Arbeit als Projektleiter​: Vier Jahre Sechskampf​

Was muss ein Projektleiter können, worauf kommt es in dem Job an? Die besten Antworten darauf liefert ein konkreter Auftrag.

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(Bild: TippaPatt/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Peter Ilg
Inhaltsverzeichnis

Die Elektromobilität auf vier Rädern ist der auf zwei voraus. Beim leichteren Zweirad sind die schweren Akkus das große Problem. Wird ein Elektroroller aber auf die urbane Mobilität hin ausgerichtet, kann das elektrische Konzept passen. Ein Projektleiter berichtet.

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Florian Römhild, Projektmanager bei BMW

"In meinem Vorstellungsgespräch bei BMW Motorrad wurde ich von meinem späteren Vorgesetzten gefragt: "Wenn Sie sich eine Aufgabe bei uns aussuchen könnten, welche wäre das?" Damals hat BMW die C evolution als Konzeptfahrzeug vorgestellt, einen Elektroroller mit einer Spitzenleistung von fast 50 PS. Meine Antwort auf die Frage: "Die Elektromobilität auf zwei Rädern ist spannend, da würde ich gerne mitarbeiten." Jahre später, Mitte März 2017, hat mich mein damaliger Chef gefragt, ob ich die Projektleitung für den CE 04 übernehmen möchte. Das ist das Nachfolgemodell des C evolution.

Das war ein Spitzenangebot, bei dem ich nicht lange überlegen musste. Am 8. November 2021 war Produktionsstart des CE 04 und dieser Tag fiel fast genau auf meinen ersten Arbeitstag bei BMW vor zehn Jahren. Gut Ding braucht einfach Weile.

Mein Name ist Florian Römhild. Ich bin Oberbayer, leidenschaftlicher Motorradfahrer und 38 Jahre. An der TU München habe ich Maschinenwesen studiert. Dort habe ich gelernt, dass sich aus der Raumfahrt Systems Engineering entwickelt hat. Das ist ein interdisziplinärer Ansatz, um komplexe technische Systeme zu managen. Weil mich das interessiert, habe ich meinen Schwerpunkt auf Luft- und Raumfahrt gelegt. Nach dem Abschluss bin ich Trainee bei BMW Motorrad geworden.

Anschließend hat mein Berufsleben im Projektmanagement bei BMW Motorrad begonnen. Zunächst war ich als Projektmanager zuständig für die Industrialisierung des Antriebs der G 310 Modelle in Indien, unserer hubraumkleinsten Motorräder. Dann folgt die Leitung der Antriebsentwicklung eines Scooters mit Verbrennungsmotor, dem C 400 X in China, ebenfalls als Projektmanager.

Meine Jobs waren lokal hybrid: Ich habe abwechselnd in den Ländern und in München gearbeitet. In München sitzt die komplette Motorradentwicklung, produziert werden die Maschinen hauptsächlich in Berlin. In der Entwicklung von BMW Motorrad sind wir rund 500 Leute. Indien und China waren wichtige Anfangsstationen für mich, denn dabei habe ich gelernt, wie im Projektmanagement auf unterschiedlichen Wegen gute Arbeitsergebnisse zu erzielen sind. In Indien braucht es dafür eine gute Beziehung auf persönlicher Ebene. In Deutschland steht das Fachliche im Vordergrund. Als Projektmanager in einer globalen Organisation muss man allen Mentalitäten von Mitarbeitern gerecht werden.

Im Mai 2017 hat BMW das Concept Link vorgestellt, eine Studie des CE 04. Üblicherweise haben Studien mit der Serie wenig bis nichts zu tun. Wir haben den Roller aber so entwickelt, dass die Serie mit der Studie in weiten Teilen übereinstimmt. Die Studie war unser Muster. Der Auftrag ans Team lautete in einem Satz zusammengefasst: "Entwickelt einen Elektroroller auf Basis des Concept Link, der ab dem 1. Quartal 2022 ausgeliefert werden kann." Die Herausforderung war das futuristische Design. Vier Jahre hatten wir Zeit. Das ist der übliche Zeitrahmen, in dem ein neues Fahrzeug entwickelt wird. Langweilig war mir keine Stunde und die Aufgabe bin ich mit einer großen Portion Respekt angegangen.

Als Projektleiter ist man verantwortlich, muss den Kopf hinhalten und alle Fäden in der Hand haben. Immer wieder den Blick aufs Ziel neu ausrichten und die Mannschaft motivieren. Das ist die Kernaufgabe eines Projektleiters. Bei den Rahmenbedingungen befindet man sich ständig im sportlichen Sechskampf: welches Design, wie schwer, wie teuer, welche Anforderungen, wie viel Budget, in welcher Zeit, zu welcher Qualität? Klassischerweise werden Ziele anfangs definiert, im Projektverlauf aber permanent neu austariert. Man weicht von einem Ziel ab, trifft dadurch andere besser, die für wichtiger erachtet werden.

Konkurrierende Ziele waren etwa Langstreckentauglichkeit mit komfortabler Sitzbank oder Festhalten am Design. Bei der Lösung half uns das Nutzerverhalten der C evolution. Hier haben wir gelernt, dass die Kunden etwa bis 15 Kilometer pendeln und nicht darüber hinaus. Deshalb haben wir uns auf diese Kundengruppe fokussiert und die Langstrecke in den Hintergrund gestellt. So blieb es bei einer Sitzbank wie aus der Studie: ähnlich einem schmalen und dünnen, aber gepolsterten Brett, das über dem Rahmen schwebt.

BMW ist in einer Matrix organisiert. Wir haben unterschiedliche Produktlinien, in der Projektleiter Fahrzeuge betreuen. In meinem Fall sind es Scooter. Für die Entwicklung eines neuen Fahrzeugs entsenden Fachabteilungen aus Antrieb, Fahrwerk, Elektrik oder Karosserie Kollegen. Wir haben ein Team gebildet, das begeistert ist vom völlig neuen Design und dem elektrischen Antrieb an einem Roller. Motorradentwicklung funktioniert nur dann gut, wenn die Mannschaft eine Leidenschaft fürs Zweirad hat. Das Kernteam bestand aus 15 Kollegen, je nach Projektphase waren es auch mal gut 50.

Anfangs lief alles klassisch in Präsenz, dann ging es von einem auf den anderen Tag ins Homeoffice. Die Pandemie fiel voll in unser Projekt. Es wurde zur massiven Herausforderung, das Projekt fast zwei Jahre nahezu komplett digital zu steuern. Die Erfahrungen des hybriden Arbeitens mit Indien und China haben mir dabei sehr geholfen.

Eine weitere große Herausforderung war der elektrische Antrieb, der hohe Softwareanteil im Fahrzeug und seine Vernetzung. Wir haben das Glück, uns mit Kollegen vom Auto bedienen zu können, die das Know-how für diese Technologien ins Team brachten. Es werden auch Teile vom Auto im Roller verbaut, etwa die Zellen des Akkus.

Als Projektleiter muss man sehr viel entscheiden. Es sind jedoch die kleinen Korrekturen, mit denen man das Projekt permanent auf das große Ziel ausrichtet. Wir, das Team, haben es geschafft. Als Projektleiter begleite ich noch die Markteinführung in diesem Jahr. Unsere Roadmap sieht noch viele weitere E-Fahrzeuge in den kommenden Jahren vor. Ich kann also diesem spannenden Thema weiterhin treu bleiben."

Protokolliert von Peter Ilg

(axk)