Aufsicht für Robo-Autos: "Der Mensch ist ein schlechter Überwacher"

Die Bundesregierung will für den Einsatz autonomer Fahrzeuge eine menschliche Betriebskontrolle aus der Ferne vorschreiben, was auf geteilte Meinungen stößt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 76 Kommentare lesen

(Bild: Buntoon Rodseng/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Kernbestandteil des Gesetzesentwurfs, mit dem die Bundesregierung autonome Fahrzeugen in festgelegten Betriebsbereichen wie Shuttle-Verkehren oder Einparken auf die Straße bringen will, ist das Konzept einer "Technischen Aufsicht" (TA). An sie sollen sich Robo-Autos per Funk in außergewöhnlichen Situationen wie einer gestörten Ampel wenden können. Menschliche Kontrolleure werden dem Plan nach dann aus der Ferne eine Entscheidung etwa über einen möglichst sicheren Halt oder die Bedingungen für eine Weiterfahrt treffen.

Unter Experten ist umstritten, ob die vorgesehene Obhut für selbstfahrende Autos Gefahren für Leib und Leben hinreichend ausschließt. Die Regierung gehe mit dem Entwurf selbst davon aus, "dass autonome Fahrzeuge nicht perfekt sein werden", verweist Markus Maurer, Leiter der Arbeitsgruppe Elektronische Fahrzeugsysteme an der TU Braunschweig, auf das "inhärente Risiko" der Technik. Dieses zu akzeptieren und möglichst zu reduzieren, sei positiv. Er gibt aber zu bedenken, dass "die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten dieser Aufsicht viel zu hoch und unverhältnismäßig" sein könnten.

Im staatlich geförderten Projekt Unicar agil sei bereits eine "Leitwarte" vorgesehen, die in Grundzügen einer technischen Kontrolle entsprechen könnte, berichtet Maurer. Untersuchungen im Rahmen dieses Sicherheitskonzeptes hätten aber gezeigt, dass eine solche Stelle "keinen wesentlichen Beitrag zur Betriebssicherheit leisten kann". Dafür seien die Reaktionen aus der Ferne viel zu langsam. Der Professor warnt: "Menschen sind generell schlechte Überwacher."

Die Forderung im Gesetzestext nach ausreichend sicheren Funkverbindungen, insbesondere zur TA, offenbart für Maurer eine weitere Schwachstelle: Mobilfunk sei allgemein für diese Anwendungen ungeeignet, da er leicht unterbrochen werden könne, etwa durch Umwelteinflüsse oder Störsender. Gegen die Leitwarte spreche auch die dafür notwendige "Fernsteuerbarkeit der Fahrzeuge von außen, die diese auch für feindliche Angriffe verletzlicher macht". Die damit verknüpften Auswirkungen auf das Verkehrssystem als kritische Infrastruktur dürften nicht unterschätzt werden.

Hermann Winner, Leiter des Fachgebiets Fahrzeugtechnik an der TU Darmstadt, hält eine TA für autonomes Fahren dagegen für "unabdingbar". Sie stelle sicher, dass ein Mensch die Entscheidungsbefugnis für die Fahrt behalte. Auch die technische Anforderung an das autonome Fahrzeug, jederzeit beim Erreichen der Systemgrenzen in einen risikominimalen Zustand kommen zu können oder der TA in solchen Fällen Folge zu leisten, sei sinnvoll.

