Bericht: Neue schwere Vorwürfe gegen Telekom

Die Telekom soll 1996 die Telefonverbindungen dreier "als Hacker" verdächtigter Personen ausgewertet haben, berichten ZDF und Wirtschaftswoche. Der Konzern weist das zurück, räumt aber ein, Datenverkehr eines ISDN-Anschlusses aufgezeichnet zu haben.

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Nach der Affäre um bespitzelte Journalisten und Aufsichtsräte sieht sich die Telekom mit neuen schweren Vorwürfen konfrontiert. Nach Informationen der Wirtschaftswoche und des ZDF soll der Bonner Konzern im Dezember 1996 Telefonate von Kunden aufgezeichnet und damit das Fernmeldegeheimnis verletzt haben. Aus internen Unterlagen gehe hervor, dass die Abhörmaßnahme vom damaligen Vorstand Technische Dienste, Hagen Hultzsch, genehmigt worden sei. Weiter heißt es, Personalvorstand Heinz Klinkhammer habe später versucht, den Vorgang zu vertuschen. Die Telekom wies den Vorwurf illegaler Abhörmaßnahmen zurück. "Es gibt keinen Beleg dafür, dass Kunden abgehört wurden", erklärte ein Sprecher gegenüber heise online.

Wirtschaftswoche und ZDF berufen sich dagegen auf interne Unterlagen des Konzerns. Danach sei die Abhörmaßnahme im Rahmen einer Untersuchung von mutmaßlichen Hackerangriffen auf Telekom-Systeme angeordnet worden. Hultzsch habe auf einer Krisensitzung am Abend des 11. Dezember 1996 persönlich grünes Licht gegeben, "Telefon-Anschlüsse auf Überwachung zu legen". Der Telekom-Justitiar habe die Aktion zuvor mit dem Notwehrparagraphen (§ 32) des Strafgesetzbuches gerechtfertigt, weil das Unternehmen damit vor schwerem Schaden geschützt werden könne.

Am Tag nach der abendlichen Krisensitzung soll die Telekom unter dem Operationsnamen "Bunny" mit der Überwachung von vier Telefonnummern dreier verdächtigter Personen begonnen haben, heißt es weiter. Die Leitungen seien einem externen "Monitoring-Center" zugeführt worden, das auch für deutsche Sicherheitsbehörden tätig sei. Im Rahmen der viertägigen Überwachung sollen knapp 120 Anrufe erfasst worden sein.

In einer Stellungnahme der Telekom gegenüber dem ZDF, die heise online vorliegt, bestätigt das Unternehmen Maßnahmen zur Abwehr "eines schweren Hackerangriffs einer einzelnen Person auf das Netz der Deutschen Telekom". Dabei sei es allerdings "nicht zum 'Abhören' von Telefonaten gekommen". Vielmehr habe es die Telekom angesichts einer massiven Bedrohung der Netzsicherheit als notwendig erachtet, "den Hackerangriff technisch zu analysieren". Dabei sei auch versucht worden "den Datenverkehr des ISDN-Anschlusses einer als Hacker dringend verdächtigten Person aufzuzeichnen, um Steuersignale wie Hackercodes zu finden".

Der "bis dahin größte Hackerangriff in der Geschichte der Deutschen Telekom" sei bei der Staatsanwaltschaft angezeigt worden, erklärte das Unternehmen weiter. Der Fall sei dort geprüft worden. Auch seien die zuständigen Behörden über die Vorgänge informiert worden. Die damals zuständige Aufsichtsbehörde, das Bundesministerium für Post und Telekommunikation (BMPT), habe den Vorgang gerügt. Das Ministerium hat dem Medienbericht zufolge allerdings erst im Juni 1997 von "Bunny" erfahren und den Vorgang als rechtswidrig eingestuft. Der zuständige Staatssekretär Gerhard Pfeffermann habe schriftlich seine Bedenken zu Protokoll gegeben: "Ich halte das Vorgehen in Ihrem Unternehmen daher für strafrechtlich in hohem Maße bedenklich." Außer dieser Rüge sei nichts weiter passiert, auch das Ermittlungsverfahren gegen den angeblichen Hacker sei eingestellt worden.

Die Telekom bestreitet heute, dass es "illegale Aktivität wie das Abhören von Gesprächsinhalten" gegeben hat. Vor über zehn Jahren soll die Frage der Legalität Telekom-intern allerdings kontrovers diskutiert worden sein. "Heftigen Streit um die Rechtmäßigkeit der Maßnahme" habe es nach Beendigung von "Bunny" gegeben, melden Wirtschaftswoche und ZDF. Experten hätten die Aktion als schweren Verstoß gegen geltendes Recht bewertet, für den die Telekom auch den Verlust ihrer Lizenz hätte befürchten müssen. Der Konzern sei damals in jedem Fall verpflichtet gewesen, die Aufsichtsbehörden und die Betroffenen zu informieren.

Doch gehen die Vorwürfe noch weiter: Personalvorstand Heinz Klinkhammer, der auch in der anderen Bespitzelungs-Affäre eine Hauptrolle spielt, soll später entgegen der Empfehlung von internen Sicherheitsexperten versucht haben, den Vorgang zu vertuschen. Klinkhammer habe empfohlen, bei den Behörden lieber "gutes Wetter" zu machen, dann werde auch "nichts herauskommen, weil keiner etwas ahne", zitieren Wirtschaftswoche und ZDF aus einem Gesprächsprotokoll. Hultzsch und Klinkhammer wollten sich nicht äußern. Auf die Frage zur möglichen Vertuschung durch den ehemaligen Personalvorstand antwortete die Telekom: "Richten Sie solche Fragen bitte an Herrn Klinkhammer persönlich."

Zur Telekom-Affäre siehe auch:

(vbr)