Cloud mitnehmen respektive den Wechsel vereinfachen will. Mit dem Programm "RISE with SAP Migration and Modernization" hatte der Konzern bereits zu Jahresbeginn auf eine Forderung der DSAG reagiert und kommt On-Premises-Kunden bei der Cloud-Migration mit Verrechnungsgutschriften preislich entgegen. In Leipzig wurde außerdem bekannt, dass Unternehmen die Private-Cloud-Variante von S/4HANA, also Rise with SAP, nun auch auf der Stackit-Cloud von Schwarz Digits betreiben können. Da die Stackit-Rechenzentren in Deutschland und Österreich stehen, sollen mit dem Angebot insbesondere Organisationen bedient werden, die hohe Ansprüche an die digitale Souveränität stellen. Kunde Null des neuen Angebots ist übrigens die Schwarz Gruppe selbst.
(fo)