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Bastelrechner NanoPC-T4 und ROCKPro64: Mehr Raspi-Konkurrenz mit Rockchip

Peter Eisner
NanoPC T4: ein blaues Board

(Bild: FriendlyElec)

Leistungsfähige Raspi-Konkurrenten setzen zunehmend auf den Chip-Hersteller Rockchip. Zwei neue RK3399-Boards eröffnen die Alternative: kompakt oder günstig?

Ein Einplatinenrechner à la Raspberry Pi kann nur so viel, wie das jeweils verbaute System-on-a-Chip (SoC). Auf der Suche nach mehr Performance in der an sich leistungsschwachen Geräteklasse setzen die Produzenten der Bastelrechner zunehmend auf den SoC-Lieferanten Rockchip.

Dessen Flaggschiff – der RK3399 – ist das SoC der Wahl für den nächsten Odroid [1]. Auch Orange-Pi-Hersteller Xunlong hat ein entsprechendes Board [2] im Programm. Nun gibt es weitere Angebote von NanoPi-Hersteller FriendlyElec und von Pine64.

FriendlyElec bewirbt seinen NanoPC-T4 [3] als das kleinste aller RK3399-Boards. Die Platine misst 100 mm × 64 mm, sodass die Grundfläche einschließlich der überstehenden Anschlussbuchsen ungefähr dem Format eines alten Personalausweises entspricht. Bei Superlativen darf man gerne etwas misstrauisch sein – und tatsächlich bietet 96rocks eine kleinere Alternative an [4], die derzeit nur vorbestellbar ist.

In der Vielfalt der Schnittstellen des NanoPC-T4 finden sich einige Besonderheiten. Eine USB-Buchse vom Typ C kann wahlweise für USB-3.0 oder als Display-Port genutzt werden. Zusätzlich steht ein weiterer USB-3.0-Anschluss vom Typ A bereit. Als weitere Option zur Grafikausgabe abseits des üblichen HDMI-Ports (HDMI 2.0a) lassen sich LCDs an einen Embedded Display Port (eDP 1.3) anschließen.

Schnittstellen des blauen Einplatinenrechners NanoPC-T4

Viele Schnittstellen: der NanoPC-T4 bringt unter anderem USB-3.0 und einen Steckplatz für M.2-SSDs mit.

(Bild: FriendlyElec)

Spannend ist die Frage, was die jeweiligen Board-Designer aus den vier PCI-Express-Lanes des RK3399 machen (PCIe 2.1). FriendlyElec reicht sie auf die Unterseite der Platine zu einem M.2-Sockel durch. Dort können passende M.2-SSDs verbaut werden (22 mm × 80 mm, M Key), sofern der 16 GB große eMMC Speicher oder SD-Karten nicht ausreichen. Die theoretische Bandbreite der Anbindung liegt bei etwa zwei Gigabyte pro Sekunde. Zwar können nur Benchmarks zeigen, wie viel davon in der Praxis übrig bleibt. Doch deuten erste Tests in der Armbian-Community auf eine – gegenüber anderen Schnittstellen – deutlich höhere I/O-Leistung hin.

Für mehr als ausreichende Konnektivität sorgt neben dem Gigabit-Ethernet-Anschluss die verbaute WLAN-Lösung. Das Modul von Ampak (AP6356S) unterstützt sowohl 2,4-GHz- als auch 5-GHz-Netzwerke und MIMO (Multiple-Input/Multiple Output) mit zwei Antennen. On-Board-Antennen gibt es keine, zwei IPEX-Stecker auf der Platine stehen für externe Antennen bereit. Zusätzlich beherrscht es Bluetooth 4.1.

Zum Basteln mit anderer Hardware gibt es eine Raspberry-Pi-ähnliche 40-polige GPIO-Pinleiste. Hier muss man ein wenig aufpassen, denn die Pins haben unterschiedliche TTL-Level. Einige arbeiten mit 3 Volt, andere mit nur 1,8 Volt.

Nicht gespart wurde beim Arbeitsspeicher: mit 4 Gigabyte LPDDR3-RAM wird die Maximalkonfiguration des RK3399 ausgenutzt. Die CPU des SoCs besteht aus sechs ungleichen Kernen. Die Big-Little-Technik von ARM vereint hier vier langsamere Cortex-A53-Kerne mit zwei schnelleren Cortex-A72-Kernen. Der Takt der 64-Bit-CPU ist mit 1,5 GHz für die kleinen und bis zu 2 GHz für die großen Kerne angegeben. In der Praxis dürfte die Leistung thermisch limitiert sein. Zwar wird der NanoPC mit einem passenden Alu-Kühler ausgeliefert. Dieser ist jedoch vergleichsweise flach. Immerhin gibt es einen dreipoligen Anschluss für einen PWM-gesteuerten 12-Volt-Lüfter. Das mitgelieferte Acryl-Gehäuse hat leider nur passende Bohrungen für einen 4-cm-Lüfter.

