Bundesrat gibt "digitale Dividende" für Breitbandausbau frei
Im zweiten Anlauf hat die Länderkammer die Umwidmung des bisher vom analogen terrestrischen Fernsehen genutzten Spektrums abgenickt, nachdem sich Bund und Länder in der Frage der Migrationskosten auf einen Kompromiss geeinigt haben.
Der Bundesrat hat am heutigen Freitag der sogenannten "Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung" zugestimmt und damit Frequenzen aus dem bisher von analogen TV-Sendern besetzten Spektrum zur Nutzung für Breitbandanwendungen freigegeben. Die ursprünglich für die Bundesratssitzung Mitte Mai vorgesehene Verabschiedung war vertagt worden, weil die Länder die Kosten für die Umwidmung der Frequenzen nicht alleine tragen wollten. Nachdem es darüber mit dem Bund eine Einigung gegeben hat, machte die Länderkammer den Weg in der heutigen Sitzung frei.
Die Frequenzen im Bereich von 790 MHz bis 862 MHz wurden früher von TV-Sendern für die terrestrische Ausstrahlung analoger Fernsehsignale genutzt. Das Spektrum wird im Zuge der Digitalisierung der terrestrischen Fernsehausstrahlung von den Sendern nicht mehr benötigt. Nun sollen die "digitale Dividende" genannten Frequenzen möglichst bald für breitbandige Internetzugänge eingesetzt werden. Damit kommen allerdings die bisherigen Sekundärnutzer unter die Räder: In den Lücken zwischen den TV-Kanälen funkten bisher die Veranstaltungstechniker. Was mit zahlreichen Funkmikrofonen und anderer drahtloser Bühnentechnik passieren soll, ist noch unklar.
Die Bundesregierung will bis Ende 2010 schnelle Internetzugänge in ganz Deutschland ermöglichen. Bis 2014 sollen drei Viertel der Bundesbürger über besonders leistungsfähige Verbindungen von mindestens fünf Megabit pro Sekunde ins Internet gehen können. Dabei setzt Berlin insbesondere auf die ehemaligen TV-Frequenzen, die bei hoher Reichweite besonders effektive Funkzugänge ermöglichen. Die Telco-Branche reklamiert das begehrten Spektrum für sich und verspricht, Breitband endlich auch aufs platte Land zu bringen – und das schon im kommenden Jahr.
Die Frequenzen will die Bundesnetzagentur zusammen mit der bereits geplanten Versteigerung von Spektrum im 1,8- und 2,6-GHz-Bereich vergeben, um das Verfahren zu beschleunigen. Der Bundesrat geht davon aus, dass dabei Erlöse für den Bund erzielt werden. Der federführende Wirtschaftsausschuss und der Kulturausschuss der Länderkammer empfehlen, diese Erlöse auch zur Kompensation der Migrationskosten einzusetzen. Die nötige Umstellung der Veranstaltungstechnik auf neue Frequenzen belastet die Länder: Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sind ebenso betroffen wie etwa die Landesbühnen.
Die Branche begrüßte die Entscheidung der Länderkammer. "Der Weg führt in die richtige Richtung", erklärte Tobias Stadler, beim Bitkom-Verband für Telekommunikationspolitik zuständig, gegenüber heise online. Der Verband rechnet mit ersten Anschlüssen auf den Frequenzen "im Idealfall" Mitte kommenden Jahres. Auch der Verband der alternativen Telekommunikationsanbieter (VATM) spricht von einer "wichtigen Etappe auf dem Weg zur bundesweiten Breitbandversorgung" und einem "unverzichtbaren Baustein der Breitbandstrategie der Bundesregierung".
"Die neuen Frequenzen allein machen noch kein Breitband in der Fläche", versucht dagegen Harald Summa vom eco-Verband die Euphorie zu bremsen. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft ist skeptisch und warnt vor dem Irrglauben, mit der digitalen Dividende seien die Breitbandprobleme auf dem Land gelöst. eco fordert Auflagen für die Nutznießer der Frequenzen und Rahmenbedingungen, die für funktionierenden Wettbewerb sorgen. "Wer die Digitale Dividende nutzen darf, muss entsprechende Leistung bringen und die vorhandenen Lücken in der Versorgung tatsächlich schließen", meint Klaus Landefeld, der im eco-Vorstand für Infrastruktur und Netze zuständig ist. (vbr)