Baden-Württembergs Justizminister für Begrenzung der TK-Datenspeicherung

"Ich habe Bedenken, ob eine so weit gehende Maßnahme im richtigen Verhältnis zum beabsichtigten Zweck steht", meinte Ulrich Goll (FDP) zur von EU-Rat und -Kommission geplanten Vorratsspeicherung von Telekommunikations-Verbindungsdaten.

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Von
  • Monika Ermert

Der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP) sprach sich am heutigen Donnerstag für eine Begrenzung der geplanten Vorratsdatenspeicherung aus. Er halte eine Speicherung der Verbindungsdaten für maximal 3 Monate für ausreichend, sagte Goll in Stuttgart. Bei dem Vorhaben von EU-Rat und -Kommission geht es um die Speicherung der Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, SMS, E-Mailen, Surfen oder Filesharing anfallen. Mit Hilfe der Datenberge sollen Profile vom Kommunikationsverhalten und von den Bewegungen Verdächtiger erstellt werden. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, die auch in der geplanten schwarz-roten Koalition ihr Amt behalten soll, hat sich gerade erst in einem Schreiben an die deutschen EU-Abgeordneten für eine sechsmonatige Speicherfrist ausgesprochen.

Zu den von Rat und Kommission vorgelegten Entwürfen, sagte Goll: "Ich habe Bedenken, ob eine so weit gehende Maßnahme im richtigen Verhältnis zum beabsichtigten Zweck steht." Der Rat fordert Speicherfristen von einem Jahr für Telekommunikations- und Internetdaten mit einer Öffnungsklausel, die Kommission reduzierte den Bereich fürs Internet auf sechs Monate. Es wäre dann, so warnte Goll, "kein Problem mehr festzustellen, wann Sie Weihnachten letzten Jahres wem ein frohes Fest gewünscht haben, kein Problem, mehr festzustellen, ob Sie den Sommer im Ausland verbracht haben und der Flug per E-Mail bestätigte wurde, kein Problem mehr festzustellen wer sich zur gleichen Zeit wie Sie am gleichen Ort befunden und durch ein einfaches Telefonat seine 'Datenspur' hinterlassen hat." Rückschlüsse auf die sozialen Kontakte seien ebenfalls ohne Weiteres möglich.

Ganz ablehnen wollte Goll die Vorratsdatenspeicherung aber nicht. Sie könnte durchaus "ein geeignetes Mittel sein, um mögliche Netzwerke von potenziellen Terroristen aufzudecken". Die vorgelegten Vorschläge hält Goll aber nicht mehr für verhältnismäßig. "Wir sollten den Grundrechtseingriff auf ein praktisch vertretbares Minimum reduzieren." Ohnehin bestehe die Gefahr, dass eine sinnvolle Verwendung der Datenflut gar nicht mehr möglich sei.

Außerdem, betonte Goll, habe eine auf drei Monate verkürzte Speicherfrist den Vorteil, dass die Kosten bei den Unternehmen reduziert würden. Denn es könnte darauf zurückgegriffen werden, was zu Abrechnungszwecken ohnehin schon gespeichert werde. "Damit würde auch die unsägliche Diskussion über eine etwaige Entschädigungspflicht der ohnehin überschuldeten öffentlichen Haushalte überflüssig." Goll diskutiert am heutigen Donnerstagabend bei einer Veranstaltung mit dem Titel "Heiligt der Zweck alle Mittel" mit Wirtschaftsvertretern in Stuttgart über die Vorratsdatenspeicherung.

Alexander Alvaro, der EU-Parlamentsberichterstatter für die Pläne zur Vorratsdatenspeicherung, begrüßte derweil eine Initiative des britischen Premierministers Tony Blair, dem Parlament volle Mitentscheidung im Bereich Justiz und Inneres zu gewähren. Alvaro warnte allerdings, dass Blairs Initiative am Einspruch anderer Mitgliedsländer scheitern könnte. Ohnehin sei das heutige Treffen der Minister lediglich informell, Entscheidungen seien nicht zu erwarten. Das Parlament, dem der Rat praktisch eine Deadline für die erste Lesung des Speichervorschlages gegeben hat, könne aber nicht die Katze im Sack kaufen. Der Rat hatte angekündigt, die eigene Initiative fortzusetzen, sollte das Parlement nicht bis Anfang Dezember reagieren.

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, E-Mailen, SMS-Versand, Surfen, Chatten oder Filesharing anfallen, siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)