Boeing prüft offenbar Ausstieg aus dem Weltraumgeschäft

Boeings neuer Chef denkt über den Verkauf von großen Teilen Weltraumsparte nach, berichtet das Wall Street Journal. Auch andere Geschäftszweige sind betroffen.

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Starliner-Raumkapsel angedockt an ISS über der Erde

Sorgte zuletzt für Probleme: Boeings bemannte Raumsonde Starliner.

(Bild: NASA)

Lesezeit: 3 Min.

Nach einer Reihe von Problemen bei Boeing – wie jüngst dem Starliner-Debakel – dringen aus dem Konzern nun weitere Details über eine mögliche Neuaufstellung nach außen: Demnach sieht der neue Vorstandvorsitzende Kelly Ortberg den Verkauf der Weltraumsparte und zahlreicher anderer Geschäftszweige als Option. Das berichtet das Wall Street Journal unter Berufung auf mehrere anonyme Quellen und Äußerungen des Boeing-Chefs in einem Gespräch mit Analysten.

Das Unternehmen, dessen Technik auch die ersten Menschen auf den Mond brachte, sieht sich mit massiven Problemen konfrontiert. Boeing schreibt Verluste in Milliardenhöhe, Verteidigungs- und Raumfahrtprojekte verzögern sich und kosten teils deutlich mehr als geplant. Zuletzt machten erhebliche Qualitätsmängel beim Boeing Starliner Schlagzeilen, der bemannten Raumsonde, welche im Juni zwei NASA-Astronauten auf die Internationale Raumstation brachte, aber dann nicht wieder zurück. Grund dafür waren unter anderem Triebwerksprobleme und Heliumlecks. Elon Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX soll die beiden gestrandeten Astronauten mit einer Crew Dragon-Raumsonde im Februar zurückbringen – sie haben dann bereits acht Monate auf der ISS ausgeharrt anstatt der vorgesehenen sieben Tage.

Mit SpaceX und anderen privaten Raumfahrtunternehmen ist auch schon ein weiteres wesentliches Problem von Boeing im Weltraumsektor genannt – der Konkurrenzdruck auf das Unternehmen steigt, während sich Qualitätsmängel häufen. Zudem geht ein historisches Weltraum-Projekt zu Ende, an dem Boeing maßgeblich beteiligt war: Die ISS soll 2030 stillgelegt werden. Die NASA möchte bei der Nachfolge dann auf private Anbieter wie Blue Origin oder Voyager setzen. Die russische Raumfahrtbehörde will sich sogar schon 2028 aus der ISS zurückziehen.

Starliner und ISS sind auch die Bereiche des Weltraumgeschäfts, aus denen Boeing nun aussteigen will. Fraglich ist, ob das durch einen Verkauf möglich sein wird oder ob Boeing seine Aktivitäten hier schlichtweg einstellen würde. Darüber hinaus suchen Boeing und Lockheed Martin seit einem Jahr einen Käufer für United Launch Alliance, ein Joint Venture für Raketenstarts. Am Geschäft mit kommerziellen und militärischen Satelliten wird das Unternehmen wahrscheinlich festhalten, ebenso am Space Launch System.

Das Wall Street Journal beruft sich auf mehrere nicht näher benannte Insider und auf einige Äußerungen von Ortberg in einem Gespräch mit Analysten. Ortberg habe demnach gesagt, dass sich das Unternehmen künftig auf weniger Bereiche erfolgreich fokussieren sollte, anstatt auf viele mit wenig Erfolg. Laut dem Boeing-CEO stünden alle Geschäftszweige außer den beiden Kernbereichen – kommerzielle Luftfahrt und Verteidigung – auf dem Prüfstand. Die Frage sei jetzt, wie das Unternehmen in fünf und in zehn Jahren aussehen soll und inwiefern diese Zielvorstellungen einen Mehrwert schaffen.

Update

In einer früheren Fassung war vom Unternehmen, "dessen Raumsonde auch die ersten Menschen auf den Mond brachte" die Rede. Das wurde korrigiert in "das Unternehmen, dessen Technik auch die ersten Menschen auf den Mond brachte."

(nen)