Bundestag: Rückbau der Atomkraftwerke wird nicht gestoppt
Die drei zuletzt abgeschalteten AKW sollten nicht rückgebaut werden, bevor eine neue Regierung gewählt ist. Gegen diesen Antrag der Union stimmte der Bundestag.
Knapp ein Jahr, nachdem in Deutschland die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet wurden, hat der Deutsche Bundestag einen Antrag von CDU/CSU abgelehnt, den Rückbau der AKW zu stoppen. Die Koalitionsfraktionen und die Gruppe der Linken stimmten gegen den Antrag, CDU/CSU und AfD dafür.
Am 15. April 2023 wurden als letzte drei deutsche AKW "Isar 2", "Neckarwestheim 2" sowie "Emsland" abgeschaltet. Sie erzeugten zusammen eine Leistung von 4,3 GW. Diese Entscheidung der Bundesregierung hält die CDU/CSU-Bundestagsfraktion weiterhin für einen Fehler. Sie forderte daher eine Weisung des Bundes, die drei zuletzt abgeschalteten AKW mit einem Rückbau-Moratorium zu belegen, bis eine neu gewählte Bundesregierung "im Lichte der dann gegebenen Lage" über eine Wiederinbetriebnahme entscheiden könne.
Während der Bundestagsdebatte zu dem Antrag am Mittwoch erklärte Steffen Bilger (CDU), die Strompreise blieben zu hoch, ebenso die Abhängigkeit vom Ausland. Die Abschaltung sei schädlich für das Klima und Deutschland verhalte sich unsolidarisch gegenüber seinen Nachbarn. Im Gegensatz dazu hätten sich 30 Staaten verpflichtet, die Atomkraft auszubauen. Bilgers Fraktionskollege Andreas Lenz ergänzte, Deutschland habe 2023 erstmals nach langer Zeit mehr Strom importiert als exportiert. Ein Argument, das sein Fraktionskollege Thomas Jarzombek aufgriff. Es sei fraglich, wo allein von der Fläche her die benötigten Erneuerbaren Energien installiert werden könnten.
"Fusionstechnologie fördern"
Ein Weiterbetrieb der AKW würde zu einer besseren Versorgungssicherheit beitragen, zu einer höheren Wettbewerbsfähigkeit durch günstigere Strompreise, er könne Industriearbeitsplätze erhalten und einen effektiven Klimaschutz gewährleisten, meinen CDU/CSU in ihrem Antrag. Die Fraktion forderte zudem die Bundesregierung auf, die Fusionstechnologie zu fördern und damit eine neue Industrie aufzubauen. Fusionskraftwerke wiesen nicht mehr das Risiko der Kettenreaktion auf und produzierten keinen lange strahlendem Atommüll.
Carsten Träger (SPD) sprach vom "Märchen der billigen Atomenergie", sie sei nur mit massiven staatlichen Investitionen zu betreiben. Zudem hätten sich sämtliche ehemalige AKW-Betreiber von der Technik verabschiedet. Über den gesamten Lebenszyklus verursache Atomkraft mehr CO₂ als Erneuerbare Energien, zudem bestehe immer noch das Problem der Entsorgung. Zuverlässig sei Atomkraft auch nicht, wie das Beispiel Frankreich zeige. Dort war 2022 zeitweise die Hälfte der AKW wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet.
Trägers Parteigenosse Robin Mesarosch sah im Gegensatz zur Opposition die Versorgungssicherheit gewährleistet, dabei verwies er ebenfalls auf das Beispiel Frankreich. Die Kohleverstromung sei heutzutage auf einem so niedrigen Stand wie seit 1959 nicht mehr. CDU und CSU sprächen in ihrem Antrag von Dingen, die entweder veraltet seien oder bisher nicht existierten, wie zum Beispiel die Kernfusion.
"Milliardengrab Kernfusion"
Harald Ebner von den Grünen betonte das Hochrisikopotenzial von Atomkraft, wie es auch das Beispiel des AKW in Saporischschja zeige. Der Brennstoff stamme überwiegend aus kasachischen, russischen und chinesischen Quellen. Der neue EPR in Flamanville in Frankreich werde sechsmal so viel wie vorgesehen kosten, auch der neue britische Reaktor in Hinkley Point sei in Risiko für Investoren. Die Kernfusion sei bislang ein Milliardengrab. Bernhard Herrmann (Grüne) betonte, dass die betreffenden drei AKW zuletzt vor 16 Jahren gründlich sicherheitsüberprüft wurden. Sie wieder in Gang zu setzen sei voraussichtlich teuer, denn Erneuerbare Energien drückten die Preise.
Stephan Seiter (FDP) stimmte der CDU/CSU-Fraktion zu, dass Wissen um die Kernspaltung erhalten werden müsse. Zur Forderung, die Kernfusion zu fördern, verwies Seiter auf das eine Milliarde Euro umfassende Forschungsprogramm der Regierung. Ein Moratorium des Rückbaus der AKW würde Stillstand bedeuten und damit Unsicherheit für die Wirtschaft.
Frankreich benötige im Gegensatz zu Deutschland mit seinen "Zufallsenergien" keinen teuren Ausbau der Stromnetze, ebenso kein Wasserstoffkernnetz und keine Großstromspeicher, meinte Rainer Krafft von der AfD. Auch müssten französische Stromkunden auch nicht für Überstromkosten aufkommen. Zudem werde durch den Ausstieg aus der Atomkraft mehr CO₂ ausgestoßen.
Seit die letzten deutschen AKW abgeschaltet wurden, sei der CO₂-Ausstoß der Stromerzeugung in Deutschland zurückgegangen, berichtet die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Im Zeitraum bis Mitte März sei dieser um 24 Prozent zurückgegangen, darauf verwies auch der SPD-Abgeordnete Mesarosch während der Debatte. Als Grund für den Rückgang gibt Greenpeace das Wachstum bei den Erneuerbaren Energien an, gleichzeitig seien Strommengen aus fossilen Energiequellen zurückgegangen: Braunkohle um minus 29 Prozent, Steinkohle um minus 47 Prozent und Erdgas minus um 5 Prozent. Die Stromnachfrage sei im Vergleich zum Vorjahr um ein Prozent zurückgegangen.
(anw)