Brüssel führt öffentliche Konsultation zu Vergütungspauschalen durch

Die EU-Kommission hat die umkämpfte Reform der Urheberrechtsabgaben in ihr Arbeitsprogramm 2006 aufgenommen und will wissen, ob die Betroffenen einen Wechsel zur individuellen Vergütung über DRM bevorzugen.

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Die EU-Kommission hat die Reform der Urhebervergütung für Privatkopien in ihr Arbeitsprogramm 2006 (PDF-Datei) aufgenommen. Bevor sie sich konkret ans Werk macht, will sie von allen Betroffenen im Rahmen einer öffentlichen Konsultation bis zum 14. Juli wissen, ob die Weichen für einen Wechsel weg von der pauschalen Abrechnung und hin zur individuellen Vergütung über Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) gestellt werden sollen. Mit der Abgabe wird momentan das Recht vergütet, im gesetzlichen Rahmen etwa Musik, Texte oder Bilder für private Zwecke zu kopieren.

Die Brüsseler Behörde scheint sich ihre Meinung schon gebildet zu haben. So zeigt sie sich in ihrer Aufgabenstellung besorgt, "dass Urheberrechtsabgaben auf digitale Geräte und Medien ohne sorgfältige Prüfung des Einflusses neuer Technologien und Ausrüstung übertragen werden". Schon im Oktober 2004 hatte die Kommission die Mitgliedsstaaten zum Umfang bestehender Einschränkungen der Verwertungsrechte zugunsten der Privatkopie und zu den existierenden Vergütungssystemen befragt. Die Antworten der Mitgliedsstaaten waren im März 2005 fällig. Wo dies relevant war, wurden die Mitgliedsstaaten gebeten, ihre Antworten zu aktualisieren und bis Januar 2006 erneut zu übermitteln. Einen Großteil der eingegangenen Stellungnahmen hat die Kommission im Internet veröffentlicht. Mit der Öffnung der Konsultation möchte sie nun sicher stellen, dass ihre späteren Vorschläge "technisch machbar, in der Praxis anwendbar und auf der Grundlage eines empirischen Ansatzes erstellt worden sind."

Auch im Fragebogen lässt die Kommission immer wieder durchblicken, dass sie das Pauschalsystem für veraltet hält und den Binnenmarkt durch unterschiedliche nationale Bestimmungen behindert sieht. "Prinzipiell hat die Digitalisierung Rechtehalter dazu ermächtigt, die Lizenzierung ihrer Werke zu kontrollieren, und so die Einsammlung und Verteilung von Vergütungen in einen Prozess der individuellen elektronischen Bezahlung verwandelt", schwärmt die Brüsseler Behörde von Abrechnungsmöglichkeiten per DRM. Solche Kopierschutzsysteme würden einen festen Platz in den Geräten der Verbraucher erobern, etwa in Mobiltelefonen oder über Musik-Downloads. Erst am Ende des Dokuments erwähnt die Kommission, dass Konsumenten beim Einsatz von DRM Übertragungsmöglichkeiten ihrer gekauften Werke auf unterschiedliche Abspielgeräte vermissen und dass Hersteller versuchen, Wettbewerber mit Hilfe der Kontrolltechnik auszusperren.

Pauschale Urheberrechtsvergütungen könnten dagegen "nicht den tatsächlichen Schaden quantifizieren, der auf Privatkopien zurückzuführen ist", lautet die weitere Einschätzung. Urheberrechtsabgaben seien daher ein "unpräzises Werkzeug", um "wirtschaftliche Einbußen" der Rechtehalter zu kompensieren. Die genaue Nutzung digitaler Kopiergeräte fürs private Kopieren werde nicht erfasst, die Berechnung der Gebühren hänge an "schwer zu rechtfertigenden" Variablen. Zudem verweist die Kommission darauf, dass einzelne Länder Festplatten, PCs oder "sogar Drucker" mit Urheberrechtsabgaben belegen, während andere nicht einmal eine pauschale Vergütung für Leermedien vorsehen. Zugleich wundert sie sich darüber, dass Verbände der Verwertungsgesellschaften und der Computerindustrie bei ihren Zahlen über eingenommene Urheberabgaben auf Unterschiede in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro kommen.

Die Reform der Urheberrechtsabgaben hat sich in Brüssel bereits zum Lobby-Schlachtfeld entwickelt. Die Geräteindustrie hat sich im April zur Copyright Levies Reform Alliance (CLRA) zusammengeschlossen, die Pauschalabgaben vehement ablehnt. Ganz anderer Ansicht sind AEPO-ARTIS, ein internationaler Verbund von Verwertungsgesellschaften, die International Federation of Actors (FIA) und die International Federation of Musicians (FIM). Gemeinsam haben die Organisationen jüngst erklärt, dass "jede Einschränkung" des bestehenden Vergütungsschemas den gesamten kreativen Sektor schädige. Die Urheberabgabe unterstütze den kulturellen Bereich "signifikant" und stelle ein "flexibles System" dar, "weil es Freiheiten für die Verbraucher und legitime Einkommen für die Rechtehalter kombiniert". DRM-Systeme seien dagegen nur für deren Produzenten und Verkäufer profitabel. Sie würden die Verfügbarkeit künstlerischer Werke einschränken und Nutzerrechte attackieren.

Der Streit um die künftige Erhebung von Vergütungspauschalen ist auch hierzulande voll entbrannt. Verwertungsgesellschaften, Autorenverbände und Vertreter der Medienwirtschaft beklagen, dass mit der im Regierungsentwurf für die zweite Stufe der Urheberrechtsreform vorgesehenen fünfprozentigen Deckelung der Urheberabgabe und dem erforderlichen genaueren Nachweis der Gerätenutzung für Privatkopien eine "Enteignung" der Kreativen einhergehe. Der Branchenverband Bitkom moniert dagegen, dass die eingeleitete Umstellung auf DRM halbherzig verfolgt werde. Zudem wirft er dem Aktionsbündnis der Kreativen und Verleger Panikmache vor. (Stefan Krempl) / (pmz)