Australien: Arbeitnehmer dürfen Chefs nach Feierabend ignorieren

Australien räumt Arbeitnehmern das Recht ein, nach Feierabend nicht mehr erreichbar zu sein. Gewerkschaften loben, aus der Wirtschaft kommt Kritik.

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Ein Mann sitzt zurückgelehnt vor einem geöffneten Laptop und verschränkt die Arme hinter dem Kopf

(Bild: fizkes/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andreas Knobloch
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Millionen australischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben am Montag die offizielle Erlaubnis erhalten, Vorgesetzte und Kunden außerhalb der Arbeitszeit zu ignorieren. Möglich macht dies eine Gesetzesnovelle, die das "Recht auf Abschalten" festschreibt.

Die Novelle (Fair Work Act 2009, Volume 2, s. 333M bis 333W und 340). schützt Arbeitnehmer, die sich "weigern, Kontakte oder Kontaktversuche außerhalb ihrer Arbeitszeit zu kontrollieren, zu lesen oder zu beantworten, es sei denn, ihre Weigerung ist unangemessen". Das gilt sowohl für Kontaktaufnahmen durch Arbeitgeber als auch durch Dritte, wenn dies mit der Arbeit zusammenhängt, also beispielsweise durch Kunden.

Die im Februar verabschiedete Novelle ist am Montag für die Angestellten für Unternehmen mit mindestens 15 Mitarbeitern in Kraft getreten; ab August 2025 wird es auch für kleine Unternehmen mit weniger als 15 Mitarbeitern gelten. Ziel ist die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, und dass die Menschen keine unbezahlten Überstunden machen, um E-Mails zu checken. Das erklärte Murray Watt, Australiens Minister für Beschäftigung und Arbeitsbeziehungen, der seit gut einem Monat im Amt ist.

Unter bestimmten Bedingungen ist die Weigerung, auf Kontaktaufnahmen zu reagieren, nach dem neuen Gesetz unangemessen. Bei der Beurteilung spielen demnach Rolle und Verantwortungsumfang des Arbeitnehmers, seine Bezahlung für die Erreichbarkeit, seine persönlichen Umstände, der Grund für die Kontaktaufnahme sowie der Grad der Beeinträchtigung durch die Kontaktaufnahme eine Rolle. Zudem tritt das Recht auf Abschaltung hinter etwaige gesetzliche Verpflichtungen zurück.

"Wenn es sich um eine Notsituation handelt, würde man natürlich erwarten, dass ein Arbeitnehmer darauf reagiert", so Watt. "Aber wenn es sich um eine alltägliche Sache handelt (...) dann sollten sie bis zum nächsten Arbeitstag warten, damit die Leute ihr Privatleben genießen können, Zeit mit ihrer Familie und ihren Freunden verbringen, Sport treiben oder was auch immer sie nach Feierabend machen wollen, ohne das Gefühl zu haben, dass sie an den Schreibtisch gekettet sind, während sie eigentlich nicht bezahlt werden, denn das ist einfach nicht fair."

Die Befürworter des Gesetzes hoffen, dass es dazu beitragen wird, die Grenze zwischen Privatem und Beruflichem zu festigen. Eine Umfrage des Centre for Future Work (Zentrum für die Arbeit der Zukunft) am Australia Institute, einer Denkfabrik für Staatstätigkeit, aus dem Jahr 2022 hat ergeben, dass sieben von zehn angestellten Australiern außerhalb der regulären Arbeitszeiten arbeiten, und sie dadurch unter körperlicher Mattheit, Stress und Angstzuständen leiden.

Australiens größter Gewerkschaftsdachverband Australian Council of Trade Unions (ACTU) begrüßt denn auch in einer Erklärung das neue Gesetz als "Gewinn für die Lebenshaltungskosten der Arbeitnehmer", insbesondere derjenigen, die als Lehrer, im kommunalen Dienst und in der Verwaltung tätig sind. Das Recht auf Abschalten werde nicht nur die Zahl der unbezahlten Überstunden verringern, sondern auch die zunehmenden psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz bekämpfen.

Der australische Wirtschaftsverband Business Council of Australia dagegen sieht durch das neue Gesetz Australiens Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Australiens Oppositionsführer Peter Dutton wiederum bezeichnete die Neuregelung als schädlich für die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und als Bedrohung für die Produktivität. Er kündigte an, im Falle eines Wahlsieges im kommenden Jahr das Gesetz wieder rückgängig zu machen.

Die Umfrage des Australia Institute aus dem Jahr 2022 zeigt allerdings breite Unterstützung unter Arbeitnehmern für ein Recht auf Abschalten. Nur acht Prozent waren dagegen.

(akn)