Außenministerin Baerbock appelliert: "Klimanotstand keine isolierte Krise"

Im Pazifik-Staat Palau macht sich Annalena Baerbock ein Bild von Erosionsschäden und den Sorgen der Menschen. Die Klimakrise erfordere weltweites Handeln.

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(Bild: jremes84/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Jörg Blank
  • Carola Frentzen
  • dpa
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Außenministerin Annalena Baerbock hat bei einem Besuch im Südpazifik zu einer internationalen Kraftanstrengung im Kampf gegen die Erderwärmung aufgerufen. "Der Klimanotstand ist keine isolierte Krise. Es ist das schwierigste Sicherheitsproblem unserer Zeit", sagte die Grünen-Politikerin am Samstag im Inselstaat Palau, der vom Untergang bedroht ist. Zwar erscheine der russische Angriffskrieg Tausende Kilometer entfernt. Dessen Auswirkungen träfen aber jene am härtesten, die unter der Klimakrise litten – unter anderem wegen Überschwemmungen, Dürren und heftiger Stürme.

Bedrohte Pazifiknationen hätten bei internationalen Klimaverhandlungen immer wieder vor den Folgen des Klimawandels gewarnt, räumte Baerbock in der auf Englisch gehaltenen Rede ein. "Aber wir müssen zugeben, dass unsere Antwort als internationale Gemeinschaft unzureichend, unsere Unterstützung zu begrenzt war." Nun sei es "wirklich Zeit, dass wir Ihnen nicht nur aus der Ferne zuhören, sondern dass wir tatsächlich herkommen". Zuletzt sei vor 120 Jahren ein deutscher Außenminister nach Palau gereist.

Um die von steigenden Meeresspiegeln bedrohten Nationen besser und langfristig zu unterstützen, habe sie die Diplomatin Beate Grzeski zur Sondergesandten für die pazifischen Inselstaaten ernannt. Grzeski sei ab sofort direkte Ansprechpartnerin für die Archipele.

Palau erscheine wie ein echtes Paradies, sagte Baerbock. "Aber wir können uns auch gut vorstellen, was mit diesem friedlichen Paradies passieren wird, wenn der Meeresspiegel noch weiter steigt." So böten Schulen, die in Küstennähe gebaut werden, den Kindern keinen sicheren Ort mehr. Kulturstätten könnten buchstäblich untergehen. Und viele Anwohner müssten sich eine schreckliche Frage stellen: "Eine Frage, die ich mir persönlich kaum vorstellen kann: 'Werden unsere Häuser in 30 oder 50 Jahren noch hier sein?'"

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Keine Weltregion leide so sehr unter der Klimakrise wie die Pazifikstaaten – und das, obwohl deren Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen so gering sei. "Das ist eine eklatante Ungerechtigkeit", sagte Baerbock. Um die angestrebten Klimaziele zu erreichen, müssten vor allem die weltweit größten CO₂-Emittenten die Treibhausgasemissionen schneller senken, so auch Deutschland. "Wir sind nicht Ozeane voneinander entfernt, sondern stehen Seite an Seite", rief Baerbock den Menschen in Palau zu.

Zuvor hatte sich die Ministerin bei einem Besuch der zu den "Rock Islands" gehörenden Insel Ngkesill über die dramatischen Auswirkungen der weltweiten Klimakrise informiert. Dabei ließ sie sich auch Auswirkungen der Erosion sowie von Stürmen entwurzelte Bäume und angeschwemmten Plastikmüll zeigen. Die Vermüllung der Meere macht marinen Ökosystemen schwer zu schaffen. So wandern in Palau Meeresschildkröten ab, weil ihr Lebensraum und die Möglichkeit, Nester zu bauen, schrumpft.

Der Archipel besteht aus bis zu 500 Inseln, von denen keine permanent bewohnt ist. Das dortige Naturschutzgebiet bietet nach Angaben der Bundesregierung unter anderem seltenen Seekühen, 13 Hai-Arten, mehr als 350 unterschiedlichen Korallenarten, Vögeln, Fledermäusen und Pflanzen einen vom Tourismus weitgehend unberührten Lebensraum. Ein großer Teil des Archipels wurde im Jahr 2012 von der Unesco zum Weltnatur- und -kulturerbe erklärt.

In der Gemeinde Melekeok an der Ostküste der Insel Badeldaob, die für ihre langen Sandstrände bekannt ist, besichtigte Baerbock ebenfalls Erosionsschäden am dortigen Strand und sprach mit besorgten Anwohnern. Die Ministerin suchte auch das Gespräch mit vom Klimawandel betroffenen Fischern.

Am Nachmittag waren Beratungen mit dem Außenminister von Palau, Gustav Aitaro, in der Hauptstadt Ngerulmud geplant. Ngerulmud hat etwa 250 Einwohner und wird gerne als kleinste Hauptstadt der Welt bezeichnet. Von 1899 bis 1914 war Palau deutsche Kolonie.

Baerbock hatte schon vor ihrer Abreise betont, der steigende Meeresspiegel drohe Palau zu verschlucken. Die Einwohner verlören ihre Existenzgrundlage. Dies sei eine Mahnung zum Handeln als Gemeinschaft. Wenn man im Kampf gegen die Klimakrise und bei der Aufrechterhaltung der globalen Ordnung bestehen wolle, komme es auch auf die Erfahrung und Stimme kleinerer Staaten wie Palau an.

Baerbock macht angesichts schwerer Auswirkungen der Klimakrise auf kleine Länder wie Palau massiv Druck für einen raschen weltweiten Ausstieg aus fossiler Energie. Die nächste Welt-Klimakonferenz im November in Ägypten müsse deutlich machen: "Wir teilen dieses Schicksal gemeinsam und wir können diese Klimakrise nur gemeinsam bewältigen", sagte die Grünen-Politikerin am Samstag nach einem Treffen mit dem Außenminister von Palau, Gustav Aitaro. "Das bedeutet vor allen Dingen ein massiv beschleunigter Ausstieg aus fossiler Energie und eine Energiewende, und zwar weltweit", ergänzte sie.

"An allen Teilen dieser Erde brennt es. An manchen lodert das Feuer, an anderen brennt es lichterloh. Und an manchen Orten weiß man auch noch gar nicht, ob die Flamme heute entfacht oder vielleicht erst in zehn Jahren", sagte Baerbock. Im Zusammenhang mit dem brutalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gebe es die Chance, dass sich der bisher viel zu langsame Umstieg auf erneuerbare Energien "massiv beschleunigt, weil eben die Energiefrage auch eine Sicherheitsfrage geworden ist".

In diesem Prozess müsse dafür gesorgt werden, "dass nicht nur die Regionen, die jetzt schnell Geld investieren können, wieder vorne mit dabei sind. Sondern (dass) eben auch so kleine Inselstaaten wie (Palau) schnellstmöglich auf erneuerbare Energien umstellen können." Zugleich müssten jene Teile des Landes, die nicht mehr gerettet werden könnten, unterstützt werden.

(tiw)