CES: LTE mutiert langsam zum sehr schnellen 5G-Mobilfunk

Auf einer Podiumsdiskussion erklärten Cisco, Ericsson und Samsung, wie die nächste Mobilfunkgeneration aussehen könnte. Zu den spannenden Themen gehörten Funkkanäle von mehreren hundert Megahertz Breite und die LTE-Flächendeckung.

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CES: LTE mutiert langsam zu 5G
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Von
  • Florian Müssig
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Die Ziele für die nächste, also fünfte Mobilfunk-Generation, die derzeit unter dem Label 5G entwickelt wird, klingen vielversprechend: Wer hätte nicht gerne weniger als fünf Millisekunden Latenz oder mehr als 20 GBit/s Downstream-Datenrate? Bis es soweit ist, ist aber noch einiges an Forschungsarbeit notwendig.

Die Erwartungen und Anforderungen an 5G sind hoch.

Für die hohen Datenraten brauche man, so die einhellige Meinung der Forscher, eine möglichst hohe Funkbandbreite. Kanäle mit Kapazitäten von 200 bis 800 MHz gibt es aber nur in hohen Frequenzbereichen, bei denen die lichtähnlichen Ausbreitungseigenschaften der Wellen der praktischen Nutzung Hürden in den Weg stellen. Einige Unternehmen suchen aber nach Wegen, die Hindernisse zu überwinden. Ericsson fährt dazu Versuche im 15-GHz-Band, Samsung bei 28 GHz. Andere Unternehmen testen bei 24 oder 39 GHz – denkbar sei eigentlich das gesamte Millimeterwellenspektrum, meinen die Fachleute.

Auf die Frage, ob es denn schon so etwas wie eine Wunschfrequenz gäbe, hatte Ericsson-CTO Ulf Ewaldsson im Gespräch mit heise netze keine Antwort: Dazu müsse man erst vergleichen, wie die hauseigenen Ergebnisse im Vergleich zu Versuchen anderer Unternehmen ausfallen. Immerhin seien viele Resultate frei verfügbar, sodass nicht jedes Unternehmen alle Frequenzen durchprobieren müsse.

Selbst wenn sich eine besonders geeignete Frequenz herauskristallisieren sollte, heißt das aber noch lange nicht, dass diese auch Verwendung finden würde: Damit 5G weltweit funktioniert, müssen die Frequenzen in allen Ländern verfügbar seien. Die ITU trifft sich im Herbst dieses Jahres zur WRC (World Radiocommunications Conference) und wird über Harmonisierungsmöglichkeiten beraten. Finale Festlegungen wird es dort freilich noch nicht geben. Diese sind erst für die nächste Zusammenkunft geplant, die wohl im Jahr 2019 stattfinden wird. Bei der Prognose, dass 5G schon 2020 fertig sein soll, blieben aber alle Sprecher.

Hohe Frequenzen bedeuten zwar hohe Bandbreiten, aber leider auch geringe Reichweiten und eine schlechte Objektdurchdringung – schlimmstenfalls müsse in Innenstädten alle 100 Meter eine Zelle platziert werden. Schon beim Autofahren mit geringen Geschwindigkeiten müssten dafür die Handover-Vorgänge zwischen den Zellen in sehr schneller Folge ablaufen.

Samsung erzielte bei Testfahrten auf einer Rennstrecke bei 110 km/h Datenraten von über 1 GBit/s.

Zur Reichweitenerhöhung sind Antennen-Arrays zwingend nötig, die mittels Beam-Forming die Funkwellen in Richtung des Endgeräts bündeln und bei Mobilgeräten diesen auch folgen. Samsung forscht derzeit an Möglichkeiten, die an Gebäuden und anderen Gegenständen reflektierten Beams nicht als Störfaktor zu betrachten, sondern gezielt mit einzubeziehen – etwa, um um Häuserecken zu kommen.

Das allein wird aber nicht ausreichen. Ein wichtiger Baustein für 5G wird Carrier Aggregation sein, also die Kombination unterschiedlicher Frequenzen zu einem gemeinsamen Übertragungsbündel. Die Trägerbündelung gibt es zwar schon, und nicht nur bei LTE-Advanced, sondern auch schon bei der 3G-Technik UMTS/HSPA, aber künftig sollen die einzelnen Frequenzen unterschiedlich genutzt werden: Alle Daten, also Status- und Steuerinformationen sowie Nutzdaten fließen normalerweise über weitreichende Zellen mit niedrigeren Frequenzen (Macro Cells, z. B. 800 oder 1800 MHz). Sobald aber kleine Zellen (Small Cells) in Reichweite sind, leitet das Kernnetz die Nutzlast über diese zum Teilnehmer. Dafür nutzen die Small Cells zusätzliche Träger in höherfrequenten Bändern mit höherer Kapazität (z. B. 2,6 GHz). Unterm Strich steigt so der Durchsatz. Damit während der Bewegung der Kontakt zum steuernden Kernnetz nicht abreißt, werden Steuer- und Statusinformationen weiterhin über die Makro-Zellen übertragen.

Eine entfernte Ähnlichkeit kennt man ja schon: Zuhause kommen alle Daten ausnehmend der Telefonie über das breitbandige WLAN auf den Smartphones an, unterwegs läuft hingegen alles übers Mobilfunknetz. Wen derzeit der IP-Adressen-Wechsel beim Verlassen des Hauses stört, weil er IP-Verbindungen beendet: 5G soll Techniken für den unterbrechungsfreien Wechsel bringen. Das erfordert jedoch größere Änderungen an den Kernnetzen hin zu einer informationsbasierten Architektur.

Die Ausbreitung von Funkwellen im urbanen Umfeld wird aufwändig simuliert, um nötige Zelldichten vorherzusagen.

Cisco erwartet, dass bis 2018 satte 50 Prozent des mobilen IP-Traffics über Small Cells mit hoher Bandbreite abgewickelt werden. Vor diesem Hintergrund erscheint verständlich, warum viele Mobilfunk-Provider schon jetzt zusätzlich auch DSL- oder Kabel-Internet anbieten: Die kleinen Zellen müssen schließlich breit verteilt und dick angebunden werden.

Cisco erwartet diese Technik schon ab 2018, was noch vor der 5G-Einführung liegt. Genau genommen gehört diese Technik also noch zur vierten Mobilfunkgeneration. Sie steht mit der kürzlich vorgestellten nächsten LTE-Ausbaustufe LTE-LAA bereits vor der Tür: Dabei kommen zusätzlich zu Basisstationen mit den bekannten LTE-Bändern Pico-Zellen im 5-GHz-Band zum Einsatz, wo sich auch moderne WLANs tummeln. In kommenden Jahren soll analog dazu auch die eine oder andere für 5G angedachte Technik noch in weitere LTE-Ausbaustufen einfließen – LTE mutiere gewissermaßen langsam zu 5G, so Ewaldsson.

Flächendeckendes LTE wird es nach Meinung der Teilnehmer wohl nie geben. Derzeit sei auf etwa einem Drittel der gesamten per Mobilfunk versorgten Fläche LTE möglich. Bis 2020 werde dieser Wert bestenfalls auf zwei Drittel anwachsen.

Von den weltweit fünf Milliarden Mobilfunknutzern, die sieben Milliarden Geräte damit betreiben, nutzen derzeit lediglich 350 Millionen LTE. Dem stehen eine Milliarde Nutzer entgegen, die immer noch ausschließlich GSM alias 2G verwenden. (mue)