Angesichts der Leistungsdaten verwundert es nicht, dass der NanoPC-T4 für 129 US-Dollar über den Ladentisch geht. Im Paket enthalten sind neben dem Rechner ein Netzteil (12 V, 2 A), zwei Antennen, der Kühler, das Gehäuse und passende Schrauben.

Wer weniger Geld ausgeben möchte, wird indessen bei Pine64 fündig. Die Macher des ersten 64-Bit-fähigen Raspi-Konkurrenten Pine A64 [5] bieten mit dem ROCKPro64 das derzeit günstigste RK3399-Board [6] an. Für die 2-GB-Variante werden 60 US-Dollar aufgerufen, wer 4 GB RAM haben möchte, zahlt 80 Dollar (ohne Zubehör). Der Name birgt Verwechslungsgefahr: es gibt auch einen Pine Rock64 [7], der auf ein leistungsärmeres SoC aufbaut (RK3328) und äußerlich dem Raspi nachempfunden ist. Dagegen gleicht der ROCKPro64 dem ursprünglichen Pine A64, dessen Formfaktor er übernimmt. Mit seinen relativ klobigen Abmessungen von 133 mm × 80 mm ist er etwa doppelt so groß wie ein Raspberry Pi.

Die sonstigen Eckdaten ähneln dem NanoPC-T4, jedoch zumeist mit Abstrichen. Was beim T4 fest verbaut ist, kann beim Pine als Steckmodul nachgerüstet werden. Das WLAN- und Bluetooth-Modul setzt auf den gleichen Ampak-Chip und schlägt mit 16 Dollar zu Buche. Die Module für eMMC-Flash beginnen bei 16 Dollar für 16 Gigabyte. In Sachen RAM setzt der Pine auf schnelleren LPDDR4-Speicher. M.2-SSDs lassen sich beim Pine nicht direkt einbauen, denn der Hersteller hatte eine andere Idee für die PCIe-Lanes. Er spendierte der Platine einen – eigentlich eher für PC-Mainboards typischen – PCIe-Steckplatz.

RockPro64: eine schwarze Platine

Für Raspi-ähnliche Rechner ungewöhnlich: der ROCKPro64 hat einen PCI-Express-Steckplatz.

(Bild: Pine64 )

Wie man es mittlerweile (leider) von den meisten Raspi-Konkurrenten gewohnt ist, wird die Hardware verkauft, bevor das Betriebssystem praxistauglich ist. Für drei SoCs aus seinem Portfolio kümmert sich Rockchip selbst um quelloffene Treiber [8]. Zum einen wird auf die Unterstützung im Linux-Mainline-Kernel hingearbeitet, zum anderen verlässt man sich auf eine Variante des 4.4er-Kernels, der zum Teil auf proprietäre Komponenten für Video-Decoding und 3D-Beschleunigung angewiesen ist.

Pine richtet sein Angebot ausdrücklich an Entwickler und Enthusiasten. Man sei in einer frühen Entwicklungsphase und plane, den ROCKPro64 mindestens für die nächsten fünf Jahre zu liefern. Bei FriendlyElec ist Android 7.1 und Lubuntu 16.04 angekündigt – Downloads sucht man indes noch vergebens.

Die Board-Hersteller spekulieren verständlicherweise auf eine Plattform, die gute Zukunftsaussichten hat. Für die Gegenwart heißt das: Wer jetzt schon zugreift, sollte damit rechnen, dass halbwegs rund laufende Linux-Distributionen erst im Laufe des Jahres entstehen. (hch [9])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-4061580

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/news/Odroid-N1-Bis-zu-zwei-Festplatten-an-einem-Mini-Rechner-3969613.html
[2] https://www.heise.de/news/Drei-neue-Boards-von-Orange-Pi-3953964.html
[3] http://wiki.friendlyarm.com/wiki/index.php/NanoPC-T4
[4] https://www.96boards.org
[5] https://www.heise.de/select/make/2016/3/1466411216103370
[6] http://wiki.pine64.org/index.php/ROCKPro64_Main_Page
[7] https://www.heise.de/preisvergleich/pine-rock64-r64-board-4gb-a1726337.html?cs_id=1206858352&ccpid=hocid-hardware_hacks
[8] http://opensource.rock-chips.com/wiki_Status_Matrix
[9] mailto:hch@make-magazin.de