Chips Act: EU kann und will Halbleiterbranche nicht unendlich subventionieren

Der neue EU Chips Act kann nur ein Puzzlestück sein, um mehr modernste Halbleiterfertigung anzulocken, betont eine federführende EU-Abgeordnete der Grünen.

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(Bild: PastryShop/Shutterstock.com)

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Mit dem European Chips Act, auf den sich Verhandlungsführer der EU-Gesetzgebungsgremien vorige Woche prinzipiell verständigten, will die Gemeinschaft durch 3,3 Milliarden Euro Subventionen für die Halbleiterbranche weitere 40 Milliarden Euro Investitionen auslösen. Das Parlament habe dabei immer wieder gefordert, dass es sich um "frisches Geld" handeln sollte, betonte die Schattenberichterstatterin der Grünen, Henrike Hahn, am Dienstag. Doch vergeblich: Nun würden die Mittel aus bestehenden Initiativen wie dem Forschungsrahmenprogram Horizont Europa und dem Programm Digitales Europa abgezweigt, wie dies mit dem Entwurf der EU-Kommission bereits vorgesehen gewesen sei. Immerhin hätten die Abgeordneten durchgesetzt, den Finanzrahmen um 0,1 Milliarden Euro aufzustocken. Doch die Industriepolitikerin stellte auch klar: "Wir haben nicht die Möglichkeit, uns unendlich zu subventionieren."

Die internationale Standortkonkurrenz ist groß. Als wichtigster und am weitesten fortgeschrittener Chiphersteller weltweit gilt TSMC in Taiwan, der vielleicht auch nach Europa kommen könnte. Schon bis 2025 will China insgesamt 1400 Milliarden US-Dollar in Hochtechnologie investieren, einen Großteil davon speziell in die Halbleiterindustrie. Die USA haben mit dem Chips and Science Act 52,7 Milliarden US-Dollar zur Ankurbelung der heimischen Halbleiterproduktion vorgesehen. Der EU Chips Act könne da nur ein "Puzzlestück" und eine "Facette" sein, um im internationalen Wettlauf auf diesem Gebiet zu bestehen, ist Hahn realistisch. Der Fokus liege darauf, die europäische Wirtschaft von innen heraus zu stärken und resilient zu machen, um wettbewerbsfähig zu sein. Ein Aspekt dabei sei das Erfordernis, Europa von Abhängigkeiten bei Rohstoffen etwa aus China zu lösen.

Umstritten war der Ansatz der Kommission, nur modernste und einzigartige Fertigungstechnik fördern zu wollen ("first of a kind"). Dazu sollten etwa Halbleiter mit Strukturen von 2 Nanometern und feiner sowie Chips der "nächsten Generation" zählen. Das zielte vor allem auf Megaprojekte für einige große Firmen mit staatlicher Beihilfe. Die Volksvertreter haben hier laut Hahn durchgesetzt, auch das Wachstum kleinerer Initiativen voranzubringen, wenn diese etwa zum "grünen und digitalen Wandel" beitragen. So spielen nun die Klimaauswirkungen elektronischer Systeme, die Nachhaltigkeit von Chips und die Kreislaufwirtschaft eine größere Rolle. "Mehr Nutznießer werden profitieren", hebt die Parlamentarierin hervor. Darunter auch bestehende Einrichtungen, die modernisiert werden können, Effekte über die einzelne Firma und Mitgliedsstaat hinaus haben und eine Verbesserung der Energie- oder Umweltleistung erreichen.

Der Anteil der Beihilfe dürfe für kleine Unternehmen bis zu 90 Prozent, im Mittelstand bis zu 80 Prozent betragen, führte Hahn aus. Zudem soll eine "Gemeinsame Unternehmung für Chips" (Joint Undertaking) Design- und Exzellenzzentren einrichten, Dienstleistungen auch für Start-ups erbringen, Schulungen durchführen, Pilot-Plattformen aufbauen und bei der Suche nach Investoren helfen. Weiteres Anliegen sei es, mit der Verordnung den Wissens- und Qualifikationsmangel im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich zu bekämpfen, um dem Fachkräftemangel in der Halbleiterindustrie entgegenzuwirken. Ferner hätten die Verhandlungsführer die Notstandsbefugnisse der Kommission im Falle einer Halbleiterkrise klarer definiert und etwa auf schwerwiegende Störungen und erhebliche Engpässe beschränkt. Zugleich solle der Halbleiterkreislauf erstmals ordnungsgemäß kartiert werden.

Pauschale neue Ausnahmeregeln von bestehenden Umweltgesetzen sehe der Chips Act nicht vor, ging Hahn auf die Debatte über die geplanten zwei Megafabs von Intel in Magdeburg ein. Die Mitgliedsstaaten könnten aber national etwa die Wasserrichtlinie und Vorschriften für die biologische Vielfalt einschränken. Die Grünen drängten im Gegenzug darauf, dass Ausgleichsmaßnahmen vorzusehen seien und die Trinkwasserversorgung voll gewährleistet werde. Details müsse die Bundesregierung festlegen, auch schnellere Genehmigungen seien möglich: "Intel kann bauen." Innovation und Umweltschutz würden in Einklang gebracht, sprach die Grüne von einem "guten Verhandlungsergebnis". Die Abgeordneten hätten Wert gelegt "auf höchstmögliche ökologische und soziale Kriterien". Über den finalen Text werde das Parlamentsplenum voraussichtlich im Juni abstimmen. Auch der EU-Rat müsse diesen noch billigen, was als Formsache gilt. Die Verordnung wird dann unmittelbar anwendbar sein.

(mho)