Ausweise: Bürgerrechtler warnen vor verpflichtender Aufnahme von Fingerabdrücken
Bürgerrechtsorganisationen verweisen auf eine Klausel in dem EU-Verordnungsentwurf, wonach EU-Staaten die biometrischen Merkmale frei verwenden dürften.
Statewatch, Privacy International, Digitalcourage und zwei weitere Datenschutzvereinigungen haben den federführenden Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EU-Parlaments aufgefordert, am Montag bei der geplanten Abstimmung über einen Verordnungsentwurf für sicherere Dokumente zum Identitätsnachweis das Dossier abzulehnen. Die damit verknüpfte verpflichtende Aufnahme zweier digitaler Fingerabdrücke in Personalausweise stellt ihrer Ansicht nach einen "unverhältnismäßigen Bruch der Rechte auf Privatheit und Datenschutz" dar und müsse daher zurückgewiesen werden.
Es gebe keinerlei Nachweis, dass die biometrische Aufrüstung der hoheitlichen Dokumente "erforderlich oder angemessen ist", schreiben die Organisationen in ihrem Brandbrief an die Abgeordneten. Eine solche Maßnahme sei unvereinbar mit der EU-Grundrechtecharta. Die EU-Kommission selbst sei in ihrer Folgeabschätzung für ihren ursprünglichen Vorschlag zu dem Ergebnis gekommen, dass die Aufnahme von Fingerabdrücken freiwillig bleiben sollte. Dies wäre der "effizienteste und verhältnismäßigste" Ansatz.
Freibrief zur beliebigen Nutzung der Fingerabdrücke befürchtet
Die Bürgerrechtler verweisen zudem auf eine neue Klausel, die erst mit der jüngst zwischen den EU-Gremien gefundenen Übereinkunft in den Gesetzestext hineingekommen sei. Demnach sollen die Mitgliedsstaaten die auf einem RFID-Chip gespeicherten biometrischen Informationen auch für andere, nicht näher bestimmte Zwecke jenseits der "Personalisierung" der Ausweise und die reine Identitätsprüfung verwenden dürfen. Einzige Voraussetzung dafür ist, dass die weiteren Nutzungsformen im Einklang mit dem allgemeinen EU-Recht und nationalen Gesetzen stehen.
Der ursprüngliche Entwurf der Kommission hatte vorgesehen, dass die Fingerabdrücke nur auf dem Chip selbst gespeichert werden dürfen und Referenzdaten bei den Meldebehörden hochsicher verwahrt und spätestens 90 Tage nach der Ausgabe der Dokumente gelöscht werden müssen. Mit dem scheinbar unwesentlichen Zusatz in Artikel 10 gebe es nun einen Freibrief für die EU-Länder, die sensiblen Daten anderweitig zu nutzen oder eventuell sogar in einem zentralen Informationssystem zu speichern, befürchten die Aktivisten. Dies liefe aber prinzipiell auch Artikel 11 des Entwurfs zuwider, der weiterhin besagt, dass die enthaltenen biometrischen Merkmale allein ausgelesen werden sollten, um die Authentizität des Dokuments und die Identität des Inhabers zu kontrollieren.
Hierzulande müssen Antragsteller für den elektronischen Personalausweis bisher lediglich ein Gesichtsbild liefern, das als biometrisches Merkmal auf dem Funkchip aufbewahrt wird. Zwei Fingerabdrücke abzugeben und mit einzubauen ist – im Gegensatz zum Pass – noch freiwillig. Bezeichnend ist, dass die EU parallel faktisch an einer biometrische Superdatenbank mit der Verknüpfung zahlreicher Informationssysteme im Sicherheitsbereich werkelt. Eigentlich sollten die Fingerabdrücke aus Ausweisen der EU-Bürger bei diesem virtuellen Verbund außen vor bleiben.
(tiw)