Bundestag verabschiedet elektronischen Einkommensnachweis
Mit den Stimmen der großen Koalition hat das Parlament das ELENA-Verfahren mit einigen Nachbesserungen beim Datenschutz verabschiedet, der Bundesdatenschutzbeauftragte hat trotzdem noch schwere Bedenken.
Mit den Stimmen der großen Koalition hat der Bundestag am gestrigen Donnerstagabend den Gesetzesentwurf zum elektronischen Entgeltnachweis (ELENA) verabschiedet. Die Linke votierte gegen das umstrittene Vorhaben zur Erfassung von allein rund 60 Millionen Einkommensbescheinigungen und anderen Entgeltnachweisen in einer zentralen Datenbank, die FDP und die Grünen enthielten sich. Obwohl die vom federführenden Wirtschaftsausschuss am Mittwoch noch vorgebrachten Nachbesserungen (PDF-Datei) beim Datenschutz im Plenum eine Mehrheit fanden, meldete der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Vorstoß zum Bürokratieabbau an. Auch Oppositionsvertreter kritisierten den Entwurf teils scharf.
Für die Fraktionen der Union und der SPD stellt die Initiative dagegen einen wichtigen Baustein zur Kostenreduzierung in den Ämtern dar. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Kai Wegner lobte wie schon in der ersten Parlamentsdebatte zu dem Vorhaben das Einsparpotenzial von rund 60 Millionen Papierbescheinigungen für Behörden und Gerichte über den Bezug von Sozialleistungen. Mit dem ELENA-Verfahren, das auf bereits bestehenden Übertragungswegen zwischen Arbeitgebern und Sozialversicherungen aufbaue, könne dieser "kostspielige Medienbruch" entfallen. Bereits für die sechs Bescheinigungsarten, die nach dem Gesetzentwurf in die zentrale Datenerfassung einbezogen werden sollen, ergebe sich für die Unternehmen eine Nettoentlastung von rund 86 Millionen Euro pro Jahr.
Angesichts einer "tiefen Verunsicherung in der Bevölkerung in Bezug auf das Speichern von Daten" betonte Wegner, dass das ELENA-System die höchsten Sicherheitsstandards erfülle. Es gewährleiste "die volle Kontrolle des Bürgers über seine gespeicherten persönlichen Daten". Über den Einsatz einer qualifizierten elektronischen Signatur bei den Behörden werde sichergestellt, dass nur mit Einwilligung des Bürgers die notwendigen Daten aus der Speicherstelle abgerufen werden könnten. Der Bürger müsse die abrufende Stelle immer dazu autorisieren. Darüber hinaus hätten die Betroffenen jederzeit das Recht, vom Arbeitgeber gemeldete Daten über sie selbst einzusehen. Auch eine Verwendung der Informationen zu anderen Zwecken sei ausgeschlossen.
Für die SPD lobte Doris Barnett ELENA und die geplante Zentrale Speicherstelle (ZSS) als "Meilenstein in Sachen Bürokratieabbau und bessere informationelle Selbstbestimmung". Arbeitgeber könnten mit dem Verfahren viel Geld sparen. Aber auch der Arbeitnehmer, der sich für rund zehn Euro eine drei Jahre gültige Signaturkarte besorge, könne mit seinem "individuellen ELENA-Schlüssel" etwa in der Arbeitsagentur an eigens dafür aufgestellten Terminals mit Hilfe eines Mitarbeiters auf seine Daten in der ZSS zugreifen und Entgeltnachweise erstellen. Zugleich bedauerte Barnett, dass nach Intervention des Bundesrats das Verfahren auf die Beantragung von Wohngeld aus dem Entwurf gestrichen worden sei. Zuvor hatten die Koalitionsfraktionen bereits eine wesentliche, im Wirtschaftsausschuss vorgenommene Änderung herausgestellt, wonach der "Masterkey" beim Bundesdatenschutzbeauftragten als Zertifizierungsstelle hinterlegt werden soll. Damit erhoffen sie sich einen Zuwachs an Vertrauenswürdigkeit in das System.
Für die Liberalen monierte Ulriche Flach einen Start mit angezogener Handbremse, da nur acht von 45 Nachweisverfahren in ELENA integriert würden: "Das System kann viel mehr, wird aber nicht vollständig genutzt". Darüber hinaus müsse die Wirtschaft die Anschaffungskosten für Lesegeräte tragen, während der Arbeitnehmer für den Datenabruf und die bislang für ihn kostenlose Zusendung eines Einkommensnachweises zahlen müsse. Auch der Nutzerkreis werde nicht ausgeschöpft, da das Verfahren bei Ländern und Kommunen vorerst außen vor bleibe.
Petra Pau von den Linken lehnte das mit einem Kosenamen umschriebene IT-Großprojekt entschieden als weitere Form der Vorratsdatenspeicherung ab. Lohn- und Gehaltsdaten von rund 30 Millionen Bundesbürgern würden für den Fall aufbewahrt, dass sie "irgendwann einmal Anspruch auf Sozialleistungen haben könnten". Die Risiken eines Datenmissbrauchs seien weit höher als der Nutzen der zentralen Vorhaltung. Die grüne Wirtschaftsexpertin Kerstin Andreae warnte ebenfalls vor den Begehrlichkeiten, die eine "so umfangreiche Datensammlung" wecken könne. Die Grünen hatten daher zwei Änderungseinträge eingebracht. Damit wollten sie eine durchgängigere Löschung veralteter Daten durchsetzen sowie die Einrichtung einer unabhängigen Treuhänderstelle etwa bei der Bundesnotarkammer zur Verwaltung des Datenbankhauptschlüssels der ZSS. Durchsetzen konnte sich die Oppositionspartei mit diesen Forderungen freilich nicht.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte begrüßte in einer ersten Reaktion, dass im Laufe der parlamentarischen Beratungen datenschutzrechtliche Verbesserungen erreicht werden konnten. "Die Daten sollen durchgängig verschlüsselt gespeichert werden", lobte Schaar. Ein Zugriff sei nur unter Verwendung von qualifizierten elektronischen Signaturen der Betroffenen und der beteiligten Behörden möglich. Für Fallkonstellationen, bei denen mit Hilfe des Datenbank-Hauptschlüssels eine Ver- und Entschlüsselung dieser Informationen erfolgen müsse, hätten die Abgeordneten ihm entgegen seiner Wünsche die Aufgabe einer Treuhänderstelle zugewiesen, die den Hauptschlüssel verwaltet. Auf diese Weise solle ausgeschlossen werden, dass es zu einer unrechtmäßigen Kenntnisnahme oder Verwendung der Daten kommt.
Trotz der technischen Sicherungen geht Schaar aber unverändert davon aus, "dass die weitaus meisten vorrätig gehaltenen Daten niemals benötigt werden, weil viele Betroffene die dem Anwendungsbereich des ELENA-Verfahrens unterliegenden Sozialleistungen nicht in Anspruch nehmen dürften". Dieses Missverhältnis zwischen umfassender Aufbewahrung personenbezogener Informationen und deren "punktueller Nutzung" könne mit den Kerngehalten des Grundgesetzes kollidieren. (Stefan Krempl) / (vbr)