Chinesischer Mini-Satellit sendet Quantenschlüssel über 12.000 km

Ein chinesischer Mikrosatellit hat abhörsichere Quantenschlüssel über eine Entfernung von 12.000 Kilometern zu einer mobilen Bodenstation übertragen.

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Ein Satellit umkreist die Erde

Symbolbild eines kleinen Satelliten in der Umlaufbahn

(Bild: Andrey Armyagov/Shutterstock.com)

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Inhaltsverzeichnis

Verschlüsselung ist nicht nur etwas für Spione oder Dissidenten – Verschlüsselungsalgorithmen stecken in jeder Browser-Session, jedem Internet-Kauf und Bezahlvorgang und jedem eingespielten Patch. Allerdings beruht die klassische Kryptografie im Kern auf mathematischen "Einwegfunktionen". So lassen sich zwei Primzahlen zwar leicht miteinander multiplizieren, es ist aber sehr schwer, aus dem Ergebnis wieder auf die Primzahlen zurückzurechnen. Spätestens dann, wenn es praktisch einsetzbare Quantencomputer gibt, gilt diese Annahme aber nicht mehr. Dann lassen sich auch Einwegfunktionen knacken.

Bei der Quantenkryptografie wird jede Session theoretisch mit einem neuen Schlüssel verschlüsselt. Dazu wird der Schlüssel auf dem sicheren Quantenkanal zuerst übertragen. Der ist gegen Abhören gesichert – zumindest theoretisch. Denn die Übertragung nutzt die Quanten-Überlagerung von Zuständen, um Daten zu übertragen. Werden die Bits zwischendurch abgezweigt, geht diese Quanten-Überlagerung verloren, wodurch Sender und Empfänger wissen, dass sie abgehört werden.

Theoretisch sicher heißt in diesem Zusammenhang: Weil jede Quantenverschlüsselung sowohl in Hardware als auch in Software realisiert werden muss, gibt es natürlich auch wieder Lücken, die von Angreifern genutzt werden können. Allerdings ist Quanten-Hacking sehr viel aufwendiger als normales Abhören.

Quantenkryptografie kann auf vielen verschiedenen Wegen implementiert werden. Die kommerzielle Nutzung ist nach wie vor auf Nischen beschränkt. Das hat zwei Gründe. Zum einen ist die Datenübertragungsrate verhältnismäßig gering. In der Praxis wird daher über die Quantenverbindung nur der kryptografische Schlüssel getauscht. Die damit verschlüsselten Daten werden dann herkömmlich übertragen. Zum anderen ist die Reichweite quantenkryptografischer Verbindungen per Glasfaser relativ gering – rund 100 Kilometer. Dann muss eine Zwischenstation eingerichtet werden.

Chinesische Forscherinnen und Forscher konnten jedoch bereits 2016 zeigen, dass sich solche Verbindungen mit einem Satelliten auch über sehr große Entfernungen aufbauen lassen. In Kooperation mit dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) in Wien konnten sie über den Satelliten Micius erstmals eine interkontinentale Quantenverbindung aufbauen. Im Satellit leuchtete ein ultravioletter Laser hoher Intensität in einen speziellen Kristall. Dabei entstanden aus einem Lichtteilchen zwei "verschränkte" Photonen mit der halben Energie. Ein Photon wurde nach Peking geschickt, das andere nach Wien. Wurde die Polarisation von einem der Teilchen in Wien gemessen, legte das auch die des zweiten Teilchens in Peking fest – und umgekehrt.

Allerdings waren nicht nur der Satellit, sondern auch die Bodenstation groß, schwer, sehr komplex und kostspielig. Das Team um Jian-Wei Pan von der University of Science and Technology of China, das bereits an Micius gearbeitet hatte, hat deshalb einen Quanten-Mikrosatelliten und eine tragbare Bodenstation entwickelt. Der Satellit namens Jinan-1 wurde im Juli 2022 in eine sonnensynchrone Umlaufbahn in 500 Kilometern über der Erde gebracht. Er hat eine Nutzlast von nur 23 Kilogramm. Die tragbare Bodenstation wiegt etwa 100 Kilogramm.

Der technische Fortschritt wurde durch eine stärkere Integration der Komponenten ermöglicht, aber auch durch technische Vereinfachung. Im Unterschied zu Micius arbeitet Jinan-1 nicht mit verschränkten Photonen, sondern verwendet ein einfacheres Protokoll. Während eines einzigen Überflugs (der Zeitraum, in dem sich der Satellit über dem lokalen Horizont befindet) konnte der Satellit bis zu 1,07 Millionen Bits geheimer Schlüssel mit den tragbaren Bodenstationen austauschen.

Parallel zu dem Austausch des Quantenschlüssels kann der Satellit auch gleich über einen weiteren Laser die verschlüsselte Datenverbindung mit der Basis aufbauen. Die Forscherinnen und Forscher beschreiben technische Einzelheiten jetzt in einem Paper in Nature (Vorabveröffentlichung vom 20. August 2024 auf ArXiv). Spätestens 2027 wollen die Chinesen mindestens vier solcher Quanten-Minisatelliten im All haben, die dann auch untereinander verschlüsselt Daten austauschen sollen. Außerdem wollen sie auch einen Satelliten im geostationären Orbit platzieren.

Im Nature-Podcast gab Jian-Wei Pan sich betont offen und erklärte, seine Arbeitsgruppe würde gerne mit anderen kooperieren. Tatsächlich arbeiten die Chinesen mit den Russen zusammen. Im Westen ist die abgesicherte Quantenkommunikation im All aber längst eine Frage technischer Souveränität geworden. Allerdings wird sie offenbar mit unterschiedlicher Dringlichkeit verfolgt. Die Europäer wollen 2026 einen ersten Quanten-Satelliten ins All bringen. In den USA ist die Technik noch in einer frühen Phase.

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Dieser Beitrag ist zuerst bei t3n.de erschienen.

(vza)