Barrierefrei dank KI? Geldstrafe fĂĽr Accessibe-Plugin

Ein Plugin sollte jegliche Webseite barrierefrei machen. Dank KI! Leider ist es so simpel nicht. Die Firma Accessibe zahlt eine Million Dollar an die FTC.

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Screenshot eines Werbevideos. Zu sehen ist ein ein Handy haltender, fröhlicher weißer Mann mit Bart und geschlossenen Augen; rechts davon blickt ein Retriever in die Kamera, hinter ihm ist ein Stock mit Schlaufe zu sehen, der einen Blindenstock darstellen soll. Links ist ein Ausschnitt eines stilisierten Webshops mit dem Angebot eines weißen Turnschuhs um $145 zu sehen.

Werbesujet Accesibes.

(Bild: Accessibe)

Lesezeit: 2 Min.

Zu dick aufgetragen hat Accessibe. Webseiten-Plugins dieser Firma sollten jede Webseite automatisch barrierefrei machen, mit nur einer einzelnen Zeile Code. 30 Prozent der Web Content Accessibility Guidelines 2.1 Level AA sofort, die restlichen 70 Prozent binnen 48 Stunden, dank schlauer Künstlicher Intelligenz. Leider klappt das in der Realität nicht immer, beispielsweise irrt sich die automatische Bilderkennung. Das kostet Accessibe jetzt eine Million US-Dollar.

Denn das nicht eingehaltene Werbeversprechen hat die Federal Trade Commission (FTC), die Verbraucherschutzbehörde der USA, auf den Plan gerufen. Sie hat die Sache untersucht und kritisiert noch ein anderes Element der Geschäftspraktik Accessibes: Es soll Huldigungen Dritter irreführend als unabhängige Meinungen dargestellt haben, ohne offenzulegen, dass namhafte Beziehungen zwischen den Autoren und dem israelisch-amerikanischen Unternehmen bestehen.

Die FTC und Acessibe beantragen nun gemeinsam eine Gerichtsverfügung, wonach Accessibe die Werbeaussagen nicht mehr tätigen darf, solange es keine Belege für die versprochene Leistung hat. Außerdem darf es Beziehungen zu Bewertern nicht mehr verschweigen respektive nicht den Eindruck deren Unabhängigkeit erwecken. Zudem soll Accessibe der FTC eine Million Dollar überweisen. Jeder weitere Verstoß könnte mit bis zu 51.744 Dollar geahndet werden.

Dieses Geld kann die FTC für Rückerstattungen an übervorteilte Kunden nutzen. Das Plugin ist ab 49 US-Dollar monatlich erhältlich, für Webseiten mit maximal 1.000 Pages. Betreiber größerer Seiten zahlen mehr, beispielsweise 349 Dollar bis 100.000 Pages.

Beispiel aus der Gerichtsakte: Statt einer korrekten Bildbeschreibung fĂĽtterte das Accessibe-Plugin einem Screenreader den gelb markierten Zeichensalat.

(Bild: Faksimile FTC-Klage)

Das ist verlockend, ist Barrierefreiheit bei Webseiten und elektronischen Geräten doch nicht nur wichtig für Suchmaschinenoptimierung, sondern auch rechtlich verpflichtend. In Nordamerika schon lange, in der Europäischen Union ab 28. Juni. Dann greift der Europäische Rechtsakt zur Barrierefreiheit (European Accessibility Act, EAA), der in Deutschland durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umgesetzt wird, in Österreich durch das Barrierefreiheitsgesetz (BaFG). Die neuen Bürgerrechte sind Ausfluss der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die bereits 2008 in Kraft getreten ist. In Deutschland wird es kostenpflichtige Abmahnungen geben. Korrekte Umsetzung erfordert mehr als ein KI-Plugin, neben automatischen Prüfroutinen braucht es Tests mit Betroffenen.

Die FT-Kommissäre haben den mit Accessibe ausgehandelten Vergleich einstimmig beschlossen (Az 222-3156). Er wird nun im US-Amtsblatt veröffentlicht; nach 30 Tagen öffentlicher Konsultation wird die FT-Kommission noch einmal darüber abstimmen.

(ds)