Bundestag bekommt ständigen Ausschuss für Netzpolitik

Die große Koalition hat sich nach einigem Hin und Her doch noch durchgerungen, einen Hauptausschuss fürs Internet und die geplante Digitale Agenda einrichten zu wollen. Ein zentraler Ansprechpartner bei der Regierung fehlt aber.

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Blick von der Besuchertribüne im Bundestag: Das Parlament bekommt nun doch endlich einen eigenen Hauptausschuss zum Internet und zur Digitalen Agenda

Die große Koalition hat sich nach einigem Hin und Her doch noch durchgerungen, im Bundestag einen Hauptausschuss fürs Internet und die geplante Digitale Agenda einrichten zu wollen. "Yesssss!", freute sich die frischgebackene parlamentarische Staatssekretärin im neu zugeschnittenen Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Dorothee Bär (CSU) am Dienstagabend auf Twitter über das Vorhaben: Die permanenten Bemühungen der Netzpolitiker aller Fraktionen hätten sich doch noch ausgezahlt.

Mit der Initiative erfüllt Schwarz-Rot eine alte Forderung von Parlamentariern. Abgeordnete der Fraktionen von CDU/CSU und FDP hatten sich im Einklang mit Empfehlungen der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" aus der vergangenen Legislaturperiode im Februar dafür stark gemacht, der Netzpolitik einen prominenteren Rang jenseits des langjährig bestellten, aber wenig beachteten "Unterausschusses Neue Medien" einzuräumen. Im April sprach sich der Bundestag dafür aus, einen entsprechenden ständigen Ausschuss einzurichten, was auch die Wirtschaft befürwortete.

Im Oktober ruderte ein Gesprächskreis der CDU zur "Digitalisierungspolitik" aber zurück. Auf parlamentarischer Ebene reiche es aus, einen Unterausschuss für Digitalpolitik als Anhängsel des Innen- oder Wirtschaftsausschusses anzumelden, meinte der Kreis, in dem vor allem führende Rechtspolitiker der Christdemokraten vertreten waren. CDU-Netzpolitiker beharrten dagegen darauf, dass das Thema zu wichtig sei, um es weiter unter "ferner liefen" abzuhandeln. Schwarz-Rote Verhandlungsführer der Unterarbeitsgruppe "Digitale Agenda" signalisierten im November im Rahmen der Koalitionsgespräche jedoch, den Hauptausschuss einrichten zu wollen.

Noch am Dienstagnachmittag hatte der neue SPD-Fraktionschef, Thomas Oppermann, nach der Regierungsbildung trotzdem gegenüber heise online immer noch keine Antwort parat, ob der Internetausschuss kommen werde. Erst am Abend twitterte dann der SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil seinen Dank an alle Mitstreiter, die für das Gremium gekämpft hatten. Zahlreiche andere Mitglieder der früheren parlamentarischen Internetkommission freuten sich in sozialen Medien ebenfalls über die Errungenschaft.

Netz- und Medienpolitiker aller Fraktionen waren sich im Frühjahr auch weitgehend einig, dass es auf Regierungsebene einen Zuständigen für Netzpolitik geben müsse, der mit am Kabinettstisch sitzt. Zu einem vollständigen "Internetminister", der sich um mehr als den Ausbau der Datenbautobahn kümmert, und einem zentralen Ansprechpartner auf Seiten der Bundesregierung konnten sich Union und SPD aber nicht durchringen. So fehlt dem geplanten Hauptausschuss, dessen Einberufung der Ältestenrat des Bundestags noch absegnen muss, der direkte Ansprechpartner im Bundeskabinett.

Angesichts der Ressortzuschnitte zeige sich, dass die deutsche Netzpolitik noch immer keine "konvergente und koordinierte Strategie" aufweisen könne, monierte daher Oliver Süme, Vorstand Politik und Recht im Verein der deutschen Internetwirtschaft eco. Der Verband appellierte daher an die Bundesregierung, die in verschiedenen Ministerien bestehenden Ansätze zu bündeln und in einer echten "Digitalen Agenda Deutschland" zusammenzuführen. Das Internet bilde die Grundlage für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort und für eine offene und freie Gesellschaft. Um diese Entwicklung weiter zu fördern, benötige es jetzt die richtigen politischen Entscheidungen.

Die angekündigte Digitale Agenda gehört auch für Dieter Kempf, Präsident der Hightech-Vereinigung Bitkom, "in das Zentrum der Politik". An diesem Punkt zeige der Koalitionsvertrag noch Lücken, die nun geschlossen werden müssten. So seien zum Beispiel Maßnahmen zur Förderung des Breitbandausbaus und von Startups oder zum Aufbau intelligenter Infrastrukturen zu konkretisieren.

Der Netzpolitik-Blogger Markus Beckedahl sprach von einem lange überfälligen Schritt, mit dem die Netzpolitik "endgültig das Kellerloch" verlasse und die "notwendige und angemessene politische Relevanz gewinnt". Es fehlten aber noch die passenden Inhalte, um das Gremium mit Leben zu füllen.

Für die "Digitalen Linken" schrie "die netzpolitische Befassung von allein acht Ministerien sowie einem Staatssekretär und einer Staatsministerin im Bundeskanzleramt geradezu nach Aufgabenabstimmung und koordinierter Befassung in einem ressortübergreifenden Internetausschuss". In der Gesamtschau drohe bei der Netzpolitik der großen Koalition "weitgehend Stillstand, im Urheberrecht sowie bei der Vorratsdatenspeicherung bedeutet sie gar Rollback".

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(jk)