Bertelsmann und Middelhoff: Die holprigen Pfade der Neuen Medien

Noch vor nicht allzu langer Zeit schien der Traditions-Medienkonzern Bertelsmann auf ganz neuen Pfaden zu wandeln, doch das Thema Börse und New Economy ist derzeit nicht nur für Kleinanleger ein Albtraum.

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Von
  • Hannes Bahrmann
  • dpa

Noch vor nicht allzu langer Zeit schien der Traditions-Medienkonzern Bertelsmann auf ganz neuen Pfaden zu wandeln, doch das Thema Börse und New Economy ist derzeit nicht nur für Kleinanleger ein Albtraum. Auch Eigentümer großer Unternehmen reagieren allergisch. Und im Fall der Bertelsmann AG offensichtlich so stark, dass darüber der hoch gelobte Vorstandsvorsitzende Knall auf Fall entlassen wurde. Nach Informationen aus Branchenkreisen soll es vor allem der geplante Börsengang gewesen sein, der für Streit zwischen Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff und dem Aufsichtsrat gesorgt und schließlich zu seinem Abgang geführt haben soll. Offiziell war am Sonntag ohne Details von "unterschiedlichen Auffassungen" die Rede und dass es "keine weiteren Erklärungen" geben werde. Internationalisierung und Börsengang, Konzentration auf Fernsehen und Internet waren die Strategie von Middelhoff; welche Pfade Bertelsmann nun weiter beschreiten will, ist zu Teilen noch unklar. Sicher scheint lediglich, dass das Kerngeschäft, darunter der in letzter Zeit zum Sorgenkind gewordene Buchclub, wieder gestärkt werden soll.

Middelhoff, seit 16 Jahren bei Bertelsmann und seit November 1998 Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG, genießt ein hohes internationales Ansehen. Von 1995 bis 2001 saß er im Board des weltgrößten Online-Dienstes AOL, ihn verbindet aus dieser Zeit eine persönliche Beziehung zum heutigen AOL Time Warner-Lenker Steve Case. 2000 planten Middelhoff und Case die Fusion ihrer Unternehmen, doch der damalige Börsenwert des weltweit führenden Online-Dienstes war so groß, dass es für Bertelsmann nur zum Junior-Partner gereicht hätte. Deshalb entschied sich der Mehrheitseigner und Gründer der Bertelsmann AG, Reinhard Mohn, gegen die Verbindung.

Aus heutiger Sicht eine richtige Entscheidung, denn Bertelsmann ist von schlechten Nachrichten an der Börse verschont und die Aktie von AOL Time Warner hat in diesem Jahr bereits drei Viertel ihres Werts verloren. Das Thema Börsengang blieb für Bertelsmann dennoch weiter auf der Tagesordnung. Middelhoff konnte Mohn überzeugen, nicht nur die belgisch-kanadische Finanzholding GBL als 25-Prozent-Gesellschafter in die Bertelsmann AG hereinzuholen -- im Tausch gegen deren Anteile an der RTL Group -- sondern auch das Thema Börsengang auf die Tagesordnung zu setzen.

Dafür gab es einleuchtende Gründe: Der Kapitalbedarf eines erfolgreich expandieren Unternehmens mit einem Umsatz von 30 Milliarden Euro kann sich nicht nur durch eigenen Gewinn und eine Anleihe finanzieren. Das ist auch in diesen Tagen, da die meisten großen Medienkonzerne unter einer riesigen Finanzlast fast zusammenbrechen, sicher immer noch richtig. Mit der GBL wurde deshalb verabredet, dass sie in einigen Jahren ihre Anteile an die Börse bringen kann. Hätte das Unternehmen von den Kapitalmärkten profitieren wollen, hätte aber auch die Familie und die zweite große Gesellschafterin, die Unternehmens-Stiftung, weitere Anteile abgeben müssen. Doch die absolute Stimmrechtsmehrheit von 75 Prozent war auch Mohn stets ein hohes Gut. GBL erhielt zwar 25,1 Prozent der Anteile am Unternehmen, aber nur 25,0 Prozent der Stimmrechte. Und Mohn verwies darauf, dass er die GBL-Anteile auch selber kaufen könne. Sein Glaube an den Börsengang war nicht unerschütterlich. Und darüber ist es wohl auch zum Bruch mit seinem erfolgreichen Vorstandsvorsitzenden gekommen. Die Süddeutsche Zeitung meint außerdem, zum Eklat sei es endgültig nach dem kürzlich abrupt verkündeten Verkauf der Fachverlagsgruppe Bertelsmann Springer gekommen. Danach hätten sich Middelhoffs Gegner offenbar schnell formiert und den Abgang betrieben.

Dabei kann sich die Bilanz Middelhoffs durchaus sehen lassen: In seiner fast vierjährigen Amtszeit hat er den Umsatz verdoppelt, den Gewinn versechsfacht und das Eigenkapital verneunfacht. Dafür gab es im letzten Jahr vom Eigner eine saftige Gratifikation in zweistelliger Millionenhöhe. Auch jetzt steht Bertelsmann besser als die Wettbewerber da: Das operative Geschäft im ersten Halbjahr hat trotz Werbekrise auf 750 Millionen Euro zugelegt.

Was wird aus einem Top-Manager wie Middelhoff? Man kann nur spekulieren. Etwa darüber, dass ihm Steve Case ein dauerhaftes Angebot machte, zu AOL Time Warner zu wechseln. Oder dass die Deutsche Telekom nach der gegenwärtigen Interimslösung nach einem neuen Vorstandsvorsitzenden suchen wird. Der Berliner Kurier will bereits erfahren haben, dass Middelhoff neuer Telekom-Chef werden soll. Doch nach anderen Berichten liegt kein Angebot der Telekom vor und Middelhoff habe noch keine Gespräche über seine berufliche Zukunft geführt. Die Süddeutsche Zeitung etwa schreibt, rasch auftretende Spekulationen, Middelhoff könne zum neuen Vorstandschef der Telekom aufsteigen, seien in seiner Umgebung und im Umfeld der Bundesregierung als falsch abgetan worden. (Hannes Bahrmann, dpa) / (jk)