Autos mit Stoppfunktion: Sensoren sollen Trunkenheit am Steuer verhindern

Der US-Senat diskutiert eine Gesetzesvorlage, nach der Autos bei Trunkenheit des Fahrers die Fahrt verweigern sollen. Das erfordert komplexe Sensortechnik.

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Autohaus

(Bild: Slava Dumchev/Shutterstock.com)

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Die USA leiten den letzten großen Schritt ein, um in wenigen Jahren Neufahrzeuge mit einer Stoppfunktion ausliefern zu lassen, die alkoholisierte Autofahrer vom Straßenverkehr fernhalten soll. Die Bestimmung ist Teil eines 2700 Seiten starken Entwurfs für ein überparteiliches Infrastrukturgesetz, das aktuell der US-Senat diskutiert. Die USA arbeiten bereits seit 2008 an Überwachungssystemen, die Autos mit alkoholisierten Fahrern am Straßenverkehr hindern sollen. So will die US-Regierung die Zahl der Verkehrstoten senken. In den USA kommen jährlich rund 10.000 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben, bei denen Alkohol im Spiel ist.

Den Autoren der Gesetzesvorlage schwebt ein Monitoringsystem vor, das schnell und passiv arbeitet und auf den Blutalkoholgehalt anhand äußerer Parameter schließt, sodass dem Fahrer kein Blut abgenommen werden muss. Wenn das System eine Überschreitung des Grenzwerts feststellt (je nach Bundesstaat und Fahreralter meist 0,8 Promille), soll das Auto den Fahrtantritt oder die Weiterfahrt verweigern. Jedoch soll es möglichst weiter Energie liefern, etwa für die Klimaanlage oder zum Aufladen von Smartphones.

Für die Implementierung kommen am ehesten zwei Systeme des Projekts Driver Alcohol Detection System for Safety (DADSS) infrage. Das erste schließt auf den Alkoholgehalt im Blut anhand von Messungen der Atemluft, das zweite anhand der Alkoholkonzentration im Schweiß.

Beim DADSS kooperiert die Verkehrssicherheitsbehörde National Highway Traffic Safety Administration mit der Organisation Automotive Coalition for Traffic Safety, die alle großen Automobilhersteller vertritt. Die DADSS-Technik sollen alle Hersteller oder Zulieferer zu gleichen Konditionen erwerben können, wenn sie fertiggestellt ist.

Es gibt mehrere Varianten, den Alkoholgehalt im Blut zu bestimmen. Im US-Projekt DADSS wird unter anderem eine Methode entwickelt, die auf der Infrarotspektroskopie gründet.

(Bild: DADSS)

Für gängige Messungen in der Atemluft liegen längst praxiserprobte Sensoren vor, die etwa das alkoholabhängige Potenzial zwischen zwei Elektroden elektrochemisch messen. Es ist jedoch schwierig, einen in der Luft gemessenen Alkoholgehalt eindeutig dem Fahrer zuzuordnen, wenn mehrere Personen im Fahrzeug sitzen. Das DADSS setzt daher auf mehrere Sensoren an allen Türen und weiteren zwei vorne in der Konsole. Sie erfassen auch die Temperatur, Luftfeuchte und andere Parameter, und das gesamte System berücksichtigt, ob und welche Fenster offen oder geschlossen sind und ob die Klimaanlage läuft oder nicht. Alle Sensorwerte zusammen sollen die Genauigkeit bald auf das Niveau herkömmlicher Alkoholmessgeräte heben.

Das DADSS meldet, dass die Technik ab Jahresende zunächst in Flotten eingesetzt wird, deren Richtlinien gar keinen Alkohol im Blut von Fahrern gestatten. Das kann ein Beleg dafür sein, dass die Technik noch nicht zuverlässig misst, ob der Blutalkoholgehalt den Grenzwert überschreitet. Tatsächlich stellt das DADSS den Einsatz in Privatfahrzeugen erst ab 2024 in Aussicht. Bis dahin soll die Technik auch auf etwa Zentimetergröße schrumpfen, sodass sie problemlos in privat genutzte Fahrzeuge passt.

Die zweite Methode, die den Pegel anhand der Konzentration im Schweiß ermitteln soll, setzt auf die Infrarotspektroskopie. Dafür wird die alkoholabhängige Absorption eines Infrarotsignals von etwa 9,5 Mikrometern Wellenlänge gemessen. Diese Technik könnte etwa in einem Startknopf des Autos eingebaut sein. Die Entwicklung des DADSS liegt gegenüber der Luftanalyse etwa ein Jahr zurück.

Der Einbau eines Monitoringsystems in Neuwagen soll dem Entwurf zufolge ab 2027 verpflichtend werden. Ein vorausschauender Passus ermöglicht aber auch einen Aufschub, falls die Technik bis dahin nicht so weit ist.

In Deutschland gibt es ebenfalls Bestrebungen, alkoholabhängige Wegfahrsperren in Autos einzubauen, jedoch nur als Ergänzung für alkoholauffällige Fahrer. Eine Entscheidung steht wegen ungeklärter verkehrs- und strafrechtlicher Fragen aus. Die EU schreibt für 2022 und 2024 die schrittweise Einführung von Schnittstellen in gewerblichen Fahrzeugen vor. Messgeräte sind bisher nicht Bestandteil der Bestimmungen. Außerdem tüfteln Hersteller an Systemen, die aus dem Fahrerverhalten auf Rauschzustände oder andere Beeinträchtigungen des Fahrers schließen können.

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(dz)