Brexit: Britische Unternehmen bekommen erste Folgen zu spĂĽren
Der Ausstieg GroĂźbritanniens aus dem Binnenmarkt und der Zollunion macht Firmen mehr zu schaffen, als es die positiven Ă„uĂźerungen des Premiers erhoffen lieĂźen.
Gut eine Woche nach dem Austritt Großbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion zum Jahreswechsel machen sich die Folgen beim Warenverkehr bemerkbar. Probleme gibt es vor allem für Exporteure von Fisch- und Meeresfrüchten, die für ihre Waren nun aufwendige Erklärungen für Bestimmungen über Zölle und Lebensmittelsicherheit ausfüllen müssen. Befürchtet wird, dass Verzögerungen bei der Lieferung der verderblichen Ware, die größtenteils für den Kontinent bestimmt ist, das Geschäft ruinieren.
Corona + Brexit = der perfekte Sturm
Der britische Premierminister Boris Johnson hatte nach dem Abschluss des nach seinen Worten "fantastischen" Handelspakts mit der EU versprochen, es werde keinerlei Handelshemmnisse geben. Das Exportunternehmen SB Fish meldete am Donnerstag, sein Betrieb sei zum Erliegen gekommen. Die Chefin des Verbands Seafood Scotland, Donna Fordyce, sprach von einem "perfekten Sturm" aus Folgen der Corona-Pandemie und dem Brexit fĂĽr die Branche. Viele Unternehmen seien nicht in der Lage, die erforderlichen Unterlagen auszufĂĽllen.
Hinzu kämen Probleme bei den IT-Systemen und Verwirrung über die neuen Regelungen. "Wir könnten innerhalb sehr kurzer Zeit die Zerstörung einer jahrhundertealten Branche sehen, die einen erheblichen Teil der schottischen Wirtschaft ausmacht", sagte Fordyce der britischen Nachrichtenagentur PA.
Erhöhte Zollbürokratie
Auch der Paket-Dienstleister DPD zog am Freitag Konsequenzen und stellte Lieferungen von Großbritannien auf den europäischen Kontinent und nach Irland vorübergehend ein. Grund sei die erhöhte Belastung durch die erforderliche Zollbürokratie, wie das Unternehmen auf seiner Webseite mitteilte. 20 Prozent der Pakete wurden demnach ohne ausreichende Zollerklärung abgesendet und müssten an die Absender zurückgeschickt werden.
Schwierigkeiten gibt es auch für die Textileinzelhändler, deren Waren häufig in Asien hergestellt werden. Dem an Heiligabend vereinbarten Handelspakt zufolge fallen für Kleider und Accessoires, die beispielsweise aus Bangladesch oder Kambodscha stammen, nun Zölle an, sollten sie von Großbritannien aus auf die irische Insel oder den Kontinent geliefert werden. Die neuen Regeln betreffen außer dem EU-Mitglied Irland auch das zum Vereinigten Königreich gehörende Nordirland.
Nur Waren, die in GroĂźbritannien weiterverarbeitet oder veredelt wurden, dĂĽrfen zollfrei ins EU-Zollgebiet eingefĂĽhrt werden. Die Regeln dazu sind komplex und von Warengruppe zu Warengruppe unterschiedlich.
Unsicherheiten bezĂĽglich der Bestimmungen
Die Unternehmen John Lewis und TKMaxx stellten Lieferungen nach Nordirland vorĂĽbergehend ein. Das Warenhaus Debenhams nahm seinen Online-Shop fĂĽr Irland vom Netz. "Es tut uns leid, aber wir sind derzeit nicht in der Lage, Bestellungen von der Republik Irland auszuliefern wegen Unsicherheit ĂĽber die Handelsbestimmungen nach dem Brexit", hieĂź es zur BegrĂĽndung.
Auch der Lebensmittelhandel in Nordirland hat mit den Änderungen zu kämpfen. "Die Menschen hier beschweren sich über leere Regale in den Supermärkten", sagte die nordirische Konfliktforscherin und Brexit-Expertin Katy Hayward von der Queen's University Belfast der Deutschen Presse-Agentur. Insbesondere bei frischen Produkten komme es zu Störungen der Lieferketten. Unternehmen seien unsicher, welche Formulare bei der Einfuhr notwendig sind. "Viele merken, dass sie nicht vorbereitet sind", so Hayward. Das sei nicht überraschend – normalerweise brauche es Jahre, um solche aufwendigen Veränderungen umzusetzen. Viele Firmen verschieben daher ihre Fahrten, was sich bei frischen Produkten als erstes bemerkbar macht.
Spezielle Regeln fĂĽr Nordirland
Nach dem Brexit gelten für Nordirland spezielle Regeln, die im sogenannten Nordirland-Protokoll festgehalten sind. Damit wird eine harte EU-Außengrenze zwischen Irland und Nordirland vermieden, da durch eine solche das Aufflammen alter Konflikte in Nordirland befürchtet wird. Die Provinz ist damit enger an die EU gebunden als der Rest des Königreichs und folgt weiter den Regeln des EU-Binnenmarkts. Bei der Einfuhr von Waren aus Großbritannien nach Nordirland sind daher seit dem 1. Januar Zoll- und Zertifikatskontrollen fällig. Die entsprechenden Vorgaben sind jedoch erst knapp vor dem Jahreswechsel veröffentlicht worden.
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(kbe)