Brainshare: Die Ungleichzeitigkeit des Seins

Novell demonstrierte, dass die Firma auf ihrem Weg zu einer Linux-Firma nach vier Jahren wieder etwas weitergekommen ist. Allerdings könnten die Geschäfte nach dem diesjährigen Motto "Open for Growth" ruhig schneller wachsen.

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Von
  • Detlef Borchers

Der Beginn war verschneit, der Schluss ist frühlingshaft sonnig: Die jährlich in Salt Lake City stattfindende Novell-Hausmesse Brainshare geht derzeit ihrem Ende entgegen. Gastgeber Novell demonstrierte, dass die Firma auf ihrem Weg zu einer Linux-Firma nach vier Jahren wieder etwas weitergekommen ist. Allerdings könnten die Geschäfte nach dem diesjährigen Motto "Open for Growth" ruhig schneller wachsen. Gleichzeitig musste Novell auf der Anwenderkonferenz heftige Kritik hinnehmen, dass der Support alter Netware-Installationen gefährlich vernachlässigt werde. Eine Kritik, die vor allem von den europäischen Besuchern der Brainshare laut und deutlich geäußert wurde.

In den USA und einigen europäischen Ländern wie Finnland hat der Aufschwung eingesetzt. Firmen investieren hier wieder in die IT, setzen dabei aber bei Servern, Betriebssystemen und Support auf die Linux-Karte und das Linux-Ökosystem, das Novell bietet. Es ist vergleichsweise günstiger und kettet die Firma nicht an einen einzigen Anbieter. So konnte Novell zur Brainshare verkünden, dass sich das finnische Verteidigungsministerium entschieden hat, seine IT-Infrastuktur einschließlich der Notes-Lösung für alle Angehörigen auf der Basis von Suse Enterprise Linux zu standardisieren.

Im übrigen Europa sieht es etwas anders aus. Hier hat der Aufschwung noch nicht begonnen oder nur zögerlich eingesetzt. Also muss extrem knapp kalkuliert werden. Netware-Server, die früher alle drei Jahre ausgetauscht wurden, laufen heute sieben Jahre und länger. "In der derzeitigen Situation sind alle IT-Investitionen bei uns eingefroren", erklärte ein Techniker einer Gütersloher Firma, der 48 Netware-Server zu kontrollieren hat. Und das, obwohl die Firma zusammen mit Microsoft bereits im letzten Jahr eine Pressemitteilung veröffentlichte, dass man erfolgreich in die .NET-Welt von Microsoft migriert sei. Entsprechend unmutig werden die Techniker, wenn Novell den notwendigen Netware-Support lax mit der Virtualisierungslösung Xen wegerklären möchte, wie dies Novell-Chef Jack Messman in seiner Eröffnungsrede tat. "Die Virtualisierung auf nagelneuen Superservern klingt toll, hilft mir aber keinen Deut bei der alten Technik."

Gerade in der Frage, wer wie wohin migriert, hatte es auf der Brainshare 2006 wieder einmal eine heftige Debatte gegeben. Während aus Finnland frohe Nachrichten kamen, veröffentlichte Microsoft eine Studie, nach der unter der so genannten "Mid-market Netware Migration Promotion" 3,3 Millionen Netware-Kunden zu Microsoft gewechselt seien. Diese Zahlen wurden unter Berufung auf den Microsoft-Partner Quest Software veröffentlicht. Dieser hatte bereits zur letzten Brainshare im März 2005 verkündet, 1,5 Millionen Netware-Installationen nach Windows überführt zu haben. Damals versprach Quest Software eine überprüfbare Aufschlüsselung der Zahlen, die aber nie geliefert wurde.

Abseits der Zahlenspiele ist die Novell-Welt jedoch noch in Ordnung: Selbst die Kritiker und Netware-Fans wollen nicht zu Microsoft wechseln und haben Geduld mit Novell. "Microsoft hat zehn Jahre gebraucht, ehe mit Windows XP der Wechsel weg von der DOS-Klitsche geschafft war. Warum sollte es bei Novell schneller gehen?", bemerkte ein Consultant, der in Nordrhein-Westfalen zwei Dutzend große Netzwerkinstallationen betreut. "Mit dem Mono-Projekt bietet Novell auf jeden Fall die bessere Technik".

Mit neuen oder erweiterten Produkten versucht Novell, Firmen für das eigene Ökosystem zu gewinnen. "Wer scharf kalkuliert und zu x-beliebigen Linux-Distributionen greift, der sieht gar nicht die Vielfalt an Lösungen, die wir bereithalten", erklärte Vizepräsident Kent Erickson, bei Novell für den Bereich "Identity & Resource-Management" zuständig, im Gespräch mit heise online. Zu den Highlights zählt für Erickson der neue Identity Manager Version 3 mit einer hübschen grafischen Oberfläche, die ein "Provisioning Modul" und ein Audit-Modul steuert. Firmen, die ihre Arbeit gemäß dem Sarbanes Oxley Act dokumentieren müssen, bekommen vorgefertigte rollenbasierte Logins für den Auditor, der die durch das Provisioning bereitgestellten Dokumente und die Mail-Kommunikation der Mitarbeiter sichten kann, aber sonst nichts.

Das rollenbasierten Provisioning setzt nicht nur fest, wer auf welche Dateien zugreifen kann, sondern erfasst auch die externen Geräte wie Mobiltelefon und Laptop. Zusammen mit dem Storage Manager 2.0 wird auch der Speicherplatz der Anwender überwacht und gesichert. Enthält die Rollenbeschreibung beispielsweise den Ausschluss von MP3-Dateien, so können Mitarbeiter weder auf dem Mobiltelefon noch auf dem Laptop, noch in ihrem Home Directory solche Dateien speichern. Mit Lösungen dieser Art will Novell vor allem im Verwaltungsbereich und bei den Universitäten punkten.

Zu Novells Brainshare 2006 siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)