Club-of-Rome-Autor schlägt Alarm: Kein Zurück mehr beim Klimawandel

Die Pariser Klimaziele seien schon jetzt nicht mehr erreichbar, die Erderwärmung schreite unaufhörlich fort, lautet das Resümee einer neuen Studie.

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(Bild: Elizabeth A.Cummings/Shutterstock.com)

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Ein düsteres Szenario eines nicht mehr aufhaltbaren Klimawandels mit all seinen zerstörerischen Folgen zeichnet der Management- und Klimastratege Jørgen Randers zusammen mit einem Forscherkollegen in einer am Donnerstag im Fachjournal "Scientific Reports" veröffentlichten Studie. Selbst wenn die Menschheit alle auf ihr Konto gehenden Treibhausgas-Emissionen noch in diesem Jahr stoppen würde, ließe sich der Temperaturanstieg demnach nicht mehr oder nur noch kaum begrenzen.

Sämtliche Eismassen außerhalb Grönlands und der Antarktis schmelzen laut der Analyse des Co-Autors mehrerer Berichte des Club of Rome in nächster Zeit ab, der Permafrostboden in polaren Regionen taut komplett auf. Der norwegische Zukunftsforscher und sein Mitstreiter betonen: Unabhängig davon, ob das Null-Emissions-Ziel rein hypothetisch bereits in diesem Jahr oder am Ende des Jahrhunderts erreicht würde, klettere die globale mittlere Temperatur noch Jahrhunderte lang weiter.

2500 läge die Erderwärmung dann bei etwa plus drei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit, während sie laut dem Pariser Klimaabkommen eigentlich auf 1,5 oder 2 Grad begrenzt werden soll. Lediglich der Anstieg des Meeresspiegels würde sich den Verfassern zufolge um etwa einen halben Meter unterscheiden, wenn die Weltgemeinschaft sofort die Notbremse zöge.

Die Experten kommen zum Schluss, dass der "Point of no Return" bereits deutlich überschritten ist. Ihren Berechnungen zufolge hätte der Ausstieg der Treibhaugas-Ausstöße schon zwischen 1960 und 1970 abgeschlossen sein müssen, um den nun drohenden starken Temperaturanstieg zu vermeiden. Der ausgemachte Zyklus scheine "durch eine globale Erwärmung von nur plus 0,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau ausgelöst zu werden".

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Als Ursache für die noch Jahrhunderte andauernde Erwärmung nennt das Duo drei Faktoren. Sie verweisen auf massive CO2- und Methan-Einträge in die Atmosphäre, weil Permafrostböden immer weiter auftauen. Dazu komme der weitere Rückgang der Albedo, also der Rückstahlung von Sonnenergie, weil das arktische Eis weiterhin schmelze. Parallel erhöhe sich der Wasserdampf, der den Treibhauseffekt ebenfalls befeuert, in der Atmosphäre aufgrund höherer Temperaturen.

Aufzuhalten wäre diese Entwicklung laut den Autoren höchstens, wenn Techniker umgehend damit beginnen würden, CO2 aus der Atmosphäre abzuscheiden. Nötig seien dafür Minderungen in einer Größenordnung von 33 Gigatonnen pro Jahr. Zum Vergleich: 2019 wurden 36,7 Gigatonnen des Treibhausgases in die Atmosphäre emittiert.

Ihre Erkenntnisse haben die Wissenschaftler mit einem stark vereinfachten Klimamodell gewonnen. Dazu schrieben sie bereits 2016: "Wir haben ein einfaches Systemdynamikmodell, ESCIMO, entwickelt, das auf einem Desktop-Computer in Sekundenschnelle läuft und in der Lage ist, die wichtigsten Ergebnisse komplexerer Klimamodelle zu reproduzieren".

