Bluff: Russische Uni will Lithografie-Systeme für 7-Nanometer-Chips herstellen

Von 0 auf 100 binnen 6 Jahren: Bisher baut kein russischer Hersteller Belichtungsmaschinen für Halbleiter. Eine russische Uni träumt vom praktisch Unmöglichen.

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(Bild: Connect world/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Lobatschewski-Universität Nischni Nowgorod sorgt für Schlagzeilen. Sie will bis zum Jahr 2028 Lithografie-Systeme herstellen, die sich für Chip-Fertigungsprozesse der 7-Nanometer-Klasse eignen. Das soll der russischen Halbleiterindustrie einen Kickstart verpassen. Schon 2024 sollen Prototypen bereitstehen. Sollte das auch nur ansatzweise funktionieren, wäre das eine große Überraschung.

Auf der eigenen Webseite spricht die Universität von Lithografie-Systemen mit Röntgenstrahlungsquelle. Dahinter verbirgt sich ein Aufbau, der im Ansatz den Systemen des Weltmarktführers ASML mit extrem-ultravioletter (EUV-)Belichtungstechnik ähnelt: Ein Laser regt ein Xenon-Plasma an, das Licht beziehungsweise weiche Röntgenstrahlung mit einer Wellenlänge von 11,3 Nanometern erzeugt. Spezielle Spiegel und Linsen leiten das Licht durch eine Belichtungsmaske und zum Silizium-Wafer.

Die bisherigen EUV-Lithografie-Systeme von ASML nutzen eine Lichtquelle mit einer Wellenlänge von 13,5 nm. Bei der nächsten Generation mit hoher numerischer Apertur (High-NA EUV) erhöhen anamorphe Spiegeloptiken die Auflösung auf 8 nm – diese Belichtungsmaschinen sind ab der 2-nm-Fertigungsgeneration notwendig. Bislang gibt es keinen anderen Hersteller, der serientaugliche EUV-Lithografie-Systeme produziert. Der Preis eines EUV-Systems beläuft sich auf gut 180 Millionen Euro; ein High-NA-EUV-Belichter soll ab 2024/2025 mehr als 400 Millionen Euro kosten.

Ein Blick in ASMLs Twinscan-NXE:3400-System zeigt, wie komplex moderne Belichtungsmaschinen sind. Der violett gerenderte Bereich visualisiert den Verlauf der Lichtquelle.

(Bild: ASML)

Das Team der Lobatschewski-Universität Nischni Nowgorod gibt zu, dass die eigenen Systeme in Bezug auf die Belichtungsgeschwindigkeit niemals mit der Konkurrenz von ASML mithalten können werden. Die Planung sieht deutlich weniger komplexe Systeme vor, deren Geschwindigkeit aber für die russischen Bedürfnisse reichen soll. Die Rede ist von einem Laser mit einer Leistung "von mehr als 600 Watt". Zum Vergleich: ASML nutzt eine Kombination aus Laser und Verstärker, der die Leistung auf 40 Kilowatt anhebt.

Die russischen Lithografie-Systeme sollen deutlich simpler aufgebaut sein als jene von ASML. Ein vergleichsweise kleiner Laser und Plasmapartikel sollen die 11,3-nm-Lichtquelle erzeugen.

(Bild: Lobatschewski-Universität Nischni Nowgorod, übersetzt mit Google Lens)

Allein dieser Anregungslaser des deutschen Zulieferers Trumpf besteht aus 450.000 Teilen und wiegt 10 Tonnen. Auf eine solche Zulieferer-Expertise kann die russische Universität nicht zurückgreifen. Die notwendigen Optiken soll das Institut für Mikrostrukturphysik RAS (IPM RAS) beisteuern – zumindest derzeit erreichen dessen Spiegel offenbar aber nicht die notwendige Reinheit. Für ASML liefert einzig Zeiss passende Optiken.

ASML und dessen Partnerfirmen haben 20 Jahre Entwicklungszeit und rund 9 Milliarden Euro Forschungsgelder benötigt, um EUV-Belichter herzustellen, die sich für die Serienproduktion eignen. In den späten 90er-Jahren begann die Entwicklung; 2019 setzte der Chipauftragsfertiger TSMC die ersten EUV-Systeme bei seinem Prozess N7+ in Serie ein.

Die Lobatschewski-Universität Nischni Nowgorod will das alles nun in wenigen Jahren mit einem Bruchteil des Budgets schaffen. Dabei fängt das Team quasi bei null an, denn bisher baut Russland keinerlei Lithografie-Systeme. Wie unrealistisch das Unterfangen anmutet, zeigt ein Blick nach China: Trotz jahrelanger, teurer Bemühungen, die eigene Halbleiterindustrie unabhängig zu machen, kann das Land keine modernen Lithografie-Systeme herstellen.

Trotz enormer Einnahmen etwa aus dem Export von Energie und Rohstoffen hat es Russland bisher nicht geschafft, eine konkurrenzfähige Halbleiterfertigung aufzubauen. Die schon vor 13 Jahren gestarteten Anstrengungen zum Aufbau einer (schon damals angejahrten) 90-Nanometer-Fertigung scheinen nicht zum Erfolg geführt zu haben. Daher ist Russland nach Analysen des britischen Instituts RUSI sogar bei Waffensystemen auf importierte Chips angewiesen.

Auch Projekte wie die Entwicklung eigener ARM-Prozessoren scheiterten. Der Chipentwickler Baikal hat wegen westlicher Sanktionen keinen Zugriff mehr auf ARM-Lizenzen. Und die Firma T-Platforms, die an Baikal beteiligt war, wurde nach Informationen von Tom's Hardware insolvent. Zuvor war es Baikal und T-Platforms nicht gelungen, rechtzeitig eigene Prozessoren mit ARM-Technik für Server und PCs für staatliche russische Organisationen zu entwickeln.

(mma)