Big Tech im Sommerblues: KI-Euphorie verpufft nach Q2-Bilanzen

Auch für Alphabet, Amazon und Microsoft wachsen die Kurse an der Wall Street nicht immer in den Himmel. Ein Grund: Der KI-Hype verebbt.

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(Bild: Vintage Tone/Shutterstock.com)

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Eineinhalb Jahre lang kannten die Aktien der Technologiegiganten nur eine Richtung: steil nach oben. Bis Ende Juni stellten die Anteilsscheine der unter "Magnificent 7" bekannten wertvollsten amerikanischen Technologiekonzerne mit Ausnahme von Tesla immer neue Höchstkurse auf. Seit einigen Wochen sind die Kurse jedoch ins Rutschen gekommen – zum Teil massiv. KI-Liebling Nvidia büßte etwa in den vergangenen vier Wochen in der Spitze 27 Prozent an Wert ein.

Auch die anderen Big-Tech-Konzerne erlebten in dieser Zeit zum Teil deutliche Verluste. Der Grund: Quartalsbilanzen, die den Wow-Effekt vermissen ließen. Den Anfang machte in der vergangenen Woche Alphabet mit an sich überzeugenden Zahlen. Die Umsätze kletterten um 14 Prozent auf 84,7 Milliarden Dollar, während der Nettogewinn des US-Konzerns sogar um 28,5 Prozent auf 23,62 Milliarden zulegte – beide Metriken lagen über den Konsensschätzungen. Indes: Die Aktie fiel reflexartig um 5 Prozent.

Kaum besser erging es am Dienstag Microsoft, das in den drei Monaten von April bis Juni einen Gesamtumsatz von 64,7 Milliarden US-Dollar – 15 Prozent mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres – und einen Nettogewinn von 22 Milliarden Dollar (+10 Prozent) verzeichnete. Auch hier brachen die Anteilsscheine im nachbörslichen Handel zunächst um 7 Prozent ein, ehe tags darauf eine Erholung einsetze.

Amazon wiederum erlaubte sich gestern nach Handelsschluss eine rare Umsatzverfehlung: Die Erlöse des fünftwertvollsten Techkonzerns der Welt legten zwar um 10 Prozent zu, lagen jedoch knapp unter den Erwartungen der Wall Street von 148,56 Milliarden Dollar. Der Nettogewinn konnte unterdessen auf 13,5 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt werden. Obwohl Amazons viel beachtete Cloudsparte AWS im zweiten Quartal um abermals 19 Prozent zulegen und damit die Analystenschätzungen übertreffen konnte, wurde die Aktie im nachbörslichen Handel mit einem Minus von 7 Prozent hart abverkauft. Ein weiter Grund dafür: Auch der Umsatzausblick auf das laufende Quartal lag mit einer Spanne zwischen 154 und 158,5 Milliarden Dollar unter den Wall-Street-Erwartungen.

Dem seit einigen Wochen wieder wertvollsten Konzern der Welt gelangen dagegen gestern bei Bilanzvorlage einige positive Überraschungen: Apple konnte sowohl beim Umsatz als auch Gewinn die Konsensschätzungen schlagen. Nach einigen Quartalen mit stagnierenden bzw. gar rückläufigen Geschäftsergebnissen konnte der iPhone-Hersteller die Erlöse im zweiten Kalenderquartal wieder um 5 Prozent auf 85,77 Milliarden Dollar und den Nettogewinn um 8 Prozent auf 19,88 Milliarden Dollar steigern. Beide Kennzahlen lagen über den Analystenerwartungen. Trotzdem tendierte die Apple-Aktie im nachbörslichen Handel nahezu unverändert. 


