Arbeitsgericht: Gorillas-Kurierfahrer wegen "wilden" Streiks zu Recht gekündigt

Fahrradlieferanten haben sich vor dem Arbeitsgericht Berlin vergeblich gegen Kündigungen gewehrt, die der Lieferdienst voriges Jahr wegen Streiks aussprach.

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(Bild: Gorillas)

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Die von dem Lebensmittel-Lieferdienst Gorillas gegen drei Fahrradkurierfahrerinnen und -fahrern ausgesprochene Kündigung wegen Teilnahme an einem "wilden" Streik ist wirksam. Das hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden. In zwei Fällen hat es die außerordentlichen, fristlosen Kündigungen für wirksam erachtet. Im dritten Fall hat das Gericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht fristlos, sondern nach Ablauf einer Zwei-Wochen-Frist geendet hat. Die Kläger können gegen die Entscheidungen vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in Berufung gehen.

Die Teilnahme an einem Streik sei nur dann rechtmäßig, wenn dieser von einer Gewerkschaft getragen werde, urteilte das Gericht. In dem dritten Fall sei der Kläger in der Zeit des Streiks zu Abendschichten eingeteilt gewesen, die er nicht wahrnehmen konnte, weil ein Warehouse geschlossen war. Da der Kläger bis dahin weniger als sechs Monaten bei dem Lieferdienst beschäftigt gewesen sei, konnte das Arbeitsverhältnis mit einer Zwei-Wochen-Frist im Rahmen der Probezeit beendet werden.

Im vergangenen Herbst war es bei Gorillas in Berlin zu Streikaktionen gekommen, der Lieferdienst kündigte daraufhin den beteiligten Kurierfahrern und -fahrerinnen. Laut dem Gorillas Worker Collective (GWC), das die Protestaktionen organisierte, wurden an einigen Berliner Standorten alle Streikteilnehmer fristlos gekündigt. Die Arbeitnehmervertreter sprachen von mindestens 50 Entlassungen, in Medienberichten ist von 30 die Rede. Gorillas hatte laut Gericht die Teilnehmenden des Streiks mehrfach aufgefordert, ihre Arbeit wiederaufzunehmen.

Den Streikenden ging es unter anderem um pünktliche Bezahlung sowie die Ausstattung mit Regenkleidung. Sie meinen, dass auch die Teilnahme an einem verbandsfreien Streik zulässig sei und berufen sich unter anderem auf die Koalitionsfreiheit aus Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz (GG). Diese schütze auch Arbeitskampfmaßnahmen, die nicht den Abschluss eines Tarifvertrages zum Ziel hätten und deshalb auch nicht gewerkschaftlich organisiert sein müssten.

Das GWC erklärte auf Twitter, es wolle weiter für ein uneingeschränktes Streikrecht kämpfen. In dem Tweet erwähnt das Kollektiv den Juristen Hans Carl Nipperdey, der in den 1950er- und 1960er-Jahren Präsident des Bundesarbeitsgerichts, schon vor 1945 unter der Herrschaft der Nazis Professor für Arbeitsrecht war und in der 1930er-Jahren das "Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit" maßgeblich kommentiert hatte. Nipperdey hatte sich dafür eingesetzt, das Arbeitsrecht einzuengen und zwischen legalen und illegalen Streiks zu unterscheiden. Das Arbeitsgericht Berlin sei nun dieser Linie gefolgt.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hatte 2018 in einem Aktionstag auf die schwierigen Arbeitsbedingungen von Essenslieferanten hingewiesen. Dabei ging es um Themen wie eine weitgehend fehlende Mitbestimmung, die Vielzahl befristeter Arbeitsverhältnisse sowie eine große Zahl von Solo-Selbstständigen in der Branche. Problematisch sei auch, hieß es, dass die Fahrer ihre Produktionsmittel – vom Fahrrad über Regenkleidung bis zum Smartphone – selbst mitbringen und bei Verschleiß oder Unfällen auf eigene Kosten ersetzen oder reparieren müssten.

Im November 2021 bestätigte das Landesarbeitsgericht Berlin eine Entscheidung der Vorinstanz, die einen Eilantrag von Gorillas gegen Betriebsratswahlen in dem Unternehmen zurückgewiesen hatte. Die Betriebsratswahlen konnten weitergehen. Die EU-Kommission hat im Dezember 2021 eine Richtlinie vorgeschlagen, durch die viele der geschätzt 28 Millionen Plattformarbeiter in der EU aus der Scheinselbstständigkeit geholt werden sollen.

(anw)