Als der Weisheit letzter Schluss bezeichnen die Verfasser ihr Ergebnis nicht. Sie räumen ein, dass es ihnen vor allem darum gehe, bestehende Denkprozesse zu hinterfragen und weitere Studien mit komplexen Erdsystemmodellen anzustoßen. Randers ist nach jahrzehntelanger Aufklärungsarbeit über die Grenzen des Wachstums für seine Ansicht bekannt, dass der für die Rettung der Erde nötige Wertewandel nicht auf die sanfte Tour erreicht werden kann.

Deutsche Forscher beäugen die Analyse überwiegend skeptisch, auch wenn sie den mitschwingenden Alarmismus nicht ganz unberechtigt finden. Der nahegelegte "Runaway"-Treibhauseffekt sei bisher von keinem Erdsystemmodell gezeigt worden, gibt Stefan Hagemann vom Helmholtz-Zentrum für Material und Küstenforschung zu bedenken. Dies gelte auch für Simulationen mit einer hohen Klimasensitivität.

"Ich bin sicher, dass es im Klimasystem sogenannte Kipp-Punkte gibt", betont der Wissenschaftler. Es existierten bisher aber keine Hinweise darauf, dass diese Schwellen bereits mit einer Erwärmung von 0,5 Grad erreicht worden seien. Ferner gehen die Verfasser auch selbst auf offensichtliche Schwächen ihres Modells ein. Dieses lasse 175 Gigatonnen Kohlenstoff aus dem Auftauen des Permafrost bis zum Jahr 2300 freiwerden, "was deutlich mehr ist im Vergleich zu plus 66 bis minus 70 Gigatonnen bei anderen Modellen". Dennoch handle es sich um "interessante Ergebnisse", die zu weiteren Untersuchungen anregten.

"Erhebliche Zweifel an der methodischen Gründlichkeit" der Studie hat Helge Goessling vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Andere einschlägige Analysen lieferten bislang keine Beweise dafür, dass die Emissionsbudgets bereits mehr als ausgeschöpft sein könnten. Auch die Aussagen über Rückwirkungen durch Wasserdampf und Oberflächenalbedo weckten Zweifel. Für Goessling ist so klar: "Wir sollten weiter darauf setzen, die menschgemachten Treibhausgasemissionen schnellstmöglich zu senken, um die globale Erwärmung in Grenzen zu halten."

Für besonders lange, wie hier bis 500 Jahre in die Zukunft reichende Zeiträume seien sogenannte Erdsystemmodelle mittlerer Komplexität (Emics) nützlich, meint Holger Kantz vom Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme. Damit ließen sich auch "weitere Komponenten des Erdsystems jenseits von Atmosphäre und Ozeanen einbeziehen. Ein halbwegs realistisches Modell laufe aber "nicht in Sekunden auf einem Desktopcomputer", sondern auf einem Supercomputer eher einen Tag lang.

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Insofern ist es für den Dresdner Professor plausibel, "dass dieses Modell zu stark vereinfacht". Die Tatsache, dass es von nur zwei Personen entwickelt worden sei, bestätige dies. Aufgrund der Diskrepanz zum Multimodell-Ergebnis des Weltklimarates IPCC und der Aussagen der Autoren zur Rechenzeit ihres Modells hält Kantz es "für höchst wahrscheinlich", dass der hier verwendete Ansatz "unzulänglich ist und deshalb die Zukunft nicht korrekt abbildet". Trotzdem werde die Studie "sicherlich zu einer Überprüfung der komplexeren Modelle führen und ist deshalb nicht wertlos".

Für den Leiter des Süddeutschen Klimabüros, Hans Schipper, zeigt die Analyse dagegen "auf beeindruckende Weise, dass Rückkopplungen im Klimasystem zu unerwarteten Effekten führen können". Die Botschaft sei: "Wenn wir beim Klimaschutz nicht ernsthaft handeln, werden Szenarien in Gang gesetzt, die zu erheblichen Beeinträchtigungen unserer Gesellschaft führen." Für den Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist es höchste Zeit, auch umstrittene Technologien wie Climate Engineering weiter voranzutreiben. Diese könnten eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Folgen des Klimawandels einzudämmen.

(mho)