Chatkontrolle: Kritiker warnen vor Kompromissvorschlag, Abstimmung verschoben

Heute wird im EU-Rat über den viel diskutierten Vorschlag zur Chat-Überwachung abgestimmt. Zum aktuellen Kompromissvorschlag gibt es einige kritische Stimmen.

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(Bild: Jackie Niam/Shutterstock.com)

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Kritiker warnen vor einer EU-weiten Massenüberwachung, die das digitale Briefgeheimnis aushebelt. Anbieter von Messenger-Diensten drohen mit der Abschaltung ihrer Dienste in der EU, sollte die Verordnung zur Bekämpfung von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs (CSA-Verordnung) in ihrer jetzigen Form verabschiedet werden.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lehnt den Vorschlag der belgischen Ratspräsidentschaft ab. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am gestrigen Mittwoch klargestellt, dass Deutschland mit Nein stimmen wird, wenn der vorliegende Vorschlag unverändert bleibt. "Die verschlüsselte private Kommunikation von Millionen Menschen darf nicht anlasslos kontrolliert werden", betonte Faeser.

Elina Eickstädt, eine Sprecherin des Chaos Computer Club (CCC) wertete Faesers Pläne als "starkes Zeichen", das nicht absehbar gewesen sei. "Schön, zu sehen, dass die Regierung sich an den Koalitionsvertrag hält", sagte Eickstädt im Gespräch mit heise online.

Weiterhin kritisiere der CCC, dass im belgischen Vorschlag von Freiwilligkeit der Nutzer keine Rede sein könne, so CCC-Sprecher Linus Neumann. Wer der Chatkontrolle nicht zustimme, dürfe keine Bilder und Videos mehr verschicken. Der CCC hatte bereits vor einem Jahr darauf hingewiesen, dass kriminelle Bildsammler Messenger und soziale Netzwerke ohnehin meiden würden. Nun würden Unschuldige unter Generalverdacht gestellt.

Amandine Le Pape, COO und Mitgründerin von Matrix, zeigt sich enttäuscht von den Plänen zur Chatkontrolle: "In der Praxis würde dies zu einer Massenüberwachung der Europäer führen. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung kann solchen Forderungen nicht standhalten", warnt Le Pape. Die EU müsse sich klar zum Schutz der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bekennen.

Der Schweizer Messenger-Anbieter Threema hält die Folgen einer Annahme des Vorschlags für verheerend. "EU-Bürger könnten nicht mehr sicher und privat im Internet kommunizieren", heißt es in einer Stellungnahme. Die massive Verschlechterung der Datensicherheit wäre ein schwerer Schlag für den europäischen Markt. Vor allem für Minderjährige hätte die Chatkontrolle negative Folgen.

Meredith Whittaker, Präsidentin des US-Messengers Signal, lehnt die Pläne zur "Upload-Moderation" strikt ab. Diese würde eine sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung de facto aushebeln – mit allen damit verbundenen Risiken. "Die Anordnung der Massenüberwachung privater Kommunikation untergräbt die Verschlüsselung fundamental", stellt Whittaker klar. Signal droht, seine Tätigkeit in der EU einzustellen, sollte das Gesetz in dieser Form kommen.

Trotz der Proteste scheint eine Mehrheit für den Vorschlag im Rat der EU-Mitgliedstaaten möglich. Der EU-Rat sollte heute über den viel diskutierten Vorschlag zur Chatkontrolle abstimmen, das wird jedoch verschoben.

Update

Hinweis ergänzt, dass die Abstimmung für heute verschoben wurde.

(mack)