Bundestag brütet lustlos über Misere beim Breitbandkabel

Nach 20 Jahren Kabelregulierung erhebt die Wirtschaft schwere Vorwürfe gegen die Medienpolitiker, die seit dem geplatzten Liberty-Deal über die Telekom-Kabelnetze reichlich ratlos wirken.

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Glaubt man der deutschen Telekommunikations- und Kabelbranche, so ist die deutsche Medien- und Regulierungspolitik nach dem geplatzten Liberty-Deal auf einem historischen Tiefstand angekommen. Wirtschaftsvertretern fiel es bei einer Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien des Bundestags zum "Verkauf der Kabelnetze der Telekom" und den Auswirkungen auf die Verbraucher sichtlich schwer, ihre Fassung zu bewahren. "Erschüttert", stellte beispielsweise Hans-Willi Hefekäuser, Chef-Lobbyist der Deutschen Telekom, fest, dass sich die Diskussion um drohende Monopole im Reich des TV-Kabels seit 20 Jahren "überhaupt nicht von der Stelle bewegt". Nur die Rolle der "bösen Buben" wechsele. Mal werde sie Liberty Media zugeteilt, mal Kirch und dann Murdoch. Verhindert werde durch dieses Spiel mit dem Schwarzen Peter letztlich die Technologieentwicklung in Deutschland.

Jeder sei hier als Geldgeber willkommen, spitzte Hefekäuser die Haltung der Medienpolitiker aus seiner Sicht zu, "solange er keine unternehmerischen Interessen mit seinem Investment verbindet". Anders sei der "ganze Katalog an Hindernissen", den das Bundeskartellamt mit seinem Bescheid gegen die Übernahme der sechs verbliebenen Kabelregionen der Telekom an Liberty für 5,5 Milliarden Euro auch für zukünftige Interessenten aufgebaut habe, nicht zu verstehen. Trotzdem hielt Hefekäuser an der Strategie seines Unternehmens fest, sich von den momentan weit gehend brach liegenden Kabelinfrastrukturen gänzlich zu trennen: "Wir wollen vollständig verkaufen und unternehmen weitere Bemühungen."

Just die neuen Kabelherren in Hessen und Nordrhein-Westfalen unterstützten den Konkurrenten bei seinen Klagen. Schließlich helfe "der schleppende Verkauf der restlichen Kabelnetze der Telekom, den Wettbewerb auf der letzten Meile für sich zu entscheiden", wie Günter Maier, Geschäftsführer des hessischen Betreibers Iesy, ausführte. Die Einsteiger ins Kabelgeschäft wollen der Telekom im Telefonsektor sowie beim schnellen Breitband-Internet Paroli bieten. Doch nun werde eine scheinbare Stagnation im Kabelmarkt erkennbar, die Geldgeber zusammen mit den Geschäftsplänen der neuen Strippenzieher zunehmend kritisch betrachteten. Gleichzeitig könne die Telekom ihr Monopol bei breitbandigen Netzzugängen über DSL festigen. Dazu kommt, dass die frischen Kabelbetreiber sich heftiger als erwartet mit der Wohnungswirtschaft herumschlagen müssen, die in der Regel die direkt beim Kunden ankommende Netzebene 4 beherrscht.

Hanfried Wendland vom Kartellamt hatte da einen schweren Stand, die Absage an Liberty zu verteidigen. Sie sei "unabweisbar" gewesen, erklärte der Beamte, nachdem der Chef des Medien- und Kabelkonzerns, John Malone, "keinerlei Bereitschaft erkennen ließ, verhältnismäßig geringfügige Modifikationen des Vorhabens vorzunehmen". Den "zunächst eingetretenen Stillstand in der Entwicklung der Breitbandkabelnetze", denen auf Grund ihrer vom Programmanbieter bis zum Endgerätehersteller reichenden Wertschöpfungskette allgemein bislang große volkswirtschaftliche und industriepolitische Chancen zugesprochen wurden, konnte Wendland letztlich auch nur bedauern.

Die Schuld allein auf die Kartellwächter zu schieben, scheint Werner Scheuer vom Verband Privater Kabelnetzbetreiber ANGA daher zu kurz gegriffen. Er hat ein ganzes "Gestrüpp aus Medienrecht, Telekommunikationsregulierung und Urheberrecht" ausgemacht, in dem das Kabel gefangen gehalten werde. Um den gordischen Knoten zu zerschlagen, sei eine "tief greifende Umgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen" erforderlich. 15 Landesmedienanstalten, die Kartellämter von Bund und Ländern sowie die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post hält Scheuer für ein Zuviel an Kontrolle. Für den Kabelbereich sei eigentlich nur ein medienpolitischer Grundsatz entscheidend, nämlich die strikte Trennung von Inhalt und Netz.

Angesichts der geschilderten Innovationsblockaden konnte sich auch so mancher Abgeordnete nicht des Eindrucks erwehren, dass nun doch langsam eine zukunftsfähige Aufsichtsordnung entwickelt werden müsse. Eine einzige konkrete Anregung für die sich selbst teilweise für ihre Ideenlosigkeit entschuldigenden Ausschussmitglieder kam von der Gewerkschaft ver.di sowie vom Hamburger Hans-Bredow-Institut. Die beiden Einrichtungen wärmten den alten Vorschlag wieder auf, einen zwischen allen Interessenslagern vermittelnden Medien- und Kommunikationsrat zu etablieren. Ob der wirklich das beanstandete Regulierungsdickicht lichten könnte oder ihm nur eine weitere Ebene hinzufügen würde, schien den Wirtschaftsvertretern allerdings fraglich. (Stefan Krempl) / (jk)