Die Anbindung der Kontrollstelle an zunächst "eine einzelne natürliche Person" erscheint dem Professor aber "für einen Regelbetrieb weltfremd". Selbst bei einer ökonomisch unsinnigen Zuordnung eines autonomen Fahrzeugs auf genau ein Gegenüber müsse ständig ein Wechsel allein schon für "Biopausen" möglich sein. Hier traue die Exekutive Organisationsabläufen offenbar selbst noch nicht. Letztlich sei hier aber nur mit hoher Prozessqualität inklusive Computerunterstützung die Betriebssicherheit zu erhalten. Sonst gingen die "ökonomischen Vorteile gegenüber den von Menschen im Fahrzeug durchgeführten Mobilitätsangeboten" verloren.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Opinary GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Es müsse eindeutig klargestellt werden, unter welchen Bedingungen und mit welchem Personaleinsatz "eine Fahrzeugflotte zentral betreut werden kann", forderte der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) jüngst bereits in einer Stellungnahme. Sonst "dürfte sich die Einstellung von Busfahrern wohl noch als kostengünstiger erweisen". Beim automatisierten Individualverkehr sollte die Entwicklung "eher in Richtung einer fluglotsenähnlichen Verkehrsleitung gehen". Das beispielhaft angeführte Umfahren eines Hindernisses im Überholverbot "kann man sicher auch ohne Ingenieursstudium anleiten".

Übers Ziel hinausschießt der Entwurf aus Sicht des IT-Verbands Bitkom bei der Vorgabe, dass Robo-Autos sich im Fall eines Abbruchs der Funkverbindung selbst in einen risikominimalen Zustand versetzen müssen. Das würde den Verkehrsfluss stören und zusätzliche Risiken schaffen. Grundsätzlich solle zwar eine möglichst leistungsfähige Funkverbindung während des Betriebs gewährleistet sein, jedoch seien Kfz mit autonomer Fahrfunktion "per Definition in der Lage, sich auch ohne jegliche Funkverbindung sicher im Straßenverkehr zu bewegen".

"Das autonome Fahrzeug muss stoppen, sobald eine Verletzung der Verkehrsordnung die einzige Alternative für das Weiterfahren darstellt", unterstrich Raúl Rojas, Leiter des Zentrums für intelligente Systeme an der FU Berlin. In so einem Fall übernehme die "Remote-Überwachung" die Kontrolle. Bei unvermeidbaren Unfällen sollte ein selbstfahrendes Auto zudem "keine Wertung der möglichen Opfer vornehmen".

Die vorgesehene Speicherung zahlreicher Mobilitätsdaten hält der Informatiker für kaum vermeidbar. Die Fahrzeuge müssten viele Messwerte wie GPS-Position, zum Zustand etwa der Stromversorgung oder aktivierter Lichter, zu benutzter Software und Wetterbedingungen speichern, da diese "bei möglichen Unfällen Auskunft über die Gründe dafür geben könnten". Es sei auch denkbar, diese Daten an staatliche Stellen und Forschungseinrichtungen weiterzugeben.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) appellierte dagegen an die Bundesregierung, sich bei den Bewegungs- und Fahrzeugdaten mehr Zeit zu lassen und "unter Beteiligung aller relevanten Interessengruppen ein separates, verkehrsmittelübergreifendes Mobilitätsdatengesetz auf den Weg" zu bringen. Informationen mit Personenbezug müssten "vor der Verarbeitung anonymisiert werden". Eine eigene Kommission sollte Vorschläge zur Reform der Haftungsregeln "bei automatisierten, autonomen und vernetzten Fahrzeugen" machen.

Als eine grundsätzlich "wichtige und sinnvolle Gesetzesänderung" wertet Christoph Stiller, Leiter des Instituts für Mess- und Regelungstechnik am Karlsruher Institut für Technologie, das Vorhaben. Damit würde die Bundesrepublik "mit vielen anderen Ländern, etwa in Amerika oder Asien", gleichziehen. Der Professor hält es für "widersinnig, einer Erhöhung der Fahrzeugsicherheit durch Technik gesetzliche Hürden in den Weg zu stellen". Der Verband der Automobilindustrie (VDA) mahnte zur Eile: Die Beratungen im Bundesrat und Bundestag müssten zügig vorangehen: "Nur dann kann Deutschland eine internationale Führungsrolle erreichen."

(tiw)