Chips gegen Corona-Impfstoff: Taiwan schlägt ungewöhnlichen Tauschhandel vor

Viele Regierungen, darunter Deutschland, erkennen Taiwans Unabhängigkeit nicht an, was deren Impfstoffbeschaffung erschwert.

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(Bild: Taiwan Semiconductor Manufacturing Co., Ltd.)

Lesezeit: 3 Min.

Der Westen hatte Taiwan um eine Unterstützung der Automobilindustrie gebeten, die unter einem teils hausgemachten Chipmangel leidet und deswegen die Produktion teilweise heruntergefahren hat – darunter ein Brief des deutschen Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier. Nun tastet sich die taiwanische Regierung an ein mögliches Handelsabkommen heran: außerordentliche Chiplieferungen im Austausch für Impfstoff gegen das Coronavirus.

Der Vorschlag für einen solchen ungewöhnlichen Tausch kam zunächst vom taiwanischen Wirtschaftsforschungsinstitut und dem ansässigen Central Epidemic Command Center (CECC), wie der Nachrichtendienst Taiwan News schreibt. Inzwischen soll die taiwanische Wirtschaftsministerin Wang Mei-hua den Vorschlag Thomas Prinz, Generaldirektor des Deutschen Instituts Taipei, unterbreitet haben.

Eine solche Anfrage kommt nicht von ungefähr: Bis heute erkennen viele Regierungen nicht die Unabhängigkeit Taiwans von Festland-China an, um die Beziehungen zu China nicht zu gefährden. Dazu zählt auch Deutschland – das Auswärtige Amt schreibt dazu: "Deutschland unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. […] Die deutschen Interessen werden durch das Deutsche Institut Taipei, das Goethe-Institut Taipei, das Deutsche Wirtschaftsbüro und ein Büro von Germany Trade and Invest wahrgenommen."

Heißt: Eine offizielle deutsche Botschaft in Taiwan gibt es nicht. Zudem bleibt Taiwan auf Drängen Festland-Chinas der Beitritt in die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) verwehrt, was den Informationsfluss und die Beschaffung von Impfstoff gegen das Coronavirus erschwert.

Taiwan hält die Verbreitung des Coronavirus mit rund 900 bekannten Fällen sehr gut unter Kontrolle. Die Insellage, eine frühe Abschottung mit anhaltenden Beschränkungen für den Flugverkehr und eine kulturelle Offenheit für das Tragen von Masken helfen. Allerdings lassen sich neue Fälle in einem Export-Land kaum gänzlich verhindern, sodass auch wichtige Chipauftragsfertiger wie TSMC und UMC Vorsichtsmaßnahmen ergreifen müssen.

An dieser Stelle setzen Impfstoffe an, die in Taiwan über reguläre Wege allerdings frühestens ab März 2021 ankommen sollen.

Die Chipproduktionsstätten in Taiwan laufen derweil auf Anschlag, sodass Auftragsfertiger eigentlich kurzfristig nicht viel für die Automobilindustrie machen können. Der Nachrichtendienst EE Times berichtet von steigenden Investitionen seitens TSMC und UMC in Milliardenhöhe, um die Fertigungskapazitäten zu erhöhen, allerdings dauern solche Prozesse Monate bis Jahre.

Um kurzfristig Kapazitäten für die Automobilindustrie freizuschaufeln, müssten Firmen wie TSMC und UMC mit anderen Kunden verhandeln. Speziell TSMCs Interesse dürfte da nur bedingt hoch sein, weil Autohersteller nur einen niedrigen einstelligen Prozentanteil am Gesamtumsatz ausmachen. Zudem hatten die Hersteller selbst vergangenes Jahr Chiplieferungen abbestellt. Die taiwanische Regierung könnte die Marktmacht jedoch nutzen, um den Westen zur Ausweitung der diplomatischen Beziehungen zu bewegen.

Selbst wenn das zugunsten der Automobilindustrie funktionieren sollte, zeigen sich die Früchte frühestens in ein paar Monaten. So lange dauert es, bis ein Silizium-Wafer mit den einzelnen Chips die Fertigung durchlaufen hat und beim Kunden ankommt.

(mma)