Chemie-Nobelpreis für Forschung zur Gen-Transkription

Der Strukturbiologe Roger D. Kornberg von der Stanford University in Kalifornien bekommt den Chemie-Nobelpreis, weil er maßgeblich herausfand, wie das Erbgut abgelesen wird.

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Der Nobelpreis für Chemie gehört den Lebenswissenschaften: Das Preiskomitee zeichnete den Strukturbiologen Roger D. Kornberg von der Stanford University in Kalifornien aus, weil er maßgeblich herausfand, wie das Erbgut abgelesen wird.

All die Informationen, die einen Menschen, ein Tier oder einfach nur einen simplen Hefe-Stamm ausmachen, sind eingesperrt. In einen Zellkern, der das Erbgut davor schützt, von dem Zellapparat zerstückelt, zerstört und verspeist zu werden. Weil das aber so ist, müssen Boten die Information, die in den Genen steckt, in die Zelle tragen, wo sie dann zu Eiweißen umgesetzt werden, die den Organismus am Leben erhalten. Roger Kornberg war der erste, der die tatsächlichen Vorgänge beschrieb und eine Aufnahme davon machte, wie das Erbgut in diesen Eukaryonten – Organismen, deren Zellen mit einem Zellkern ausgestattet sind, dazu gehören auch wir Menschen – abgelesen wird.

Jede Zelle besitzt alle Gene. Allerdings dürfen im Herzen eben nur Herzgene, in der Leber nur solche, die für sie wichtig sind, abgelesen werden. Also werden Boten mit den notwendigen Informationen gebildet. Sie kopieren nur die jeweils notwendigen Gene und tragen sie hinaus aus dem Zellkern in die Zelle, wo aus der Information Eiweiße gebildet werden, die den Körper aufbauen. Die Boten sind aus ähnlichen Bausteinen wie die DNA aufgebaut, und werden daher als messenger RNA bezeichnet.

Für die korrekte Kopie sorgt ein Enzym, die RNA-Polymerase. Sie lagert sich an die Gene, die gerade abgelesen werden sollen, und baut schrittweise die messenger RNA zusammen. Kornberg gelang es im Jahr 2001, mit Hilfe der so genannten Proteinkristallographie ein Bild zu fertigen, das die RNA-Polymerase zeigt, wie sie an der DNA gelagert das Botenmolekül zusammenbaut. Dies sei der wahrhaft revolutionäre Aspekt der Arbeit, meint das Komitee, weil es den gesamten Prozess auf einen Schlag wiedergibt.

Ein höchst zentraler Prozess: Wenn diese Transkription aufhört, können genetische Information nicht mehr an den Körper übermittelt werden, die er immer aufs Neue benötigt. Der Organismus stirbt innerhalb weniger Tage. So etwa wirken einige Giftpilze. Die Toxine hemmen das zentrale Protein, die RNA-Polymerase, und der Organismus stirbt nach wenigen Tagen.

Das Verständnis um die Transkription sei auch von fundamentaler medizinischer Bedeutung, erklärt das Nobelpreiskomitee seine Wahl. Gestörte Transkriptionsabläufe seien an vielen menschlichen Leiden wie Krebs, Herzerkrankungen und Entzündungsprozessen beteiligt. Die Fähigkeit von Stammzellen, sich in vielen verschiedene Gewebetypen zu entwickeln, hängt nicht zuletzt von der Transkriptionsregulation ab.

Im Fall des Chemie-Nobelpreises darf man das Komitee getrost mehrfach als Wiederholungstäter bezeichnen. Zum einen besteht ein enger thematischer Zusammenhang zum diesjährigen Medizin-Nobelpreis. In beiden Fällen geht es um Genregulation. Wieder geht die Ehrung an einen Forscher aus den USA. Und nicht zuletzt "wird mit der diesjährigen Auszeichnung einmal mehr die Bedeutung der Röntgenkristallographie für die Aufklärung der Proteinstruktur unterstrichen", sagt Robert Huber, emeritierter Nobelpreisträger am Max-Planck-Institut für Biochemie (CHECK), der 1988 gemeinsam mit Johann Deisenhofer und Hartmut Michel für die Aufklärung der dreidimensionalen Struktur des Photosynthese-Zentrums geehrt wurde. Bereits zuvor wurden die Engländer Max Perutz und John Kendrew und erst im Jahr 2003 Roderick MacKinnon für Strukturuntersuchungen ausgezeichnet.

Vor 47 Jahren wurde übrigens bereits Kornbergs Vater Arthur mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Auch er beschäftigte sich Zeit seines Lebens mit Genregulation und klärte den Mechanismus auf, wie das Erbgut einer Zelle auf ihre Tochterzellen verteilt wird. Damals war Roger Kornberg zwölf Jahre alt und sah seinem Vater bei der Preisverleihung in Stockholm zu. Es ist somit sein zweiter Besuch der heiligen Hallen. (Edda Grabar) / (wst)