Nach Kritik im Bundestag: Hausverbot für Content-Moderator bei Telus

Cengiz Haksöz berichtete Abgeordneten über die belastende Arbeit von Content-Moderatoren. Sein Arbeitgeber Telus stellte ihn nun frei – sogar mit Hausverbot.

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(Bild: keport/Shutterstock)

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Ein Content-Moderator, der bei einem Dienstleister Inhalte für Facebook und Instagram überprüft, hat nach einem Auftritt im Bundestag Ärger mit seinem Arbeitgeber bekommen. Vorige Woche gab Cengiz Haksöz, der bei Telus International in Essen die Plattformen des US-Konzerns Facebook und Instagram nach problematischen und illegalen Inhalten durchforstet, im Digitalausschuss des Bundestags Einblicke in die belastenden Arbeitsbedingungen von Content-Moderatoren. Er verwies etwa auf eine "Kultur der Angst" und überbordende Geheimhaltung. Sein Arbeitgeber hat ihn daraufhin bis auf Weiteres freigestellt und ihm untersagt, die Firmenräume zu betreten. Besonders brisant: Haksöz leitet auch den Wahlvorstand für die im Juli geplante Betriebswahl am deutschen Standort der kanadischen Firma.

Sollte es einen Zusammenhang zwischen der Anhörung im Parlament und der Beurlaubung Haksöz geben, "wäre das ungeheuerlich", erklärte die Vorsitzende des Digitalausschusses, Tabea Rößner (Grüne), am Freitag. "Uns war es wichtig, Erkenntnisse über die Funktionsweise, die Verfahren und die Arbeitsbedingungen" der Inhalteprüfer zu bekommen, betonte die Grüne. "Nur so können wir als Gesetzgeber adäquate Maßnahmen ergreifen." Der Freigestellte habe dazu "mit einer sehr sachlichen und kompetenten Stellungnahme viel beigetragen". Die dankenswerte Bereitschaft, sich den Fragen der Abgeordneten zu stellen, dürfe unter keinen Umständen zu einem persönlichen Nachteil führen. Wer Beratungen der Volksvertreter auf eine solche Weise zu verhindern suche, "missachtet die Demokratie". Rößner hat das Unternehmen daher zu einer Stellungnahme aufgefordert und zu einem Gespräch geladen.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die Haksöz unterstützt, kündigte rechtliche Schritte gegen Telus an. Verdi-Vorstandsmitglied Christoph Schmitz forderte "die Rücknahme der Freistellung und das Zugangsrecht zum Betrieb". Das werde man zur Not auch einklagen. Verdi prüfe zudem, ob Telus die Betriebsratswahl be- oder verhindern wolle, was strafbar sei. Content-Moderatoren, die auch als "Müllabfuhr" des Internets gelten, leisteten "einen hochrespektablen Beitrag für unsere Gesellschaft. Die Anerkennung, rechtliche Absicherung, angemessener Gesundheitsschutz und gerechte Bezahlung bleiben aber noch aus." Content-Moderatoren, die häufig auch für Dienstleister in den Schwellenländern arbeiten, müssen sich regelmäßig belastende Inhalte wie Enthauptungsvideos, extreme Gewaltdarstellungen und sexuelle Missbrauchsdarstellungen ansehen.

Der Fall zeigt auch für Julia Kloiber von der zivilgesellschaftlichen Organisation Superrr Lab, dass die großen Plattformbetreiber weiter versuchten, Content-Moderatoren "einzuschüchtern und vom Gebrauch ihrer Rechte abzuhalten". Superrr Lab unterstützt mit Foxglove und Verdi ein von hunderten Online-Putzkräften unterzeichnetes Manifest für ein "Ende der Ausbeutung". Die SPD-Digitalpolitikerin Anna Kassautzki rügte Telus ebenfalls und mahnte, dass Facebook & Co. die Verantwortung über die Content-Moderation selbst übernehmen und diese nicht länger an Subunternehmen auslagern sollten.

Marilyn Tyfting aus dem Vorstand von Telus hält gegenüber der ARD dagegen, dass Haksöz die Arbeitsvereinbarungen mit der Firma gebrochen habe: "Die kürzlich von unserem Teammitglied im Bundestag und in den Medien erhobenen Vorwürfe spiegeln nicht korrekt die Realität unseres Geschäfts wider." Zudem habe er nicht akkurat dargestellt, wie die Firma sich um die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Angestellten kümmere. Das Unternehmen führe derzeit eine interne Untersuchung dazu durch, während der Haksöz nicht in die Niederlassung kommen dürfe. Mit der anstehenden Betriebsratswahl habe dies nichts zu tun.

(axk)