Bahn-Vorstand entschuldigt sich für Massen-Datenabgleich

"Der Vorstand der DB AG bedauert, dass es in der Vergangenheit bei den Mitarbeiterüberprüfungen zu Verstößen gekommen ist und kein Gremium der Arbeitnehmerinteressenvertretung informiert war", heißt es heute in einer Erklärung des Bahn-Vorstands.

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Hartmut Mehdorn, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn, hat heute eine Erklärung abgegeben, in der sich der Vorstand für die Umstände des Abgleichs der Daten von Mitarbeitern mit denen von Bahn-Geschäftspartnern entschuldigt. In der Erklärung heißt es: "Der Vorstand der DB AG bedauert, dass es in der Vergangenheit bei den Mitarbeiterüberprüfungen zu Verstößen gekommen ist und kein Gremium der Arbeitnehmerinteressenvertretung informiert war. Er entschuldigt sich dafür bei seinen Mitarbeitern." Im Jahr 2009 würden keine Mitarbeiterdaten zur Überprüfung genutzt oder übermittelt. Sobald die beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Ergebnisse ihrer Untersuchungen vorlägen, werde der Konzernbetriebsrat informiert.

Mehdorn hat sich damit nicht persönlich bei den Mitarbeitern entschuldigt, sondern als Mitglied des Vorstands der Bahn. Die Gewerkschaften Transnet und GDBA hatten diese Woche auf ihre Forderung nach einer Entschuldigung gepocht. Die Nachrichtenagentur AFP zitiert einen Transnet-Sprecher, laut dem die Teilnehmer einer Sitzung des Konzernbetriebsrats, auf dem Mehdorn die Erklärung abgegeben hat, es nicht so wahrgenommen hätten, als ob der Bahnchef sich entschuldigt hätte. Die Gewerkschaften forderten weiterhin eine Sondersitzung des Aufsichtsrats. Die Bundesregierung hatte der Bahn am Mittwoch ein Ultimatum gestellt und einen ausführlichen schriftlichen Bericht über die Datenaffäre gefordert. Dieser müsse zur Sondersitzung des Aufsichtsrates vorliegen, die noch vor dem 11. Februar einberufen werden soll.

Die Bahn hatte zunächst eingeräumt, dass die Daten von 173.000 Beschäftigten überprüft worden waren. Bundesdatenschützer Peter Schaar verglich den Vorgang mit einer Rasterfahndung. Später wurde bekannt, dass sämtliche 220.000 Mitarbeiter einem Screening unterzogen wurden. Außerdem hat die Bahn laut Zeitungsberichten mit Hilfe des Datenabgleichs auch Informationslecks finden und einem Mitarbeiter auf die Spur kommen wollen, der Mehdorn bei den Steuerbehörden anschwärzen wollte. Der Bahnchef wird dafür gescholten, zunächst keine Verstöße in dem massenhaften Datenabgleich gesehen und das volle Ausmaß der Überprüfungen nur scheibchenweise aufgedeckt zu haben. Mehdorn hatte sogar angekündigt, mit dem Screening fortzufahren, wie Gewerkschafter anmerkten. Nun sollen zumindest in diesem Jahr keine Überprüfungen mehr stattfinden.

Unklar ist, ob es in Kürze schon zu einer Ablösung Mehdorns kommen wird. CDU/CSU befürchteten, dass der SPD-Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee einen Nachfolger benennt, der von einer möglichen schwarz-gelben Koalition nach der Bundestagswahl nicht zu tragen sei. Deshalb sei Merkel bisher nicht bereit gewesen, Mehdorn fallen zu lassen, schrieb diese Woche die Financial Times Deutschland. Heute heißt es in Medienberichten, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bahn-Aufsichtsratschef Werner Müller hätten sich darauf verständigt, dass Mehdorn vor der Bundestagswahl nicht zurücktreten soll – falls keine weiteren Datenvorfälle bekannt würden.

Die Frankfurter Rundschau berichtet heute, ihr sei eine weitere Spitzelaktion bekannt geworden. Es seien mit "zweifelhaften Methoden Kontakte eines Bahnmitarbeiters überwacht und sogar Hausdurchsuchungen bei Menschen veranlasst" worden, mit denen der Mitarbeiter in Kontakt gestanden habe. Die Konzernsicherheit habe 2005 das Büro eines Bahnmitarbeiters durchsucht und Papiere gefunden, die der Mitarbeiter eigentlich nicht besitzen durfte. Die Bahn habe der Staatsanwaltschaft trotz dünner Faktenlage mitgeteilt, dass der Mitarbeiter "streng vertrauliche Vorstandsunterlagen, Briefwechsel aus dem Vorstandsbereich" an fünf Personen übermittelt habe. Unter ihnen war der Verkehrsexperte Gottfried Ilgmann, einer der Kritiker des damals geplanten Bahn-Börsengangs. Bei einer Hausdurchsuchung wurden Ilgmanns Adressverzeichnis und Terminkalender beschlagnahmt.

Der FDP-Verkehrspolitiker Horst Friedrich erwartet für den kommenden Mittwoch eine spannende Sitzung des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages, dem er vorsteht. Im Interview mit der Frankfurter Rundschau sagte Friedrich, er "schließe nicht aus, dass es noch mehr solche Fälle von Überwachung gegeben hat. Ich schließe auch nicht aus, dass wir morgen noch etwas völlig neues erfahren und in der Sitzung des Verkehrsausschusses noch mehr." Seines Erachtens ist Mehdorn als Bahnchef nicht länger haltbar. Auch gehe es jetzt um die Frage, was Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee wusste. "Um die Frage, was der Minister dagegen gemacht hat – oder eben nicht gemacht hat."

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(anw)