Booking.com trennt sich von tausenden Mitarbeitern

Der Marktführer unter den Reiseportalen gibt seine Kundendienst-Callcenter an die Bertelsmann-Tochter Majorel ab. Die Mitarbeiter sind verunsichert.

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Call-Center

(Bild: dpa, Patrick Pleul)

Lesezeit: 5 Min.
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Der niederländische Reiseportalbetreiber Booking.com trennt sich in einer tiefgreifenden Umstrukturierung von tausenden Mitarbeitern im Kundendienst. Alle Support-Standorte außer Amsterdam und Manchester sollen vom luxemburgischen Callcenter-Riesen Majorel übernommen werden, der den Kundenservice von Booking.com bereits jetzt unterstützt. Davon sind laut Medienberichten bis zu 3000 Mitarbeiter betroffen, die von Majorel ein Übernahmeangebot erhalten sollen.

Es ist der zweite massive Einschnitt innerhalb von zwei Jahren. Die betroffenen Mitarbeiter sollen ab dem zweiten Quartal 2022 bei Majorel angestellt werden. Bei dem Dienstleister aus Luxemburg arbeiten bereits rund 2700 Mitarbeiter für den Kunden Booking.com. Eine Sprecherin von Booking.com bestätigte die Pläne gegenüber heise online, wollte zu Einzelheiten der Umstrukturierung aber keine weiteren Angaben machen.

Booking.com betreibt selbst bisher 14 Kundendienst-Center in Europa, Asien und Nordamerika, von denen zwölf nun an Majorel übergehen sollen. Darunter der spanische Standort in Barcelona, aber auch Callcenter in Litauen, Japan, Südkorea und Thailand. Die Mitarbeiter in Amsterdam und Manchester sollen künftig nur die komplizierteren Supportfälle bearbeiten, berichtet NL Times.

Ob auch Standorte in Deutschland betroffen sind, will Booking.com bisher nicht beantworten. Das Unternehmen hat seinen Support in zwei Bereiche gegliedert, einen für die Partner im Gastgewerbe, die Übernachtungsmöglichkeiten anbieten, und einen für die Gäste, die über Booking.com buchen. Letzterer ist jetzt von der Auslagerung der Callcenter betroffen. In Deutschland hat Booking.com Standorte unter anderem in Berlin und München, die aber überwiegend Support für die Partner leisten.

Der eigene Kundendienst war lange eine tragende Säule des Unternehmens. "Die Philosophie von Booking.com ist, den Kundendienst nicht nur als Kostenfaktor zu betrachten, wie es üblicherweise der Fall ist", erklärte Paul Downham, der als Vice President CS für die Support-Sparte zuständig ist, noch im August 2019. Offenbar hat das Unternehmen inzwischen einen philosophischen Wandel vollzogen. Jetzt ist die "Zusammenarbeit mit Majorel und seiner branchenweit einzigartigen Kundendiensterfahrung der beste Weg", bekräftigt Downham.

Die Mitarbeiter selbst haben die Nachricht in der vergangenen Woche von CEO Glenn Fogel in einer Videobotschaft überbracht bekommen, von der Ausschnitte im Netz kursieren. Der eigene Kundendienst habe zwar "lange gut funktioniert", erklärte Fogel, doch könne das Unternehmen mit der Auslagerung der Mitarbeiter an einen Dienstleister flexibler auf die saisonalen Schwankungen bei Kundennachfragen reagieren.

Betroffene Mitarbeiter sind verunsichert, ob sie bei der Übernahme ihren Status etwa als langjährige, erfahrene Agents verlieren. In verschiedenen Foren warnen sie, dass der Schritt zu mehr unzufriedenen Kunden führen dürfte. Einigen Betroffenen wurden nach eigenen Angaben offenbar auch Abfindungsangebote gemacht. Laut niederländischen Medien bietet Majorel den zu übernehmenden Mitarbeitern nur Verträge über sechs Monate an und will nach einem halben Jahr die Profitabilität der einzelnen Standorte überprüfen.

Majorel ist ein 2019 gegründetes Joint Venture von Bertelsmann und der marokkanischen Saham Group, in das beide Partner ihr Callcenter-Geschäft eingebracht haben. So gehören jetzt auch die früher bei Arvato angesiedelten Callcenter zu Majorel, die in Deutschland etwa die Inhaltekontrolle für Facebook übernehmen. Das Unternehmen zählt weltweit fast 67.000 Mitarbeiter. Auf eine Anfrage von heise online hat Majorel nicht reagiert.

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In der vergangenen Woche hatte das Unternehmen die "strategische Partnerschaft" mit Booking.com angekündigt und die Übernahme der zwölf Callcenter bestätigt. "Das zahlt auch auf unser strategisches Ziel ein, unsere geografische Präsenz in neue Länder auszudehnen", sagte Majorel-CEO Thomas Mackenbrock. Die Übernahme der Callcenter steht noch unter Vorbehalt der behördlichen Genehmigung und unterliegt auch der betrieblichen Mitbestimmung, soll aber im zweiten Quartal über die Bühne gehen.

Booking.com mit Hauptsitz in Amsterdam gehört neben anderen Portalen wie Priceline, Kayak oder Momondo zur US-Gruppe Booking Holdings und ist der Hauptumsatzbringer im Konzern. Wie die gesamte Reisebranche trifft die Coronavirus-Pandemie auch Booking.com hart. Ende 2020 hatte das Unternehmen bereits rund ein Viertel seiner damals knapp 20.000 Mitarbeiter entlassen. Der Umsatz der Gruppe war 2020 von rund 15 Milliarden US-Dollar (2019) auf 6,8 Milliarden US-Dollar eingebrochen. Das Ergebnis für 2021 legt das Unternehmen in der kommenden Woche vor.

Im vergangenen Jahr war Booking.com heftig kritisiert worden, weil es seinen Führungskräften Bonuszahlungen von insgesamt 28 Millionen Euro gewährt hatte, obwohl es zuvor rund 100 Millionen Euro staatliche Unterstützung für die Pandemie erhalten hatte. Weil davon allein knapp 65 Millionen Euro von der niederländischen Regierung kamen, befasste sich auch das Parlament mit der Affäre. Booking.com hatte daraufhin angekündigt, sämtliche staatliche Unterstützung zurückzuzahlen.

(vbr)