CDU-Bildungsexperte fordert wissenschaftsfreundlicheres Urheberrecht

Carsten Müller, Berichterstatter der CDU im Bundestag, pocht auf Nachbesserungen bei der Urheberrechtsnovelle, während auch das Aktionsbündnis Bildung und Wissenschaft weiter Druck macht.

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Carsten Müller, Berichterstatter der CDU im Ausschuss für Bildung und Forschung des Bundestags, pocht auf Nachbesserungen am umstrittenen Regierungsentwurf für die zweite Stufe der Urheberrechtsreform. "Unser Urheberrecht muss bildungs- und wissenschaftsfreundlicher ausgestaltet werden", fordert der Braunschweiger Abgeordnete. Sonst sei zu befürchten, dass "gravierende Einschränkungen bei der Nutzung elektronischer Medien im Bereich der Hochschulen und Bibliotheken entstehen und sich somit der Zugang zu wissenschaftlichen Informationen verknappt und verteuert." Für den Innovations- und Wissenschaftsstandort Deutschland wäre dies nach Ansicht Müllers "Gift".

Der Bildungsexperte der CDU schließt sich damit weitgehend der Kritik an, die kürzlich bereits der Bundesrat am Kabinettsbeschluss zur Urheberrechtsnovelle in scharfer Form vorgetragen hat. Konkret macht sich Müller etwa dafür stark, dass öffentliche Bibliotheken im Sinne einer effektiven Versorgung von Forschern und Lehrern mit Fachinformationen Kopien aus Zeitschriften oder Büchern als grafische Datei versenden dürfen. Dies soll im Gegensatz zum Regierungsentwurf unabhängig davon gelten, ob das Werk auch vom Verlag in elektronischer Form angeboten wird.

Darüber hinaus müsse es dem Urheber vorbehalten bleiben, den Inhalt seiner Arbeiten auch bei Einräumung eines Nutzungsrechts nach Ablauf einer bestimmten Frist "anderweitig", also etwa im Internet, zu veröffentlichen. Müller macht sich damit für das "Open Access"-Modell der elektronischen Publikation wissenschaftlicher Werke stark, mit dem Forscher ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit zunehmend kostenlos zugänglich machen wollen. Verleger und Buchhändler laufen gegen derlei Forderungen Sturm und warnen vor ihrer "Enteignung" sowie der Gefährdung auch der "Arbeitsgrundlage von Autoren".

Der CDU-Parlamentarier drängt ferner mit dem Bundesrat darauf, "dass Kopien von im Internet öffentlich zugänglichen und vom Rechteinhaber autorisierten Werken nicht wie Privatkopien vergütungspflichtig sind". Kreative, die ihre Werke ohne den Einsatz von Systemen zum digitalen Rechtekontroll-Management (DRM) ins Netz stellen, würden demnach nicht von der Urheberrechtsabgabe profitieren. Verlage müssten ihre gesamten Online-Angebote mit Kopierschutztechniken aufrüsten, falls sie ihre Autoren für Privatkopien entschädigt wissen wollen. Inwieweit eine solche Klausel wissenschaftsfreundlich sein oder der einfacheren Informationsverbreitung dienen soll, begründet Müller nicht. Eine weitere Grundforderung des Berichterstatters ist die praxisnahe Ausgestaltung des Widerrufsrechts bei unbekannten Nutzungsarten.

Auch das Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" macht weiter Druck auf die Regierung. Die Mitglieder der Allianz haben einen Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschickt, in dem sie an das im Koalitionsvertrag abgesteckte Ziel der Schaffung eines "bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts" erinnern. Mit dem Regierungsentwurf drohe der Zugriff auf den Rohstoff "Information" aber "massiv beeinträchtigt" zu werden, verweist das Bündnis auf bereits geäußerte Befürchtungen. Schranken im Urheberrecht, also Ausnahmen von dem exklusiven Recht der Urheber und Verwerter, im Interesse von Bildung und Wissenschaft seien "keine kleinteiligen Zugeständnisse, sondern zwingend erforderlich, damit sich die Informations- und Wissensgesellschaft in unser aller Interesse weiterentwickeln kann."

Die Sprecher des Bündnisses bitten Merkel, "mit Ihrer Richtlinienkompetenz selber in das Verfahren einzugreifen". In der Sache stehe für Wissenschafts- und Informationsfreiheit zu viel auf dem Spiel, als dass sich die Politik überwiegend "der Urheberrechtssystematik und den Brüsseler Vorgaben verpflichtet" sehen dürfe. Die Kanzlerin sollte prüfen, "ob nicht die Rücknahme des Gesetzesentwurfs derzeit die bessere Lösung wäre, damit der Diskurs zur Erstellung eines Konsenses ohne Zeitdruck erfolgen kann." In der weiteren Perspektive bitten die Bündnispartner Merkel, den anstehenden Vorsitz der Bundesregierung im EU-Rat Anfang 2007 dafür zu nutzen, die umstrittene EU-Urheberrechtsrichtlinie "einer gründlichen Revision zu unterziehen". Die "in ihren Annahmen veraltete" Direktive erweise sich zunehmend als Hindernis für die jeweils nationale Gesetzgebung.

Darüber hinaus hat das Aktionsbündnis in einem Anschreiben an alle Studierendenvertretungen darauf hingewiesen, dass die vorgesehene Urheberrechtsnovellierung die Studenten von den bislang weitgehend gebührenfreien Leistungen der Bibliotheken abzuschneiden drohe und ihnen den Zugang zur elektronischen Information insgesamt erschwere. Die Dokumentenlieferung, wie sie momentan durch den mit öffentlichen Mitteln eingerichteten subito-Dienst organisiert ist, werde gemäß dem Regierungsentwurf in elektronischer Form kaum noch möglich sein. Auch die Zukunft elektronischer Semesterapparate, forschungsgruppenbezogener elektronischer Wissensbanken und E-Learning-Vorhaben sei ungewiss. Die Studentenvereinigungen sollen daher Infoveranstaltungen durchführen und Proteste an ihre jeweiligen Bundestagsabgeordnete senden.

Über Open Access und den Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen siehe in der aktuellen Ausgabe der c't:

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)