Chinesischer Blogger Anti erhält Medienpreis
Nach dem dänischen Zeichner der Mohammed-Karikaturen, Westergaard, wird in diesem Jahr ein kritischer chinesischer Blogger ausgezeichnet. Der Preis soll auch ein Signal für mehr Demokratie an Peking aussenden.
Den diesjährigen Preis des Potsdamer Medien-Forums M100 erhält der chinesische Blogger Michael Anti. Er stehe für eine junge Generation in Staaten, in denen es keine Demokratie gibt, sagte Projektleiterin Sabine Sasse am Montag in Brandenburgs Landeshauptstadt. Der 36-jährige Journalist gilt als einer der meistgelesenen Blogger Chinas, der vorzugsweise Filz und Korruption thematisiert. Seinen Namen führt Anti seit zehn Jahren. Eigentlich heißt der in Nanjing Geborene Zhao Jing. Er soll eng mit dem inhaftierten Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo befreundet sein.
Den undotierten Preis habe Anti der M100-Beirat für sein mutiges Eintreten für Meinungs- und Pressefreiheit sowie gegen Zensur zuerkannt, hieß es. Der Chinese will die Auszeichnung an diesem Donnerstag persönlich entgegennehmen. Er habe eine Ausreisegenehmigung erhalten, berichtete Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der auch Vorsitzender des Beirats ist. "Wir gehen davon aus, dass er zurückkehren kann." Sowohl Jakobs als auch Sasse betonten, dass die Preisverleihung auch als "ein Fingerzeig" an China zu verstehen sei. Vor gut fünf Jahren wurde Anti einem größeren Kreis an Internetnutzern bekannt, nachdem der Online-Dienst MSN seine Einträge vom Netz genommen hatte.
Hauptthema der internationalen Medienkonferenz M100 Sanssouci Colloquium ist, welche Rolle neue Medien wie Twitter und Facebook für die Revolution in arabischen Staaten spielen und gespielt haben. Es steht unter der Überschrift "Globale Demokratie – ein Triumph für soziale Netzwerke?". In Arbeitsforen wollen die rund 100 Teilnehmer die Unterschiede zwischen Ägypten, Tunesien, Syrien, Jemen und Libyen erörtern. Gleichzeitig wird nach der Zukunft traditioneller Medien gefragt.
Die Eröffnungsrede am 8. September hält die tunesische Journalistin und Oppositionelle Sihem Bensedrine. Nach ihrer Verfolgung und Inhaftierung verbrachte sie zwei Jahre im Exil, aus dem sie nach dem Rücktritt von Tunesiens Präsident Ben Ali zurückkehrte. Für die Laudatio auf den Preisträger Michael Anti sind die Chefredakteure des ZDF und des Magazins Stern, Peter Frey und Thomas Osterkorn angekündigt. Den diesjährigen Ehrenpreis erhält der Mitbegründer des M100-Treffens, Lord George Weidenfeld, dessen Verdienste der frühere österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel würdigen wird.
Zu den bisherigen Preisträgern des seit sieben Jahren veranstalteten Medienforums zählen der Gründer der Organisation "Ärzte ohne Grenzen", Bernard Kouchner, der Musiker und "Live Aid"-Organisator Bob Geldof, der dänische Karikaturist Knut Westergaard und Deutschlands früherer Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP). (anw)