Bundeskanzler Schröder im Streit um Telekom-Chef Sommer unter Beschuss

Mitglieder des Telekom-Aufsichtsrats, 18.000 Mitarbeiter des Unternehmens sowie Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber griffen den Regierungschef am Freitag wegen angeblicher Einflussnahme an.

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  • dpa
Bundeskanzler Gerhard Schröder gerät wegen der möglichen Ablösung von Telekom-Chef Ron Sommer immer stärker unter Beschuss. Mitglieder des Telekom-Aufsichtsrats, 18.000 Mitarbeiter des Unternehmens sowie Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber griffen den Regierungschef am Freitag wegen angeblicher Einflussnahme an. Schröder wies den Vorwurf, hinter den Kulissen einen Nachfolger für Sommer zu suchen, strikt zurück. Zwar drehte sich das Kandidatenkarussell weiter, doch Aufsichtsratsmitglieder versicherten, bisher stehe kein neuer Manager für die Aufgabe bereit.
Schröder verwies auf die alleinige Zuständigkeit des Aufsichtsrats. "Alle Spekulationen über Namen, die da genannt worden sind, und über Beziehungen, die ich zu Namen hätte, sind wirklich Spekulationen und haben keine sachliche Grundlage. Ich treffe überhaupt keine Entscheidungen in dieser Frage", sagte der Kanzler am Freitag in Hannover. "Und natürlich ist es so, dass ein Vorstand das Vertrauen seines Aufsichtsrates braucht. Ob er das hat, muss geklärt werden."
Schröder ist laut informierten Kreisen in Berlin auf der Suche nach einem geeigneten Nachfolger für Sommer an der Spitze von Europas größtem Telekommunikationskonzern.
Verärgert zeigte sich der Aufsichtsrats-Vize Rüdiger Schulze über die Haltung der Politik. Niemand habe Sommer bisher ein Fehlverhalten an der Spitze der Telekom nachweisen können, sagte Schulze im ZDF-Morgenmagazin. Daher gebe es keine Veranlassung, "die Telekom in eine völlig neue Situation zu stecken". Nach seinen Angaben gibt es noch keinen Kandidaten für eine mögliche Sommer-Nachfolge.
Schulze sagte, Manfred Overhaus Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, habe in einer Präsidiumssitzung bestätigt, "dass das, was durch Informationen in die Medien gekommen ist, in Übereinstimmung mit dem Finanzminister und dem Bundeskanzler geschieht". Overhaus habe auch gefordert, "dass die Ablösung Ron Sommers vorgenommen werden soll".
Am Freitag wurde Telekom-Vorstand Gerd Tenzer als angeblicher Kandidat ins Spiel gebracht. Der zuvor schon gehandelte TUI-Chef Michael Frenzel ließ ein Interesse -- wie schon zuvor DaimlerChrysler-Manager Klaus Mangold -- offiziell dementieren. Der Nachrichtensender n-tv hatte zunächst berichtet, Tenzer, zuständig für Technik und Produktion, solle mit Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick übergangsweise eine Doppelspitze nach der Ablösung Sommers bilden. Kurz darauf hieß es jedoch, Eick lehne dies ab. Damit sei Tenzer der wahrscheinliche Kandidat für eine Übergangslösung, berichtete n-tv weiter.
Unionskanzlerkandidat Stoiber kritisierte die Hektik, mit der personelle Konsequenzen diskutiert würden. Das schade dem internationalen Ansehen des Konzerns. Schröder habe in Sachen Telekom längst seinen Anspruch als "Verfechter der sozialen Gerechtigkeit" verwirkt.
Die politische Einmischung füge dem Unternehmen Schaden zu, sagte Schulze weiter. "Dann sollte die Regierung konsequent sein, (...) dann sollen sie Ministerialbeamte einsetzen. Dann haben sie wieder die alte Behörde nach dem alten Strickmuster. Wenn sie das nicht wollen, dann sollen sie sich gefälligst raushalten", so Schulze.
Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums Jörg Müller betonte, die Bundesregierung habe im Aufsichtsrat ihre Position beschrieben und werde dies auch künftig nur dort tun. "Wir kommen unserer Treuepflicht dem Unternehmen gegenüber als Anteilseigner und Aufsichtsratsmitglied nach", sagte Müller. Schröder sagte, für die Telekom sei ausschließlich das Finanzministerium und nicht das Kanzleramt zuständig.
Die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat wollen sich vor der Sondersitzung am kommenden Dienstag zur Zukunft Sommers auf eine gemeinsame Linie verständigen. n-tv berichtete, die zehn Arbeitnehmervertreter im 20-köpfigen Aufsichtsrat seien sich einig, nur einer internen Lösung zuzustimmen.
In überregionalen Tageszeitungen erschien ein von rund 18.000 Telekom-Mitarbeitern unterzeichneter offener Brief "an die politisch Verantwortlichen". Darin wird die Sorge geäußert, die Telekom werde als "politischer Spielball" missbraucht. Sommer und der Vorstand werden mit keinem Wort erwähnt. Die Unterzeichner verteidigen die Telekom-Strategie mit den von Politikern und Aktionären kritisierten Milliarden-Investitionen. Nach dpa-Informationen wurden die Anzeigen von der Telekom finanziert. In Unternehmenskreisen hieß es am Freitag, alle Vorstände hätten den Kurs des Vorstandsvorsitzenden mitgetragen. Bei einer Telefonkonferenz hatte sich der Vorstand am Vortag hinter Sommer gestellt.
Die T-Aktie legte bis Freitagnachmittag weiter um 5,3 Prozent auf 12,23 Euro zu. Positiven Effekt dürfte die vorgezogene Bekanntgabe vorläufiger Zahlen, nach denen die Telekom das operative Ergebnis gegenüber dem Vorjahr gesteigert haben soll.
(dpa) /