3D-gedruckte Bauelemente sorgen für ein ideales Raumklima

An der ETH Zürich wurde ein Belag aus Abfallstoffen entwickelt, der Feuchtigkeit speichert, gutes Raumklima schafft und sich über 3D-Druck produzieren lässt.

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Die von der ETH Zürich entwickelten Bauelemente reduzieren die Luftfeuchtigkeit von Innenräumen und lassen sich über 3D-Druck herstellen.

(Bild: Pietro Odaglia / Josef Kuster)

Lesezeit: 4 Min.

Ob Bürogebäude, Ausstellungsräume oder Wartebereiche in Krankenhäusern, Arztpraxen und Behörden – überall treffen viele Menschen aufeinander, und die Luft wird schnell stickig. Menschen bringen Feuchtigkeit mit, wodurch die Luftfeuchtigkeit steigt. Um Räume trocken zu halten und ein angenehmes Raumklima zu schaffen, kommen in Büro- und Verwaltungsgebäuden oft Lüftungsanlagen zum Einsatz. Diese Anlagen entfeuchten die Luft zwar zuverlässig, verbrauchen dabei jedoch Energie und sind wartungsintensiv.

Ein Forschungsteam der ETH Zürich hat eine innovative Methode entwickelt, um Innenräume passiv zu entfeuchten. Dabei nimmt ein speziell entwickeltes Material in Wänden und Decken überschüssige Feuchtigkeit aus der Luft auf und speichert sie vorübergehend. Statt die Feuchtigkeit wie bei mechanischen Lüftungsanlagen nach außen abzuleiten, bindet das hygroskopische Material die Feuchtigkeit und gibt sie später bei Belüftung des Raums wieder ab. „Unsere Lösung empfiehlt sich für stark frequentierte Räume, für die die installierten Lüftungsanlagen ungenügend sind“, erklärt Guillaume Habert, Professor für Nachhaltiges Bauen und Leiter des ETH-Forschungsprojekts.

Wie der Informationsdienst Wissenschaft berichtet, setzten Guillaume Habert und sein Forschungsteam bei der Entwicklung eines geeigneten hygroskopischen Materials auf das Prinzip der Kreislaufwirtschaft. Sie nutzten fein gemahlenen Abfall aus Marmorsteinbrüchen als Basis. Um daraus feuchtigkeitsbindende Wand- und Deckenelemente herzustellen, kombinierten sie das Marmorpulver mit einem Bindemittel – einem sogenannten Geopolymer. Diese Materialklasse entsteht durch die Aktivierung von Metakaolin, einem Stoff aus der Porzellanherstellung, mit einer alkalischen Lösung aus Kaliumsilikat und Wasser. Durch diese Reaktion bildet sich der Geopolymer-Binder, der das Marmorpulver zu einem festen Baustoff verbindet. Im Vergleich zu Zement produziert dieser Binder deutlich weniger CO₂ und bietet eine nachhaltigere Alternative.

Das Projekt knüpfte an die Doktorarbeiten der Materialwissenschaftlerin Vera Voney und des Architekten Pietro Odaglia an, die das Material und die 3D-Druckmaschine an der ETH entwickelt haben. Im ETH-Projekt entwickelten die Forschenden einen Prototyp für ein Wand- und Deckenelement mit den Maßen 20×20 cm und einer Dicke von 4 cm. Das Team stellte den Prototyp mithilfe von 3D-Druck her. Dabei trugen sie das Marmorpulver Schicht für Schicht auf und verklebten es mit dem Geopolymer-Binder – ein Verfahren, das als Binder-Jet-Drucktechnologie bekannt ist. „Mit diesem Verfahren lassen sich Bauteile in einem großen Formenreichtum effizient herstellen“, erklärt Benjamin Dillenburger.

„Wir konnten mit numerischen Simulationen nachweisen, dass die Bauelemente die Luftfeuchtigkeit in stark genutzten Innenräumen maßgeblich reduzieren können“, erklärt Magda Posani. Für die Simulation nahm sie an, dass die Wände und Decken eines Lesesaals vollständig mit den hygroskopischen Bauelementen verkleidet sind. Der Lesesaal wird von 15 Personen genutzt, und Posani berechnete, wie oft und wie stark die Luftfeuchtigkeit im Laufe des Jahres die Komfortzone von 40 bis 60 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit verlässt. Daraus erstellte sie einen Unbehaglichkeits-Index, der zeigt, wie stark zu hohe oder zu niedrige Luftfeuchtigkeit den Komfort beeinträchtigt. Mit den feuchtigkeitsbindenden Elementen sank der Index um 75 Prozent im Vergleich zu einer herkömmlichen Wand mit Farbanstrich. Bei Elementen mit einer Dicke von 5 statt 4 cm ließ sich der Index sogar um 85 Prozent reduzieren.

Die hygroskopischen Wand- und Deckenelemente punkten mit Klimafreundlichkeit: Über einen Zeitraum von 30 Jahren verursachen sie deutlich weniger Treibhausgas-Emissionen als eine Lüftungsanlage, die dieselbe Menge an Feuchtigkeit aus der Luft entfernt. In den Simulationen verglichen die Forschenden die Elemente auch mit traditionellem Lehmputz, der seit Jahrhunderten zur passiven Regulierung der Luftfeuchtigkeit in Innenräumen eingesetzt wird. Der Lehmputz schnitt in Sachen Klimafreundlichkeit noch besser ab als die modernen Bauteile. Allerdings verfügt der Putz über eine geringere Speicherfähigkeit für Wasserdampf als die Bauelemente aus dem 3D-Drucker.

Die Arbeiten der ETH belegen, dass sich aus der Kombination von Geopolymer und 3D-Druck Wand- und Deckenelemente entwickeln lassen, die Feuchtigkeit effizient puffern. Der nächste Schritt soll in der Weiterentwicklung des Produktionsverfahrens liegen. Die preiswerte Produktion im industriellen Maßstab ist das Ziel. Parallel dazu läuft die Forschung weiter. Gemeinsam mit dem Polytechnikum Turin und der Aalto-Universität forscht die ETH Zürich an weiteren Produktionsverfahren und Bauelementen, die immer weniger Treibhausgasemissionen verursachen sollen.

(usz)