Boomende Downloads könnten Musikbranche retten

Britische Marktforscher schätzen, dass Musik-Downloads das Siechtum der Musikindustrie bis 2010 lindern könnten. Doch müsste die Branche umdenken, mit dem Finger auf Filesharer zu zeigen, sei zu einfach.

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Die enorm wachsende Beliebtheit legaler Musik-Downloads soll den Abwärtstrend der Musikindustrie in Europa langfristig stoppen können. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie britischer Medienmarktforscher. Bis 2010 soll online konsumierte Musik den Rückgang bei klassischen Medien wie der CD ausgleichen können.

Nach der neuen Analyse der Marktforscher von Screen Digest wird sich der online erzielte Umsatz mit Musik von 121 Millionen Euro im Jahr 2005 bis Ende 2006 auf 280 Millionen Euro mehr als verdoppeln. Nach Erwartung der Analysten soll das Marktvolumen von Online-Musik in Europa bis Ende 2010 auf über eine Milliarde Euro wachsen. Ursache für das explosive Wachstum seien die zunehmende Verbreitung von Breitband-Internetzugängen und die wachsende Beliebtheit tragbarer Musikplayer. Hätten 2004 nur zwei Prozent der Europäer ein mobiles Abspielgerät besessen, würden inzwischen bereits sieben Prozent insgesamt 29 Millionen Geräte nutzen. Bis 2010 sollen in Europa insgesamt 80 Millionen Player über die Ladentischen gegangen sein.

Trotz der positiven Entwicklung auf dem Onlinemarkt seien die Aussichten für die Branche insgesamt weniger rosig. Der europäische Musikmarkt sei seit 2001 um 22 Prozent eingebrochen und werde bis 2010 weiter abbauen. Erst dann dürfte der Onlinesektor in der Lage sein, den Rückgang bei klassischen Medien abzufangen. "Online-Musik boomt", erklärte Screen Digest Analyst Dan Cryan, "doch werden Onlineverkäufe alleine den Rückgang des Musikabsatzes nicht aufhalten können". Jetzt sei es an der Musikindustrie, neue Vertriebswege jenseits der klassischen Album/Single-Schiene zu nutzen. Die Branche müsse den Verkauf ihrer Produkte breiter aufstellen und dabei auf Mobil- und Online-Kanäle setzen. "Mit der richtigen Strategie könnte das Schlimmste bis 2010 vorbei sein."

Die Ursachen für den Einbruch des Musikmarktes möchte Screen Digest nicht allein an illegalen Downloads festgemacht wissen. Es sei leicht, mit dem Finger auf die Musikpiraterie zu zeigen, erklärten die Marktforscher. Die Industrie müsse ihre Perspektive erweitern, um den Wandel im Verhalten der Verbraucher besser zu verstehen und darauf reagieren zu können. Daten des internationalen Verbandes der Musikindustrie (IFPI) würden einen Rückgang des Piraterie-Problems nahelegen, die Anzahl der in Filesharing-Netzwerken erhältlichen Titel sei von 1,1 Milliarden (2003) auf 885 Millionen (2005) zurückgegangen. Dagegen sehen die Analysten einen Zusammenhang mit dem Rückgang der Verkaufsflächen bei großen Handelsketten, die der DVD zunehmend mehr Platz einräumen. Screen Digest vermutet, dass der gleichzeitige Boom der DVD weniger ein Zufall, sondern vielmehr eine Ursache des siechenden Musikmarktes sei. (vbr)