Corona: Britische Städte überwachen Abstandhalten mit KI-Kameras
In London und anderen Städten Großbritanniens werden Kameras mit Künstlicher Intelligenz eingesetzt, um das Einhalten von Corona-Maßnahmen zu kontrollieren.
Die Londoner Firma Vivacity Labs betreibt in der britischen Metropole und anderen Städten auf der Insel Kamerasysteme mit Künstlicher Intelligenz (KI). Damit kann die lokale öffentliche Verwaltung sowie die Regierung auch prüfen, ob im Rahmen der Corona-Pandemie verhängte Vorschriften etwa zum "Social Distancing" oder für Lockdowns eingehalten werden.
Daten "nützlich für politische Entscheidungen"?
Die integrierten Sensoren hat das Unternehmen eigentlich entwickelt, um den Verkehrsfluss mit Autos, Radfahrern und Fußgängern zu verfolgen. Die Technik soll der Verwaltung einen besseren Überblick geben, wie öffentliche Straßen genutzt werden. Mit dem im März in Großbritannien verhängten Lockdown fügte Vivacity den KI-Scannern aber eine zusätzliche Funktion hinzu, um auch den Abstand zwischen Fußgängern zu erfassen. Die einschlägigen Daten gibt die Firma auch in einem monatlichen Bericht an die Regierung in London weiter.
Nach eigenen Angaben hat Vivacity Labs mehrere tausend einschlägige Sensoren etwa in Ampeln in ganz Großbritannien installiert, unter anderem in London, Manchester, Oxford, Cambridge und Nottingham. Der Betriebsleiter des Unternehmens, Peter Mildon, betonte am Mittwoch gegenüber der BBC, dass die Daten potenziell "nützlich für politische Entscheidungen" rund um Corona-Maßnahmen seien.
Kein Filmmaterial, keine gespeicherten Aufnahmen
Mildon unterstrich, dass es sich bei den elektronischen Augen nicht um herkömmliche Überwachungskameras handele. Die Geräte dienten nur der Datenerfassung, es würden keine Aufnahmen gespeichert. "Sie zeichnen kein Filmmaterial auf, sie streamen es nicht und niemand schaut es sich tatsächlich an", führte der Manager aus. Im Kern habe die Firma einen Algorithmus trainiert, um automatisiert erkennen zu können, "wie ein Fußgänger im Gegensatz zu einem Radfahrer oder einem Liefer- oder Lastwagen aussieht".
Man erstelle mittlerweile aber auch eine Reihe von Statistiken darüber, ob Menschen etwa dicht beieinander blieben oder Abstand hielten und ihr entsprechendes Verhalten sich ändere, erklärte Mildon. Die Daten könnten Politikern eine bessere Entscheidungsgrundlage geben, ob etwa eine Zwei- oder eine Anderthalbmeter-Regel beim Abstandhalten eingeführt werden sollte oder ob lokale Corona-Vorgaben die erhofften Auswirkungen haben.
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Bedenken wegen Grundrechtseingriffen
Das Unternehmen vermarktet seine Technik als Lösung, die das Prinzip "Privacy by Design" berücksichtige. Der Datenschutz soll also von Anfang an eingebaut sein. Trotzdem führte nun die Ankündigung von Simon Jones, dem Leiter des Verkehrsreferats beim Bezirksrat von Kent, dass in der Stadt und im Landkreis das System eingeführt werden solle, laut lokalen Medienberichten zu Bedenken rund um die damit möglicherweise verknüpften Grundrechtseingriffe.
Selbst wenn der Bezirksrat die Sensoren nutzen wollte, um einzelne Bürger zu sanktionieren, die sich nicht an die Corona-Regeln halten, ginge dies laut Mildon nicht. Die Kameras ermöglichten es der Firma nur, anonymisierte Daten zu liefern, wie der öffentliche Raum genutzt werde. Schon dies allein biete aber einen großen Mehrwert.
Das britische Verkehrsministerium bestätigte dem "Evening Standard", dass die Regierung zusammen mit einer Reihe anderer öffentlicher Verwaltungsstellen monatliche Datenberichte von Vivacity bekomme. Man nutze das Material zusammen mit weiteren Erkenntnissen, um die Auswirkungen von Covid-19 zu analysieren. Es handle sich um aggregierte Statistiken, in denen keine persönlichen Informationen enthalten seien. Bisher war bekannt gewesen, dass etwa französische Städte wie Nizza Überwachungskameras und Gesichtserkennungssoftware verwendeten, um die Pflicht zum Maskentragen zu kontrollieren.
(tiw)