Das einzig positive Ausrufezeichen unter den Big Techs lieferte dagegen am Mittwoch Meta. Der Zuckerberg-Konzern konnte die Erwartungen der Wall Street bei Umsatz und Gewinn fast spielend übertreffen: So konnte Meta zwischen Anfang April und Ende Juni Erlöse von 39,07 Milliarden Dollar ausweisen – ein Plus von 22 Prozent gegenüber 32 Milliarden Dollar im Vorjahreszeitraum. Der Nettogewinn stieg unterdessen um enorme 73 Prozent auf 13,47 Milliarden Dollar bzw. 5,16 Dollar pro Aktie. Die Q2-Bilanz markiert das vierte aufeinanderfolgende Quartal mit einem Umsatzwachstum von über 20 Prozent. So schnell wächst mit Ausnahme von Nvidia, das sein neustes Zahlenwerk erst Ende August vorstellt, kein anderes Mag-7-Mitglied. Trotzdem legten die Anteilsscheine in Reaktion auf die sehr starke Bilanz lediglich um 5 Prozent zu.

Wie ist nun der zum Teil harsche Abverkauf der Technologiechampions zu erklären? Mit zum Teil enttäuschten Wachstumshoffnungen im Boom-Segment Künstliche Intelligenz (KI). Alphabet-CEO Sundar Pichai erklärte etwa in der Telefonkonferenz nach Veröffentlichung der Quartalsergebnisse, dass die KI-Initiativen bereits "neues Wachstum" vorangetrieben hätten. "Seit dem laufenden Jahr haben unsere KI-Infrastruktur und generative KI-Lösungen für Cloud-Kunden bereits Milliardenumsätze generiert und werden von mehr als zwei Millionen Entwicklern genutzt", erklärte Pichai. Indes: Der Ausbau der neuen KI-Infrastruktur verschlingt zunächst einmal Unsummen. So wies Alphabet im zweiten Quartal etwa 13,2 Milliarden Dollar für Investitionen aus, was einem Anstieg von 91 Prozent gegenüber 6,9 Milliarden US-Dollar im Vorjahr entspricht, da der US-Suchmaschinenpionier seine KI-Investitionen weiter massiv ausbaut.

Für Anleger und Analysten scheint sich indes nach eineinhalb Jahren des KI-Hypes die Frage zu stellen, wie bald sich die massiven Investitionen eigentlich monetarisieren lassen. "Wie viel Umsatz erzielen sie damit?", fragte sich etwa Daniel Morgan, Senior Portfoliomanager beim Vermögensverwalter Synovus Trust. "Wenn ich mir den (Q2-)Bericht anschaue, sehe ich, dass Google immer noch da ist. Sie verdienen ihr Geld mit Werbung und Suchmaschinen", erläutert Morgan gegenüber dem Finanzinformationsdienst Bloomberg.

Microsoft wurde nach der jüngsten Bilanz ebenso kritisch zum monetären KI-Fortschritt beäugt. Im Fokus steht dabei die Azure-Cloud-Sparte, die Unternehmenskunden für ihre KI-Initiativen nutzen. Die Wall Street hatte hier ein Wachstum von 30,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr erwartet, Microsoft-CEO Satya Nadella konnte jedoch lediglich einen Zuwachs von 29 Prozent ausweisen. Angesichts des überwältigenden KI-Hypes, der in den vergangenen eineinhalb Jahren zu massiven Wertsteigerungen an der Börse führte, verschreckt Anleger aktuell jede auch nur marginale Verlangsamung. Entsprechend nannte Piper Sandler-Analyst Brent Bracelin das langsamere Wachstum der Azure-Sparte "eine etwas verwirrende Sache für Anleger". Bracelin rechnet im nächsten Jahr aber wieder mit einer Beschleunigung des Cloud-Segments.

Auch Apple hat seine Ausgaben im KI-Bereich zuletzt hochgefahren, wie Konzernchef Tim Cook im Anschluss an die jüngste Bilanz betonte. "In unseren Ergebnissen in diesem Quartal ist eine Steigerung der Beträge enthalten, die wir im Vergleich zum Vorjahr für KI und Apple Intelligence ausgeben", erklärte Cook am Donnerstag gegenüber dem Finanzinformationsdienst CNBC. Für Apple, das sich im Wettrennen um die Verwendung generativer KI bislang zurückgehalten hatte, steht die eigentliche Bewährungsprobe indes erst aus: Im September stellt der Konzern mit Apple Intelligence sein eigenes künstliches Intelligenzsystem vor, das im nächsten iPhone integriert ist.

(emw)